Im Rahmen der ELAF-Auftaktveranstaltung erörterten Expert:innen aus Wirtschaft, Wissenschaft und der Zivilgesellschaft in Vorträge, Diskussionsrunden und Workshops wie Schweizer Unternehmen ihre Wertschöpfungsketten in Lateinamerika nachhaltig gestalten können. Eine Zusammenfassung.
Vortrag: Verantwortungsvolle Unternehmensführung in Lateinamerika
von Prof. Dr. Christian Hauser
Der erste Vortrag des Tages wurde von Prof. Dr. Christian Hauser gehalten. Er befasste sich mit den Voraussetzungen, die für verantwortungsvolle Unternehmensführung in Lateinamerika herrschen, dabei wurden verschiedene allgemeine Probleme und deren mögliche Lösungen angesprochen.
Zu Beginn des Vortrags ordnete Herr Hauser die Außenhandelsbeziehungen der Schweiz mit lateinamerikanischen Ländern ein und stellte fest, dass die Gesamtexporte und -importe eher einen geringen Teil der wirtschaftlichen Tätigkeiten ausmachen und teilweise in den letzten Jahren sogar rückläufig waren. Bei den Exporten gab es eine schwankende Entwicklung aus Zu- und Abnahmen, während die Importe eher zurück gingen. Im Jahr 2019 machten die Exporte nach Lateinamerika 2,7% und die Importe aus Lateinamerika lediglich 0,9% der gesamten Schweizer Ex- und Importe aus. Bei einer Betrachtung des Handelsüberschuss nimmt Lateinamerika allerdings eine wichtigere Rolle für die Schweiz ein, da knapp 20% des Schweizer Handelsüberschusses mit Lateinamerika erwirtschaftet werden. Auch der Aspekt der Direktinvestitionen ist nicht zu unterschätzen, da sehr viele Schweizer Unternehmen in Lateinamerika aktiv sind und rund 10% der ausländischen Mitarbeiter:innen von Schweizer Unternehmen in Lateinamerika tätig sind. Somit schlussfolgerte Herr Hauser, dass nicht nur die Handelsbeziehungen, sondern auch die landesinternen Aktivitäten wichtig seien.
Im Zweiten Teil des Vortrages wurde dann konkret auf das Thema unternehmerische Verantwortung eingegangen, wobei zunächst ein theoretischer Rahmen für Unternehmensverantwortung gesteckt wurde. So betonte Herr Hauser, dass bereits bei klassischen Wirtschaftswissenschaftlern wie Milton Friedman, der oft mit dem Satz ,,die einzige Verantwortung die Unternehmen haben, ist es ihre Gewinne zu maximieren“ zitiert wird, die Verantwortung von Unternehmen für ihr Handeln nicht verneint wird. Denn Friedmans Aussage wird oftmals aus seinem Kontext gerissen, da er eigentlich noch beifügt, dass sich Unternehmen bei Ihren Tätigkeiten auch an die „geltenden Spielregeln“ halten müssen.
Die spezifische Situation in Lateinamerika beschrieb Herr Hauser im Anschluss auf Grundlage von mehr als 130 Interviews, die er in den letzten Jahren mit Unternehmer:innen und Stakeholdern in Lateinamerika führen konnte. In Lateinamerika herrschen grundsätzlich gute rechtliche Rahmenbedingungen für verantwortungsvolle Unternehmensführung. Ein Problem stellt allerdings die Durchsetzung des Rechts dar, da es oft wenige oder keine Kontrollen gibt und auch Sanktionen sehr selten verhängt werden und der Staat in vielen Ländern nicht überall präsent ist. Das hat zur Folge, dass allgemeine staatliche Dienstleistungen nicht wie in der Schweiz gewährleistet sind und z.B. die Gesundheitsversorgung, die Bildungsversorgung, die Infrastruktur, aber auch die öffentliche Sicherheit oft nicht gegeben sind.
