Der diesjährige World Usability Day hatte das Thema: Collaborate & Cooperate. Die World Usability Days werden jedes Jahr von UX Schweiz organisiert. UX Schweiz ist der Schweizer Berufsverband aller UX Professionals. Dieses Jahr hat sich UX Schweiz neu erfunden, wobei sich die Frage stellte: Was brauchen UX Professionals von ihrem Berufsverband, um erfolgreich zu sein?
Neu setzt sich die UX Schweiz stärker für das Gestalten von UX Berufsbildern, das Anbieten einer UX Stellenbörse, Mentoring-Programme, Digitale Assets, Firmenpartner und Geschäftsstellen ein. Um diesen Wandel sichtbar zu machen, hat die Website einen neuen Look bekommen. Darüber hinaus bietet UX Schweiz neu Merchandising rund um das Thema UX an, wie zum Beispiel Tassen, Postkarten und Sticker.
Während seiner Ansprache am World Usability Day betonte Präsident Christian Mooser von UX Schweiz den Mut, die Erfahrung und die Kreativität, die UXler und UXlerinnen brauchen, um «out of the box» zu denken und neue Ideen ins Leben zu rufen. Nur so entstehen neue Abläufe und bessere Produkte. Nur wenn man iteriert, entstehen neuartige Wege, die die Bedürfnisse der User bestmöglich zu treffen. Genau das ist die Arbeit der UX Designer und UX Designerinnen.
Über 70 % der Produkte und Dienstleistungen sind vergleichbar, was die Features angeht. Differenzierung gelingt also nur über die Experience. In einer Welt voller Veränderungen, in der Artifical Intelligence mitprägt, stellt sich zudem die Frage, wie der Berufstand in 5-10 Jahren aussieht.
Talks haben in der Aula und Workshops in den Nebenräumen stattgefunden. Am Nachmittag gab es zudem im Foyer eine Begegnungszone zum Networken. Nach jedem Talk gab es eine Fragerunde im Plenum. Innerhalb der Aula war auch eine Job Wall eingerichtet, mit offenen Stellen, welche im UX Bereich zu vergeben sind. Das genaue Programm mit den jeweiligen Inhalten ist unter diesem Link zu finden: https://www.worldusabilityday.ch/agenda
Collaborate vs. Cooperate
Ist collaborate dasselbe wie cooperate?
Im Rahmen eines Talks wurde aufgezeigt, dass diese Begriffe sich unterscheiden:
- Collaborate: Bearbeiten und Zusammenarbeit für ein Ziel; wir sind voneinander abhängig
- Cooperate: Unterschiedliche Ziele, aber zwischenzeitlich helfen wir uns gegenseitig
Beim Kollaborieren bearbeitet das Team ein gemeinsames Ziel. Sie arbeiten zusammen darauf hin. Es besteht eine gewisse Abhängigkeit. Beim Kooperieren hingegen, bestehen unterschiedliche individuelle Ziele. Zwischenzeitlich wird untereinander ausgeholfen.
Zu den Grundzutaten erfolgreicher Zusammenarbeit zählen gegenseitiger Respekt (mutual respect), gemeinsame Werte (shared values) und neue Ideen (new ideas). Der Gedanke dabei ist, dass UXler und UXlerinnen zusammen eine bessere Welt schaffen.
Die Zusammenarbeit soll nicht nur in Workshops gelebt werden, sondern auch bei der Gestaltung in einem Raum. Exemplarisch wurde dazu Pixar aufgeführt. Steve Jobs hatte damals den Designplan für ein neues Pixar entworfen. Bei Pixar sind sogar Toiletten so konstruiert, dass man selbst dort zusammen brainstormen kann. Warum? So kann vermehrt auch interdisziplinäre Zusammenarbeit stattfinden.
Im Weiteren wird ein Einblick in die Talks gegeben.
Talk “Key Note – The Umami Strategy: How to stand out in the packed market?”
Die Referentin, Aga Szostek, beschrieb in ihrem Talk die von ihr entwickelte «Umami Strategie». «Umami» ist, neben «süss», «salzig», «bitter» und «sauer», einer der fünf menschlichen Geschmacksinne. Das Wort «Umami» kommt aus dem Japanischen und heisst wortwörtlich «Köstlichkeit». Der Umami Geschmack kommt oft vor in fermentierten Lebensmitteln, wie Käse, Kimchi oder Seetang aber auch in unfermentierten Tomaten, Fisch und ganz vielen anderen. Was hat also Umami mit UX zu tun? Die Referentin, Aga Szostek, beschrieb in ihrem Talk wie digitale Produkte auch eine Art «Umami-Geschmack» haben können. Umami drückt sich in einem digitalen Produkt durch «Joy-of-Use», emotional design, engagement und Empathie aus. Ein Produkt sticht also aus dem Markt heraus, wenn diese Aspekte berücksichtig und damit für den End-User sehr nach Umami «schmeckt».
