Vor 20 Jahren ist das Buch «Rudolf Olgiati: Bauen mit den Sinnen» von Ursula Riederer im hauseigenen Verlag der FHGR erschienen. Die Publikation ist seit einigen Jahren das einzige erhältliche Buch über den bis heute zentralen Architekten aus Graubünden und fasst den Architekten nicht nur über sein architektonisches Werk, sondern auch über seine Biografie und sein Denken.
Daniel Walser
Mehrere Generationen von Architekturschaffenden sind bis heute von den Bauten und dem Denken des Bündner Architekten Rudolf Olgiati (1910-1995) geprägt. Darunter finden sich Architekten wie Peter Märkli oder Peter Zumthor. Olgiatis unorthodoxe Art und Weise lokale Architektur mit der internationalen Moderne eines Le Corbusiers zu verknüpfen, öffnete den damals jungen neue Wege. Aber auch jüngere Architekturschaffende sind bis heute von der Arbeit Olgiatis geprägt oder beziehen sich in verschiedenen Aspekten auf sie. Seine kräftigen Baukörper und die visuelle Logik seiner Architektur prägten bis heute Bauten von Ivano Iseppi und Stefan Kurath, Men Duri Arquint, Raphael Zuber oder Sonja Grigio und Franco Pajarola.
Wieder aktuell: Kreislaufwirtschaft
Derzeit gewinnt Olgiatis Arbeitsweise neue Aktualität: Neben seinem Wohnhaus stand früher ein nicht mehr in Gebrauch stehender Stall. Der Architekt benutze diesen als Materiallager für Bauteile aus alten Häusern wie Türen oder Möbel. Die Bauteile verwendete er anschliesse in seinen eigenen Bauwerken wieder, indem er diese wie selbstverständlich in den Entwurf integrierte. Die Bauteile stammen aus Gebäuden, die abgebrochen oder saniert wurden. Er hat die ihm brauchbar erschienen Hausfragmente ausgebaut, um sie bei seinen eigenen Bauten wieder einzubauen. Die heutige Diskussion um Kreislaufwirtschaft und Wiederverwenden von Bauteilen war bei ihm gelebter Alltag. Gerade über die wiederverwenden von Bauteilen können einerseits Abfall vermieden und Baumaterial gespart werden und anderseits erhalt das Haus auch eine vielschichtige, handwerklich geprägte Geschichte und bauliche Komplexität, die anderweitig schwer zu erreichen ist.
Faszinierend bei Rudolf Olgiati ist seine Vielseitigkeit. Olgiatis architektonisches Denken ist pragmatisch und zeichnet sich durch einen eigenständigen Umgang mit dem Ort aus. Er versteht diesen nicht im Sinne einer abstrakten, kunsthistorischen Abhandlung, sondern wie dieser derzeit räumlich ist und welche Potentiale sich daraus entwickeln lassen. Er arbeitet mit einer visuellen Logik um spezifische visuell und materiell sinnvolle, eigenständige Lösungen zu entwickeln. Hier ist er bis heute vorbildlich. Seine Architektur ist dermassen vielschichtig, dass sie immer wieder auf neue Art und Weise verstanden und interpretiert werden kann, und anregt sich mit den aktuellen Fragestellungen auseinanderzusetzen und dafür neue Lösungen zu erschaffen.
Zum Buch: «Rudolf Olgiati: Bauen mit den Sinnne» von Ursula Riederer
Der Architekt Rudolf Olgiati, 1910 in Chur geboren, 1995 in Flims gestorben, entwickelte Mitte des 20. Jahrhunderts eine Synthese zwischen der anonymen Bündner Bautradition, klassischer griechischer Architektur und einer Moderne, die sich an Le Corbusiers Denken und Bauten orientierte. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse dienten ihm als Beweis für seine These, dass es einen zeitlosen, natürlichen Sinn für ästhetische Zusammenhänge gibt: «Schönheit ist ein Wert für unsere Seele. Und dafür ist die Architektur zuständig.»
Rudolf Olgiati realisierte eine körperhafte, kubisch aufgefasste Architektur. Er baute vorwiegend Einfamilienhäuser, häufig Zweitwohnsitze im gebirgig ländlichen Graubünden, hauptsächlich in Flims und Umgebung. Auch restaurierte er historisch wertvolle Bauern- und Patrizierhäuser. In seiner Architektur kombinierte er alte Bauteile mit neuen Elementen und übersetzte traditionelle Formen wie beispielsweise das trichterförmige Fenster, die bogenförmigen Überwölbungen, plastisch geformte Wasserspeier und turmartige Schornsteine in eine radikal zeitgenössische Sprache. Seine Bauten waren das Ergebnis einer beharrlichen Suche, Sinne und Intellekt in Einklang zu bringen.
Ursula Riederer, 1945 in Zürich geboren, seit 1976 in Graubünden. Publizistin, Journalistin und Übersetzerin, Autorin des Dokumentarfilms "Rudolf Olgiati, Architekt" (1988) sowie verschiedener Sachbücher, darunter "Alsleben, alias Sommerlad", Zürich 1997, Lebensgeschichte des Architekten Ernst Sommerlad in Liechtenstein.
Fotoessay zur Architektur von Rudolf Olgiati stammt vom Fotografen Michael Bühler. Das poetische Essay ermöglicht einen ungewohnten Blick auf Olgiatis Bauten. Der selständige Fotograf arbeitet seit 1987 als Kunst- und Werbefotograf in Zürich und hat sich vorwiegend in die Bereiche Reportage, Portrait und Architektur spezialisiert.
Rudolf Olgiati. Bauen mit den Sinnen, Ursula Riederer (Autorin), Michael Bühler (Fotoessay), Peter Märkli (Vorwort), Daniel A. Walser (Bearbeitung), FHGR Verlag, Chur 2004. 432 Seiten, 206 schwarz-weisse und 33 farbige Abbildungen.
ISBN 3-9522147-0-1
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