Die schwache institutionelle Präsenz des Staates in großen Teilen der lateinamerikanischen Länder zeigt gerade bei der indigenen und ländlichen Bevölkerung negative Folgen, da unternehmerische Aktivitäten als Belastung wahrgenommen werden. Zur Verdeutlichung führt Herr Hauser ein peruanisches Sprichwort an: „Peru ist ein Bettler, der auf einer Goldtruhe sitzt“. Dieses verdeutlicht, dass die aktuelle Situation von Teilen der Bevölkerung als ungerecht wahrgenommen wird, da das Bild vorherrscht, dass sie und ihr Land von außen ausgebeutet würden, ohne dass für sie selbst ein Vorteil daraus entstehe. Durch die fehlende Präsenz des Staates werden ausländische Unternehmen außerdem oft als Repräsentanten des Staates wahrgenommen, was wiederum Konflikte zwischen den Erwartungen der Unternehmen und der Bevölkerung zu Folge hat.
Auf die Frage warum sich die Unternehmen nicht stärker im Bereich der verantwortungsvollen Unternehmensführung engagieren, gibt Herr Hauser auf Basis der Interviews schließlich drei hauptsächliche Gründe an. Erstens haben die institutionellen Begebenheiten ein eher kurzfristiges unternehmerische Denken zur Folge, zweitens gibt es in lateinamerikanischen Ländern ein hohes Maß an Informalität, was wiederum die Suche nach verlässlichen Partner:innen erschwert und drittens wird unternehmerischer Verantwortung oft generell keine Wichtigkeit zugeschrieben, da z.B. die Umwelt nicht als primär schützenswert angesehen wird, wenn die allgemeine Lebenssituation prekär ist.
Abschließend zählte Herr Hauser einige Punkte auf, die seiner Meinung nach für ein zukünftiges steigendes Bewusstsein für unternehmerische Verantwortung in Lateinamerika sprächen. So möchten zum einen viele lateinamerikanische Staaten OECD Mitglieder werden, was eine Anpassung von Gesetzen und Rahmenbedingungen voraussetzt. Abgesehen davon steigt das Bewusstsein vor Ort und es gibt immer mehr Journalist:innen, die sich mit dem Thema beschäftigen. Darüber hinaus setzen sich auch jetzt schon viele Unternehmen für bessere Bedingungen ein, indem sie sich mit einen best-practice Ansatz immer mehr an europäischen Standards orientieren. Zu guter Letzt gibt es bei vielen Manager:innen und Geschäftsführer:innen in Lateinamerika auch die verbreitete Meinung, dass sie eine Verantwortung gegenüber Gott haben und sie sich somit über ihre eigentlichen unternehmerischen Tätigkeiten hinaus engagieren müssen.
Frederik Osthus
Vortrag: Die internationale Diskussion zum Thema Verantwortung in Wertschöpfungsketten
von Matthias Leisinger
Den zweiten Vortrag mit dem Titel „Die internationale Diskussion zum Thema Verantwortung in Wertschöpfungsketten“ hielt Matthias Leisinger, Geschäftsführer & Mitbegründer der Focusright GmbH. Herr Leisinger erläuterte im ersten Teil seines Vortrags die rechtlichen Entwicklungen im europäischen Kontext und nannte vergleichbare Bestrebungen zur Schweizer Konzernverantwortungsinitative. Im zweiten Teil konkretisierte er die Forderungen an Unternehmen zur Einhaltung der Menschenrechte und Nachhaltigkeitsstandards in den Wertschöpfungsketten.
Durch die steigenden Erwartungen aus der Zivilgesellschaft einerseits, und dem wachsenden Interesse von großen Investoren andererseits, zeigten sich in der Vergangenheit mehrere rechtliche Entwicklungen im europäischen Kontext, um die Lieferketten transparenter zu gestalten und die negativen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt zu vermeiden, so Leisinger. In vielen lateinamerikanischen Staaten gebe es beispielsweise bereits Aktionspläne für Wirtschaft und Menschenrechte und sogenannte Soft-Laws, die sicherstellen, dass die staatlichen Akteur:innen ihre Pflichten zum Schutz von Menschenrechten wahrnehmen. Gleichermaßen fungieren sie als Appell an die Unternehmensverantwortung, die Menschenrechte auch dort einzuhalten, wo es derartige staatliche Rahmenbedingen nicht gebe.