Die Aufgabe besteht darin, herauszufinden, ob wir flüchten müssen oder bleiben können. Wir sind dauerhaft mit der Sicherheitsthematik beschäftigt. Unsere Gehirne sind nicht reaktiv, sondern prädiktiv. Das bedeutet, dass wir uns zum Beispiel vorstellen, wie die Konferenz sein wird und Vorstellungen haben, wie die Konferenz ablaufen wird. Bei der Interaktion mit Marken und Services funktionieren die Gehirne der Kunden genau gleich: Wir erleben etwas, prüfen dabei, ob die Situation gefährlich ist oder nicht und entscheiden dann, ob wir das Erlebnis speichern oder nicht. Wenn die Interaktion mit dem Brand und den Services schlecht war, ist das gleichzustellen, wie mit der Erinnerung, von einem Löwen gejagt worden zu sein. Wenn der Kunde positiv überrascht wird, ist diese Überraschung grundsätzlich bereits nach einem Jahr nicht mehr im Gehirn des Kunden. Man muss als Unternehmen also etwas extra machen. Das Ziel soll sein, dass der Kunde sich «awesome» fühlt.
Aga Szostek unterscheidet zwei Beziehungsformen zwischen Unternehmen und seinen Kunden:
- Transactional relationship = «Ich bin so lange mit dir, wie es günstig ist, wenn jemand anderes günstiger ist, gehe ich»
- Emotional relationship = «Ich bleibe mit dir auch wenn du nicht der günstigste und zufriedenstellendste bist» (Loyalität)
Für die emotionale Beziehung kommen Motivatoren dazu wie Empathie, Fun, Engagement und Meaning. Der Kunde möchte nicht einer von vielen sein. Er will etwas Einzigartiges sein und sich auch so vom Unternehmen behandelt fühlen.
Ein Weg für Unternehmen, um wiedererkannt zu werden:
Pragmatic value + emotional value = memorable experience
Aga Szostek rundet ihren Talk damit ab, dass der bekannte Net Promoter Score (NPS) die eigentliche Experience des Kunden gar nicht misst. Dies müsse anders angegangen werden.
Talk «Co-Creation: der etwas andere Weg zu UX»
Dr. Georg Michalik leitet den Talk ein, indem er sagt, dass heutzutage alles co-created ist. So steht auf dem Coca Cola Getränk zum Beispiel «Co-created with AI»😉. Georg Michalik leitete mit dem folgenden Zitat in seinen Talk ein: «Wenn Menschen sich in einem Ziel verbinden, dann entsteht mehr als Kooperation, dann können wir von Co-Creation sprechen.» (Gerald Hüther, 2016, «Schule der Zukunft» Kongresshaus Zürich)
Das, was Michalik 20 Jahre lang beobachtet hat, hat er in 8 Wochen täglich aufgeschrieben und zu einem Buch zusammengefasst. Hier ein Vorgeschmack.
Unternehmen sehen sich als Innovatoren. Ein Innovator hat eine tolle Idee und verkauft diese an den Kunden. Das Problem zu identifizieren und die Lösung zu kennen, funktioniert nicht mehr. Unternehmen können nicht die Lösung kennen, weil sie das Problem nicht verstehen. Die Realität für Unternehmen besteht darin, dass wir alle miteinander vernetzt sind. Wir stehen in Wechselwirkung zueinander. Georg Michalik meint dazu: «Wir stehen heute vor der grössten Veränderung unserer globalen Wirtschaft seit der Industriellen Revolution.» McKinsey (May 23, 2023) geht davon aus, dass in sechs Jahren ein Drittel aller globalen Verkaufserläse in einer integrierten Netzwerk-Wirtschaft entstehen. Wenn wir in Silos arbeiten, werden wir das Ziel nicht erreichen. Dazu müssen wir zusammen sprechen:
Netzwerkwirtschaft --> Nahtlose Integration --> Open Innovation --> Co-Creation
Wir wissen, dass wir co-creation brauchen, aber wir wissen nicht, wie sie geht.
Die Beziehung zwischen Unternehmen und Kunde wird wechselseitig. Wie schaffen wir es aus dem Zahlengetriebene in echte Fürsorge zu kommen? Durch partizipatives Design. Indem die Bedeutung gemeinsam geschaffen wird. Die Strategie ist teilen, teilen, teilen!
Dieser Beitrag wurde von Ayline Schroeder und Robin Peter erstellt. Ayline und Robin studieren an der FHGR User Experience Design im Master.
Literaturverzeichnis
Szóstek, A. (o. J.). "The Umami Strategy: stand out by mixing business with experience design".
https://agaszostek.com/en/umami-book
Reynolds, C. (2023). Coca-Cola launches drink “co-created” with AI.
https://www.just-drinks.com/news/coca-cola-launches-drink-co-created-with-ai/?cf-view