{"id":277,"date":"2021-09-16T16:20:56","date_gmt":"2021-09-16T14:20:56","guid":{"rendered":"urn:uuid:ce3baf6a-9b41-4daf-9c05-8daf9eac3ddb"},"modified":"2023-05-31T14:06:31","modified_gmt":"2023-05-31T12:06:31","slug":"die-rolle-der-unternehmerischen-sorgfaltspflichten-fuer-die-ernaehrungs-sicherheit-in-lateinamerika-ein-anwendungsbeispiel","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/blog.fhgr.ch\/elaf\/die-rolle-der-unternehmerischen-sorgfaltspflichten-fuer-die-ernaehrungs-sicherheit-in-lateinamerika-ein-anwendungsbeispiel\/","title":{"rendered":"Die Rolle der unternehmerischen Sorgfaltspflichten f\u00fcr die Ern\u00e4hrungssicherheit in Lateinamerika \u2013 ein Anwendungsbeispiel"},"content":{"rendered":"\t\n \n\t \t\t \t\t\t\t\t\n\n\"\"\n\t\t\t<\/picture>\n\t <\/div>\n\n\n\n

Lateinamerika geh\u00f6rt zu den gr\u00f6\u00dften Exportregionen weltweit und profitiert von den Einnahmen und geschaffenen Arbeitspl\u00e4tzen. Die Zahl der Hungernden hat sich im letzten Jahrzehnt deutlich verringert, steigt nun aber unter anderem auch beschleunigt durch die Corona-Pandemie wieder an. Preisschwankung und Spekulation geh\u00f6ren zu den Treibern f\u00fcr den Hunger. [1]<\/a>  Immer noch stehen Landverteilung- und Landnutzungskonflikte sowie mangelhafte Arbeitsbedingungen im Fokus. Welche Rolle spielt also das unternehmerische export-orientierte Handeln f\u00fcr die Ern\u00e4hrungssicherheit? Das Projekt um den Food Security Standard (FSS) hat die Ern\u00e4hrungssicherheit auf lateinamerikanischen Plantagen \u00fcberpr\u00fcft und gezeigt: engagierte Unternehmen k\u00f6nnen und sollten einen wichtigen Beitrag zur Ern\u00e4hrungssicherheit leisten.<\/p>\n\n\n\n\n


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Das Verh\u00e4ltnis von Unternehmen zu Menschenrechten ist sp\u00e4testens seit 2011 klar von den UN-Leitprinzipien f\u00fcr Unternehmen und Menschenrechte definiert: sch\u00fctzen, respektieren und Abhilfe schaffen, sind ebenso Rahmenwerk f\u00fcr unternehmerisches Handeln. Unternehmen haben als Teil der Gesellschaft ihren Beitrag zu leisten, indem sie Gesetze achten und Menschenrechte respektieren. Auch die Verbraucher fordern zunehmend, dass Unternehmen ihrer Verantwortung nachkommen. Ein Trend, der in einer Vielzahl von Gesetzesinitiativen m\u00fcndet, die einen rechtlich verbindlichen Rahmen auf L\u00e4nder- und auch EU-Ebene fordern. Unternehmen m\u00fcssen sich nun mit ihrer Lieferkette besch\u00e4ftigen, denn Menschenrechtsverletzungen passieren meist am Anfang der Kette, beim Anbau der Rohstoffe und den ersten Verarbeitungsschritten. Nachhaltigkeitszertifizierungen sind ein g\u00e4ngiges Mittel, um Mindeststandards in der landwirtschaftlichen Produktion umzusetzen, allerdings haben viele der Zertifizierungssysteme unterschiedliche Schwerpunkte und eine divergierende Ausgestaltung sozialer Kriterien. Der Food Security Standard (FSS), der von Welthungerhilfe, WWF und dem Zentrum f\u00fcr Entwicklungsforschung der Uni Bonn entwickelt wurde, bietet hier einen systemischen Ansatz, der alle Menschenrechte ber\u00fccksichtigt, so wie es die UN-Leitprinzipien vorsehen. Als Zusatzmodul f\u00fcr bestehende Zertifizierungssysteme kann er leicht mit\u00fcberpr\u00fcft werden und bietet Unternehmen so die M\u00f6glichkeit verbleibende menschenrechtliche Risiken zu adressieren. Denn Hunger in der Export-Produktion ist vor allem auch eins: ein Zeichen, dass mit der Lieferkette etwas nicht stimmt und von echter Nachhaltigkeit in all ihren Facetten nicht die Rede sein kann.<\/p>\n\n\n\n\n


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W\u00e4hrend der FSS-Entwicklungsphase wurden die Kriterien unter anderem auch in Guatemala und Bolivien auf Plantagen getestet. Die Bilderstrecke zeigt am Beispiel von Bolivien wie ein FSS-Audit in der Praxis aussieht, um das Recht auf Nahrung in landwirtschaftlichen Lieferketten zu \u00fcberpr\u00fcfen.<\/p>\n\n\n\n\n