Auf europäischer Ebene gibt es relativ viele Initiativen zur Einhaltung der Menschenrechte und Umweltstandards, um die Unternehmen in die Verantwortung zu ziehen. Als Basis dienen die OECD Leitsätze und die UN guiding principles on business and human rights. Als Beispiel nennt Leisinger Frankreich, England und die Niederlande, die bereits erste rechtliche Entwicklungen veranlasst haben, um Menschenrechte zu wahren und Kinderarbeit sowie moderne Sklaverei zu verhindern. In der Schweiz soll der Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative bei Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden beispielsweise eine Berichterstattungspflicht beinhalten. Produkte und Dienstleistungen, die unter Einsatz von Kinderarbeit oder Konfliktmineralien entstanden sind, müssen in Form von Sorgfaltsprüfungen, Risikoanalysen und Maßnahme-Plänen, Rechenschaft ablegen. Leisinger betonte hierbei, dass es sich um einen kontinuierlichen Prozess handele, der keinerlei Perfektionsanspruch habe. Als Kernansatz der Analyse der gesamten Wertschöpfungskette gelten die Risikoanalyse und die Sorgfaltsprüfung, um Risiken zu identifizieren, Maßnahmen zu ergreifen und negative Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt zu vermeiden, die direkt oder indirekt von Unternehmen verursacht wurden. Dabei ginge es nicht um das Risiko für die Unternehmen im Sinne eines Umsatzverlustes, sondern um das Risiko für Menschen.
Auf die Publikumsfrage, ob es sinnvoll sei, die Menschenrechtssorgfaltsprüfung in das Compliance Management System aufzunehmen, antwortete Herr Leisinger, dass es bei der Sorgfaltsprüfung vielmehr um die Etablierung von internen Prozessen ginge und das Compliance Management eher als Unterstützung dienen könnte, um die Prozesse der Sorgfaltsprüfung in den Unternehmensstrukturen zu festigen.
Paula Hackeborn
Podiumsdiskussion: Unternehmensverantwortung in der Rohstoffgewinnung und
-verarbeitung in Lateinamerika
Nachdem die Teilnehmer:innen in zwei Vorträgen in die Bereiche verantwortungsvolle Unternehmensführung und nachhaltige Wertschöpfungsketten eingeführt worden waren, konnten sie bei der Podiumsdiskussion mit dem Titel „Unternehmensverantwortung in der Rohstoffgewinnung und -verarbeitung in Lateinamerika“ verschiedene Blickwinkel der eingeladenen Expert:innen nachvollziehen. Die Diskussion wurde von Antonio Hautle, Executive Director bei Global Compact Network Switzerland & Lichtenstein, moderiert. Nach einer kurzen Erläuterung zur Arbeit des Global Compact Network stellte Antonio Hautle die vier Panelteilnehmer:innen vor und überließ ihnen das Wort.
Erich Herzog ist Leiter im Wettbewerb & Regulatorisches beim Wirtschaftsdachverband economiesuisse. In seiner kurzen Präsentation versucht er auf die Frage, wo die Schweizer Wirtschaft aktuell stehe, zu antworten. Neben verschiedenen Herausforderungen und Problemen sei, laut Herzog, der internationale Handel und Austausch für die Entwicklung der Länder vor Ort besonders wichtig. Denn für die Bewältigung ökologischer und sozialer Herausforderungen brauche es die Wirtschaft, so Herzog. Zusammengefasst wird von dem Wirtschaftsdachverband eine gewisse Offenheit der Thematik verlangt, eine klare Betonung der Wichtigkeit der Nachhaltigkeitsagenda und ein Level-Playing-Field mit anderen Ländern.
