Die FH Graubünden hat die Vision, in einigen Jahren die verschiedenen dezentralen Standorte der heutigen Fachhochschule zusammen zu führen. Das Ziel: ein einziger zentraler Campus für Chur, ein attraktiver Lern- und Forschungsort. Er soll sowohl den Studierenden, Mitarbeitenden als auch der Öffentlichkeit die Möglichkeit zum Austausch bieten. Ein Entwurf besteht bereits: In das Grossprojekt Fachhochschulzentrum sind einige Mitarbeiter des IBARs involviert. Denn die erfolgreiche Planung beruht auf einer engen und guten Zusammenarbeit zwischen dem Kanton Graubünden als Bauherr, dem gesamten Planungsteam und der FH Graubünden als Nutzerin.
Der Projektperimeter für das neue Fachhochschulzentrum befindet sich direkt an der Pulvermühlestrasse. Das bekannte kupferne Hauptgebäude der Architekten Jüngling und Hagmann soll durch einen Neubau auf der gegenüberliegenden Strassenseite ergänzt werden, wo auch das bestehende Schaltgebäude und der Transformatorenturm mit neuen Nutzungen in den zukünftigen Campus miteinbezogen werden sollen. Das 2021 aus dem Wettbewerb hervorgegangene Siegerprojekt «Partenaris» von Giuliani Hönger Architekten überzeugte auf verschiedenen Ebenen und wurde seither von dem Architekturbüro mit Vertreter*innen des Hochbauamts Graubünden, diversen Fachplanern und der Fachhochschule Graubünden gemeinsam weiterentwickelt und kann dementsprechend aus architektonischer Sicht momentan wie folgt beschrieben werden.
Neubau und Gesamtkonzept
Das städtebauliche Konzept des neuen Zentrums sieht einen grosszügigen Campusplatz als öffentlichen Aussenbereich und Treffpunkt für Studierende, Dozierende, Forschende und der Bevölkerung vor. Als neues «Gesicht» der FHGR erschliesst der Campusplatz alle Hochschulbauten gleichwertig und stellt gleichzeitig eine Beziehung zur Landschaft her. Der direkt angrenzende, markante Neubau stellt ein würdiges Gegenüber im Sinne eines «grossen Bruders» für das bestehende, kupferne Hochschulgebäude dar. Dabei weist der neue, viergeschossigen, U-förmige Baukörper eine dreiteilige Gliederung in Ost-West-Richtung auf. Dessen beiden Seitenflügel sind mit atriumartigen Lichthöfen ausgebildet und umfassen eine zentrale Eingangshalle mit darüberliegendem Aussenhof. Die Lichthöfe selbst sind das Zentrum für Erschliessungen, für Studierendenarbeitsplätze, Kommunikationsbereiche als Begegnungsorte, sowie für Gruppen- und Sitzungsräume. Die flexible Struktur des Gebäudes ermöglicht eine variable Anordnung von Seminarräumen, Büros und Laboren. Dadurch entsteht eine breite Durchmischung von unterschiedlichen Nutzungen verteilt über alle Geschosse. Diese gemischte Nutzungsverteilung fördert den interdisziplinären Austausch und ermöglicht auch zukünftige räumliche Anpassungen und Veränderungen, ganz im Sinne einer agilen Fachhochschule.
Das Tragwerkkonzept und die Konstruktion des Neubaus erfolgen nach dem einfachen Prinzip, jedes Material zu dem Zweck und an dem Ort einzusetzen, wo es am leistungsfähigsten und nachhaltigsten ist. Aus dieser Logik resultiert ein moderner Hybridbau, welcher auch nachhaltige Aspekte der Grauenergie oder des Rückbaus berücksichtigt. Die architektonische Erscheinung des Neubaus ist dementsprechend weniger durch das Abbild einzelner Funktionen als vielmehr durch die Gliederung und Fügung der konstruktiven Elemente der Tragstruktur, der Architektur und der Sekundärelemente geprägt. Auch in den Innenräumen sollen Tragwerk und Flächenelemente soweit sinnvoll sichtbar sein und den architektonischen Charakter prägen. So sind beispielsweise in der Eingangshalle die starken Betonrahmen erkennbar und in den Lern- und Arbeitsräumen bestimmen die Betonträger, die Holzbalkendecke und die dazwischen angeordneten Deckenelemente die Deckenuntersicht.
Transformation der bestehenden Bauten
Nebst dem Neubau schliesst das neue Fachhochschulzentrum auch die bereits bestehenden Bauten mit ein, welche im Zuge der Campuserstellung ebenfalls umgebaut werden. Das heutige Hauptgebäude mit der markanten Kupferverkleidung wird in seinem Erscheinungsbild sowie in seiner Struktur und Nutzung weitestgehend erhalten. Lediglich eine westseitige Öffnung hin zur Parklandschaft, die Neunutzung der Flächen der heutigen Bibliothek und Mensa, sowie ein gemeinsames Baulabor der FHGR und des Tiefbauamts des Kantons sind die wesentlichen Veränderungen.
Den westlichen Abschluss des Campusgeländes bildet das schräg zur Strasse gestellte ehemalige Schaltgebäude der Elektrizitätswerke Zürich samt Wohnhaus und dazugehörigem Trafoturm. Dieser Gebäudekomplex ist denkmalgeschützt, weswegen nur geringe Veränderungen an der Aussenhülle und der Struktur erlaubt sind. Das Schaltgebäude mit dem Gartenbereich wird zugunsten der Studierenden und Mitarbeitenden ausgebaut. Was jedoch genau in dem bestehenden Gebäude entsteht, ist momentan noch unklar und wird im Rahmen von Studierendenprojekten getestet. Genauer gesagt erarbeiten die Architekturstudierenden der FH Graubünden im 5. Semester Nutzungs- und Gestaltungsvorschläge, wie das Schaltgebäude und der Transformatorenturm für die Hochschule umgenutzt und als wichtige Bestandteile des Fachhochschulzentrums wahrgenommen werden können. Ziel ist die Schaffung eines charakteristischen Ortes für studentisches Leben und für alle Hochschulangehörige. Dafür sind kreative Ideen gefragt - wir sind gespannt auf die Projektvorschläge!
Autorin
Noëlle Bottoni, dipl. Architektin FH arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin im IBAR. Als Architektin ist sie ausserdem Mitglied des Projektteams zur Planung und Bau des neuen Fachhochschulzentrums Graubünden.