Zum Inhalt springen
Logo Blog – Institut Bauen im alpinen Raum

Institut Bauen im alpinen Raum Blog

Gesamtsanierung Haus 8, Klinik Beverin, Cazis, Albertin Architektur, Foto: Ingo Rasp

Gesamtsanierung Haus 8, Klinik Beverin, Cazis, Albertin Architektur, Foto: Ingo Rasp

… müssen wir alles neu er­fin­den?

Die globale Erwärmung können wir nur gemeinsam unter Einbezug aller Teilaspekte in den Griff bekommen. Doch müssen wir die Architektur wirklich neu erfinden?

Bereits beim ersten Strich eines Entwurfes muss der Nachhaltigkeitsgedanke miteinfliessen, denn die städtebauliche Setzung eines Gebäudes entscheidet wie lange ein Gebäude in seiner Form bestehen bleibt. Wird das Gebäude zu einem festen Bestandteil einer Siedlungsstruktur, entwickelt es zudem über die Jahre einen ortstypischen Charakter.

Planungsprozess für zirkuläre Gebäude. (Quelle: Intep, angelehnt an die DGNB-Checkliste und an Ansätze der Baubüros in situ, Basel)

Auch kommt es auf die Verwendung der einzelnen baulichen Elemente an. Städtische Gefüge und Strassen haben einen ungefähren Lebenszyklus von 200 Jahren. Der Rohbau eines Gebäudes hält etwa 100 Jahre. Fenster, Dachaufbau und Fassadenmaterialen hingegen bestehen rund 50 Jahre. Technische Installationen und Möblierungen 25 Jahre. Türen und künstliche Belichtung sogar nur 10 Jahre. Die Frage ist: Wie gut können die Bauelemente gemäss ihrer Lebenserwartung ersetzt werden, ohne langlebigere Bauteile zurück zu bauen? Dies spart nicht nur Energie, sondern auch Kosten.
Die Konstruktion sollte so gewählt werden, dass eine natürliche Belichtung, Temperaturregulierung und ebenso eine natürliche Luftregulierung stattfinden können. Die Architektur sollte in sich selbst funktionieren und nicht auf technische Mittel angewiesen sein. Low-Tech ist hier das Stichwort. Muss alles vollautomatisch abgewickelt werden oder hat das nicht im Überfluss Verfügbare seinen viel grösseren Charme?
Bei der Materialwahl kommt es nicht nur auf die Energieersparnisse während der Unterhaltszeit an, sondern auf den Gesamtenergieverbrauch. So ist ein Baumaterial, das einen guten Dämmwert aufweist, durch den Energieaufwand für die Herstellung plötzlich nicht mehr nachhaltig.

Es klingt aussichtslos und kann schnell überfordern. Doch müssen wir wirklich so weit nach neuen Lösungen suchen? Betrachten wir die alten Gebäude in unseren Dörfern. Meist stehen diese über 100 Jahre dort. Diese Zeitzeugen sind in einer materialgerechten Konstruktion erstellt, die Öffnungen folgen logischen Prinzipien und die Gestaltung der Fassade und die Echtheit der verwendeten Materialien haben eine sinnliche Selbstverständlichkeit. Diese Sinnlichkeit ist es, wodurch die Bewohner sich mit einem Gebäude identifizieren können. Die Gebäude charakterisieren einen Ort und prägen die Erinnerungen der Bewohner. Das Bedürfnis für eine Veränderung oder gar einen Abbruch wird daher erheblich geringer. Es wird grundsätzlich weniger, dafür mit höherer Qualität am Ort weiter gebaut. Ebenfalls weisen die vor Ort verwendeten Materialien, durch die kurzen Transportwege und einfache Rückbaubarkeit, einen guten Gesamtenergieverbrauch auf.
Wir müssen uns nicht komplett neu erfinden und versuchen den Klimawandel mit noch mehr technischen Hilfsmittel abzuwenden, sondern von unserer Geschichte lernen und lediglich addieren, was längerfristig gesehen auch wirklich einen Mehrwert, einen Fortschritt bietet. Es geht nicht um die Frage «Was können wir noch mehr tun?», sondern «Was können wir vereinfachen, von bewährtem übernehmen oder gar weglassen?»

Anzahl Kommentare 0
Kommentare