Darauf folgt ein Wortbeitrag von Marie Roth. Sie arbeitet im Bereich der Swiss Governmental Affairs bei der Glencore International AG. Die Glencore International AG ist eines der größten weltweiten Rohstoffunternehmen und in fast allen Bereichen der Lieferkette tätig (vertically integrated). In Südamerika hat Glencore verschiedene Rohstoffunternehmen, so zum Beispiel zwei Kohlebetriebe in Kolumbien, einen Zinkbetrieb in Bolivien und weitere. Zusätzlich erläutert Roth, dass Glencore lokale Partnerschaften in den jeweiligen Ländern habe, die die Gegebenheiten und die Menschenvor Ort gut kennen würden.
Thomas Hentschel ist Global Programm Manager bei der Better Gold Initiative und erläutert den konkreten Fall des Kleinbergbau im Goldsektors. Die Better Gold Initiative leistet einen Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung in der traditionellen Goldgewinnung in Bolivien, Kolumbien und Peru. Es wird Wert darauf gelegt verantwortliche Wertschöpfungsketten zu schaffen, indem sowohl die Nachhaltigkeitskriterien implementiert werden, der Arbeitssektor formalisiert wird, als auch das Gold zertifiziert wird. Viele der Kleinbetriebe haben somit einen direkten Zugang zum Schweizer Markt.
Zuletzt hat Stephan Suhner, politischer Fachstellenleiter der Arbeitsgruppe Schweiz – Kolumbien (ask!), das Wort. Stephan Suhner erläutert die Entwicklung der verantwortungsvollen Unternehmensführung aus der Sicht einer NGO und knüpft seine Ausführungen an das Unternehmen Glencore International AG an. Die Prozesse im Bergbausektor haben sich in den letzten Jahren stark verändert, sodass es heutzutage Richtlinien für Länder und Unternehmen gebe. Jedoch, hebt Suhner hervor, hätten die Gemeinden vor Ort keinen oder einen sehr geringen Nutzen des Reichtums, der durch die Minen geschaffen wird. Menschen müssten umgesiedelt werden, ihre sozialen Netzwerke zerrissen oder sie litten an gesundheitlichen Folgen aufgrund der Umweltauswirkungen der Mienen. Für NGOs sei es demnach häufig schwierig nachzuvollziehen, was konkret in den Regionen passiert, da die Kommunikation zwischen Unternehmen und NGOs gering ausfalle, so Suhner. Daher ist die Idee der Konzernverantwortung die Sorgfaltsprüfungspflicht als präventiven Charakter einzuführen und ggf. sogar als Durchsetzungsinstrument.
Zum Abschluss der Podiumsdiskussion werden die Expert:innen gefragt, was sie den Zuhörer:innen für die nächsten Monate und Jahre bezüglich der Unternehmensverantwortung mit auf den Weg geben möchten. Bei allen Expert:innen lässt sich vernehmen, dass in diesem Bereich von allen Seiten Geduld erwartet werden müsse, da die Einbeziehung der kompletten Wertschöpfungskette ein relativ neues Thema sei. Außerdem sei die Entwicklung der Unternehmensverantwortung eine gute Ausgangslage für Berufschancen. Suhner hebt außerdem hervor, dass es einen Perspektivwechsel geben müsse, sodass die Opfer von Menschenrechtsverletzungen ebenfalls betrachtet würden und sich nicht alles rein unternehmerischen Argumenten unterordnen dürfe.
Kira Junker
Workshop: Giving Voice to Values: Entwicklung von Lösungsansätzen für soziale Verantwortung in der Textil-Lieferkette in Bolivien
von Jeanine Rainalter & Eleanor Jehan
Der erste Workshop im Rahmen des diesjährigen ELAF bot die Möglichkeit, innerhalb einer Fallstudie nach konkreten Lösungsansätzen für mehr Unternehmensverantwortung in Lieferketten zu suchen. Als fiktives Fallbeispiel dienten dabei prekäre Arbeitsbedingungen und Kinderarbeit in einer bolivianischen Textilfabrik, deren Hauptabnehmer ein Schweizer Unternehmen ist. Durch den Workshop führten Jeanine Rainalter und Eleanor Jehan, wissenschaftliche Mitarbeitende am schweizerischen Institut für Entrepreneurship (SIFE) der Fachhochschule Graubünden.
Den Einstieg bildete zunächst ein dokumentarischer Beitrag, der in die ambivalente Thematik der Kinderarbeit in Bolivien einführte und dabei auch auf die Bemühungen der Kindergewerkschaften bei deren Legalisierung hinwies. Im Anschluss wurde – unter Betonung des finanziellen, moralischen und auf die Reputation bezogenen Risikos von Kinderarbeit in bolivianischen Fabriken für beteiligte europäische Unternehmen – zur Fallstudie übergeleitet. In der Person des fiktiven Einkaufsleiters eines Schweizer Textilkonzerns sollten sich die Teilnehmer:innen des Workshops der Thematik nähern, und zusätzlich Argumente und Lösungsansätze entwickeln. Konfrontiert mit prekären Arbeitsbedingungen und vorherrschender Kinderarbeit in den Fabriken der Geschäftspartner:innen muss der Einkaufsleiter nach einer Geschäftsreise entscheiden, ob und in welcher Form er zu einer Verbesserung der Situation der Arbeiter:innen beitragen kann.
Zur Erarbeitung verschiedener Facetten dieser Leitfrage wurden Kleingruppen gebildet, die ihre Ergebnisse anschließend im Plenum präsentierten und diskutierten. Dabei wurden zunächst Probleme für die Arbeiter:innen und mögliche Gegenmaßnahmen - wie die Unterstützung der Gewerkschaftsarbeit oder die Zertifizierung fairer Arbeitsbedingungen aufgezeigt. Die Benennung der beteiligten Hauptakteure und möglicher Widerstände und Gegenargumente bei der Bekämpfung der Missstände ermöglichte ein systematisches Verständnis des Konfliktes. Eine letzte Kleingruppe präsentierte daran anknüpfend schließlich Argumente, die Management und Kritiker von einer Verbesserung der Arbeitssituation überzeugen könnten. Dazu zählten neben möglichem Druck durch NGOs und internationale Regelwerke und einem resultierenden Imageschaden des Unternehmens auch die zunehmende Bedeutung von Nachhaltigkeit als Verkaufsargument.
Die abschließende Frage, was die Teilnehmer:innen in der Position des Verkaufsleiters unternommen – ob sie stillgehalten oder Veränderungen angestoßen – hätten, führte zu klaren und differenzierten Wortbeiträgen. Dabei wurde die Verantwortung, gerade der jungen Generation unterstrichen, zum wichtigen Thema der Unternehmensverantwortung Stellung zu beziehen, um Veränderungen anzustoßen. Entscheidend sei in diesem Zusammenhang jedoch auch, dass Gespräche z.B. mit Vorgesetzten inhaltlich und kommunikativ gut vorbereitet würden. Mit Hilfe von weiteren Kolleg:innen als Verbündeten oder durch die Unterstützung des Betriebsrates könnten Missstände überzeugend angesprochen und das Management nachhaltig für eine stärkere Unternehmensverantwortung sensibilisiert werden.
Lukas Lange
Workshop: Risikoanalyse im Kontext der Sorgfaltspflicht in internationalen Wertschöpfungsketten von Kerry Amhof
Frau Amhof, Senior Consultant im Bereich Klimawandel und Nachhaltigkeit bei Ernst & Young Schweiz, fasste zu Beginn des Workshops noch einmal wichtige Fakten zusammen. Sie betonte den Trend hin zu mehr obligatorischer Sorgfaltspflicht von Unternehmen und die sechs Stufen der UN Guiding Principles von der Grundsatzerklärung über Umwelt- und Menschenrechtsstandards bis hin zu Beschwerdemechanismen. Der Workshop ging auf die zweite Stufe, welche die Sorgfaltspflicht beinhaltet, ein. So muss ein Unternehmen bei einem begründeten Verdacht von Kinderarbeit diesem nachgehen und eine Risikoanalyse erstellen. In dem Workshop diente ein 1918 gegründetes fiktives Pharma-Unternehmen mit rund 50.000 Mitarbeitern und Standorten in Europa und Lateinamerika als Beispiel. Das Unternehmen habe das Ziel, seinen Verhaltenskodex in konkrete Richtlinien umzuwandeln, wozu eine Risikoanalyse durchgeführt werden sollte. Nun war es die Aufgabe der Teilnehmer:innen, das Unternehmen bei der Risikoanalyse zu unterstützen. Nachdem Frau Amhof nochmals Beispiele für Risiken bezüglich der Sorgfaltspflicht in einer Lieferkette aufgezeigt und erklärt hatte, teilte sie fünf Gruppen ein. Sie betonte, dass die Risikoanalyse nicht den wirtschaftlichen Erfolg des fiktiven Unternehmens berücksichtige, sondern lediglich Risikofaktoren in der Lieferkette (inside-out Perspektive). Anschließend sollten die Risiken zweidimensional priorisiert werden, die Hebelwirkung wurde dabei nicht berücksichtigt. Priorisiert wurde nach Eintrittswahrscheinlichkeit (probability) und die Auswirkung (impact).
Die fünf Gruppen diskutierten und bearbeiteten die diversen Risiken in der Wertschöpfungskette des Pharma-Unternehmens. Es zeigte sich, wie umfangreich die zu beachtenden Risiken für ein Unternehmen in der Lieferkette sein können. Von der Herstellung von Pharma-Produkten bis zu deren Entsorgung, existieren vielfältige Sorgfaltspflichten, die zu beachten sind. Zunächst einmal muss der Arbeitsschutz, auch bei der Arbeit mit gegebenenfalls gefährlichen Chemikalien, gewährleistet werden. Verarbeitete Materialien sowie die Endprodukte, müssen fachgerecht und umweltschonend entsorgt werden. Auch beim Transport muss die Sicherheit der Arbeiter:innen gewährleistet und ein Austreten der Stoffe vermieden werden. Weiterhin ist die Infrastruktur der Gesundheitsversorgung des jeweiligen Landes zu beachten und es ist zu vermeiden, dass Pharma-Produkte ungleich verteilt werden oder für bestimmte Bevölkerungsgruppen gar nicht zugänglich sind. Die Chancengleichheit ist nach Möglichkeit herzustellen und zu beachten. Als weitere Risiken in der Wertschöpfungs- und Lieferkette wurden u.a. Medikamentenfälschungen, Korruption und auch Menschenrechtsverletzungen bei Medikamententests ausgemacht. Immer wieder wurden von den Teilnehmer:innen die Umweltrisiken bei Herstellung, Transport und Entsorgung der Pharma-Produkte erwähnt. Der Workshop zeigte eindrucksvoll die Komplexität und Vielschichtigkeit der Risikoanalyse im Kontext der Sorgfaltspflicht von internationalen Unternehmen auf. Lebhafte Diskussionen führten zu zahlreichen Vorschlägen und Ansätzen, wie ein Pharma-Unternehmen diese Analyse angehen könnte.
Yannick Weber
Workshop: Herausforderungen in der Lieferkette von Bio-Soja aus Brasilien
von Marco Keller und connosco e.V.
Marco Keller ist ein selbständiger Filmemacher, Journalist, Fotograf, Medien- und Sozialpädagoge aus Freiburg. Außerdem ist er Lehrbeauftragter der Pädagogischen Hochschule Freiburg und der Universität Freiburg. Gegenstand des Workshops war der Kurzfilm „Gutes Soja, Schlechtes Soja“ von Marco Keller. In diesem Film geht es um Thomas Heck, ein deutscher Bio Tofu Hersteller, der als Grundlage für seine Produktion biologisch angebautes Soja aus Brasilien bezieht. In der Dokumentation wird auf die Herausforderungen und Probleme seiner Produktion und die Zusammenhänge in den Lieferketten eingegangen. Zudem zeigt er die bestehenden Schwierigkeiten und Auswirkungen, die der extreme Anbau von genmanipuliertem Soja verursacht, auf.
Im Film reist der Protagonist Thomas Heck nach Brasilien, um verschiedene Aspekte der Sojaproduktion zu betrachten und besser verstehen zu können, warum, als biologisch geltende Produkte in Deutschland, oft eine zu hohe Belastung durch Pestizide aufweisen. Es wird die Problematik der riesigen Mengen an Soja, die in Brasilien nur aufgrund von genmanipulierten Sojapflanzen und dem damit verbundenen Einsatz von Chemikalien hergestellt werden können, beschrieben. Dabei haben große Konzerne, oft mit europäischer Herkunft, einen großen Einfluss auf diese Art der Produktion, da sie oft das Saatgut gleich mit den dazu passenden chemischen Mitteln verkaufen. Dieser Anbau hat neben den Auswirkungen auf die Umwelt auch große soziale Konsequenzen für die indigene Bevölkerung des Landes, welche durch den Sojaanbau ihr Land verliert. Um überhaupt überleben zu können müssen sie oftmals auf Landbesetzungen als einziges Mittel zurückgreifen. Letztendlich stellt der Film klar dar, dass vor allem der große Bedarf an Futtermitteln verantwortlich für den Anbau der großen Mengen an Soja ist, welcher überwiegend für die Viehzucht auf der ganzen Welt, aber auch besonders in Europa benötigt wird. Für Thomas Heck hat diese Anbauweise außerdem die Folge, dass es sehr schwierig ist, biologisches Soja aus Brasilien zu beziehen.
Nachdem die Teilnehmende den Film geschaut hatten, wurden sie in kleinere Gruppen unterteilt, in denen sie sich jeweils mit einer spezifischen Frage bezüglich der Thematik auseinandersetzen sollte. Im Anschluss daran konnten die Ergebnisse schließlich noch mit Marco Keller diskutiert werden. Das Ergebnis dieser Diskussion war, dass ein biologischer Anbau von Soja in Brasilien heutzutage kaum möglich ist und es praktisch keine Landwirte gibt, die sich dem allgemeinen Trend des Anbaus von genmanipuliertem Soja widersetzen können und wollen. Marco Keller betonte dabei aber auch, dass neben der Konzernverantwortung für diesen Art von Anbau, vor allem auch der individuelle Konsum von tierischen Produkten eine großer Bedeutung hat und es einen großen Einfluss hätte stattdessen mehr pflanzliche Produkte zu konsumieren.
Frederik Osthus
Abschlussdiskussion
Nachdem alle Teilnehmer:innen und Referent:innen sich durch die Vorträge, die Podiumsdiskussion und vor allem durch die Workshops, in denen sich nochmals spezifischer mit einer Thematik bzw. Problematik auseinandergesetzt wurde, ihre eigenen Meinungen und Standpunkte bilden konnten, gab es in der Abschlussdiskussion die Möglichkeit, sich gemeinsam im Plenum über die erstandenen Erkenntnisse auszutauschen.
Als Einstieg in die Diskussion wurden die Ergebnisse der drei Workshops vorgestellt, damit alle Teilnehmer:innen über die verschiedenen Thematiken und Erkenntnisse der drei Workshops informiert wurden. Nach kurzen Einblicken in die einzelnen Workshops, kamen jedoch schnell erste Wortmeldungen, die die Diskussion anregten. Unter anderem gab es einen Kommentar, hinsichtlich der Frage, was Unternehmen tun können, um angesprochene Risiken in Angriff zu nehmen. Da Firmen jedoch teilweise unfähig sind, die hochkomplexen Lieferketten selber zu leisten oder nachzuverfolgen, bräuchte es eine gute Stakeholder Konsultation bzw. Zusammenarbeit. Dieser absolut notwendige und regelmäßige Stakeholder Dialog würde folglich zu breiterem know-how über Risiken(prävention) und Potenzialen führen. Jedoch stellte sich daraufhin die Frage, wie sichergestellt werden könnte, dass dieser Dialog eben auch zu Veränderungen führt. Um auf Worte letztendlich auch Taten folgen zu lassen, müsste es zu einer Vereinigung aus staatlichen Regulierungen und freiwilligen Maßnahmen innerhalb der Unternehmen kommen, da rein staatliche Regulierung in einem hochkorrupten System nicht zielbringend wären, wenn Unternehmen letztendlich doch das machen, was sie wollen. Dementsprechend müssten Compliance und Management Systeme entwickelt werden, in denen die Menschenrechte und die ökologischen Anforderungen in der gesamten Wertschöpfungskette permanent verbessert, gemessen und transparent nach außen kommuniziert werden könnten. Doch dieses Ziel scheint in weiter Ferne zu liegen.
Ein weiterer Punkt, der im Plenum intensiv diskutiert wurde, betrifft die Problematik, die im dritten Workshop behandelt wurde, das Agrobusiness und deren Lieferketten. Die Ernährung und die Produktion von Lebensmitteln in der globalen Welt, sind ein Thema, das hinsichtlich der Nachhaltigkeit, alle betrifft. Von den (Klein)bauern und (Klein)bäuerinnen, über große Lebensmittelkonzerne bis hin zu den Verbraucher:innen. Außer Frage steht, dass der Agrarsektor hinsichtlich der ökologischen (Pestizide, Monokulturen, Übernutzung der Böden…) und menschenrechtlichen Verletzungen (Vertreibung indigener Bevölkerungsgruppen) einen eher schlechten Ruf genießt. Da der Agrarsektor zur unverzichtbaren Ernährungssicherung beiträgt, stellt sich die Frage, wie dieser Sektor reguliert und reformiert werden kann. Ein Lösungsvorschlag wäre, dass man den Wettbewerbsnachteil, der für Firmen entsteht, die Verantwortung übernehmen ausgleicht und zu Wettbewerbsvorteilen umgewandelt. Zum Beispiel durch Zertifizierungen, die gleichzeitig den Verbraucher:innen Vertrauen zurückgeben könnten.
Doch spielen die Verbraucher:innen auch im weiteren Kontext eine wichtige Rolle, denn zumindest die ökologischen Aspekte könnten, laut einer Studie der Oxford University, durch eine überwiegend pflanzliche Ernährung gelöst werden. Durch die industrielle Massentierhaltungen verliert und verschwendet der Agrarsektor Unmengen an Ressourcen, die bei einer rein pflanzlichen Ernährung viel effektiver und effizienter genutzt werden könnten. Da die Politik hinsichtlich der Lösung dieses Problems viel zu langsam agiert, können die Verbraucher:innen durch ihren eigenen Konsum viel bewirken. Nichts desto trotz sollte hier nicht der Anschein erweckt werden, dass die Verantwortung allein bei den Konsument:innen liegt, sondern vielmehr bei den Unternehmen und der Politik. Durch eine engere Zusammenarbeit von Gewerkschaften, die die Interessen der Arbeitnehmer:innen (Verbraucher:innen) und der Unternehmen verbinden und starken Einfluss auf das Handeln von Unternehmen haben, könnte die Konzernverantwortung hinsichtlich der ökologischen und menschenrechtlichen Aspekte Schritt für Schritt in die richtige Richtung gelenkt werden.
Katharina Maas
Wir bedanken uns sehr herzlich bei den Expert:innen für ihre Teilnahme an der Podiumsdiskussion, den Referierenden und natürlich den Teilnehmenden. Ein großes Dankeschön gilt auch Antonio Hautle für die Moderation.