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Pr\u00fcfung des Ern\u00e4hrungssicherheitsstandards FSS auf Plantagen - das Beispiel Bolivien und ISCC<\/strong><\/p>\n\n\n\n\t\n \n\t \t\t \t\t\t\t\t\n\n\"\"\n\t\t\t<\/picture>\n\t <\/div>\n\n\n\n

Im November 2018 wurde der FSS in der bolivianischen Provinz Santa Cruz im Rahmen eines ISCC-Nachhaltigkeitsaudits der Zuckerfabrik Agua\u00ed getestet. Die Hungersituation in Bolivien ist gem\u00e4\u00df des Welthungerindex moderat. Die Ern\u00e4hrungssicherheit hat sich in den letzten zehn Jahren stark verbessert, aber in einigen Regionen gibt es aufgrund von Faktoren wie Wasserknappheit und Landkonflikten immer noch Schwierigkeiten. Zu den sozialen Problemen in den Anbaugebieten geh\u00f6ren das prek\u00e4re Einkommen der Saisonarbeiter*innen, schlechte Bedingungen in ihren Unterk\u00fcnften, Kinderarbeit und fehlende Arbeitsvertr\u00e4ge. All diese Faktoren werden vom FSS ber\u00fccksichtigt, da sie Teil des Rechts auf Nahrung sind.<\/p>\n\n\n\n\t\n \n\t \t\t \t\t\t\t\t\n\n\"\"\n\t\t\t<\/picture>\n\t <\/div>\n\n\n\n

Agua\u00ed wird von mittel- bis sehr gro\u00dfen Agrarbetrieben (zwischen 800 und 15.000 ha) beliefert. Viele von ihnen sind hoch mechanisiert. Die Verwaltungsstrukturen und die vorhandene Infrastruktur sind dabei ganz unterschiedlich.<\/p>\n\n\n\n\t\n \n\t \t\t \t\t\t\t\t\n\n\"\"\n\t\t\t<\/picture>\n\t <\/div>\n\n\n\n

Zu Beginn des Audits schaut sich die Auditor*in das Einflussgebiet des Unternehmens auf der Karte an und l\u00e4sst sich zeigen, wo die Betriebe und angrenzenden D\u00f6rfer liegen. Dabei wird u.a. geschaut auf welchen Bereich sich die Unternehmensaktivit\u00e4ten negativ auswirken oder gibt es offene Landrechtsstreitigkeiten geben k\u00f6nnte. Das verschafft ihr einen guten \u00dcberblick, denn das Audit beinhaltet auch Interviews mit Vertretern des \u00f6ffentlichen Lebens wie z.B. Lehrer*innen, Krankenpfleger*innen, die ihr wertvolle Informationen zur Ern\u00e4hrungslage geben k\u00f6nnen.<\/p>\n\n\n\n\t\n \n\t \t\t \t\t\t\t\t\n\n\"\"\n\t\t\t<\/picture>\n\t <\/div>\n\n\n\n

Gemeinsam mit den Unternehmensvertreter*innen werden zun\u00e4chst die Dokumente gesichtet. Dazu geh\u00f6ren u.a. Arbeitsvertr\u00e4ge, Genehmigungen zu Land- und Wasserrechten aber auch dokumentierte Prozesse \u00fcber Trainings und Konsultationsverfahren.<\/p>\n\n\n\n\t\n \n\t \t\t \t\t\t\t\t\n\n\"\"\n\t\t\t<\/picture>\n\t <\/div>\n\n\n\n

Was haben Pflanzenschutzmittel mit dem Recht auf Nahrung zu tun? Ganz klar, gute Arbeitsbedingungen sind ein wichtiger Teil davon, denn eine falsche Bedienung oder Ausr\u00fcstung in der Arbeit mit Pflanzenschutzmitteln kann gesundheitliche Folgen haben. Ein kranker Organismus kann N\u00e4hrstoffe schlechter verwerten und krankheitsbedingte Arbeitsausf\u00e4lle k\u00f6nnen sich direkt auf das Einkommen auswirken. Schutzkleidung und entsprechende Schulungen f\u00fcr Mitarbeiter werden vom zertifizierten Betrieb erwartet.<\/p>\n\n\n\n\t\n \n\t \t\t \t\t\t\t\t\n\n\"\"\n\t\t\t<\/picture>\n\t <\/div>\n\n\n\n

Wenn es Unterk\u00fcnfte f\u00fcr die Mitarbeiter und ihre Familien auf dem Betrieb gibt, sollen diese angemessen und sauber sein. Das gilt auch f\u00fcr kleinb\u00e4uerliche Betriebe, f\u00fcr die eine entsprechende Schulung durchgef\u00fchrt werden soll, damit sie die Anforderungen nach besten M\u00f6glichkeiten umsetzen k\u00f6nnen.<\/p>\n\n\n\n\t\n \n\t \t\t \t\t\t\t\t\n\n\"\"\n\t\t\t<\/picture>\n\t <\/div>\n\n\n\n

Dasselbe gilt auch f\u00fcr die Sanit\u00e4ranlagen. Diese m\u00fcssen gut erreichbar und sauber sein. Vorrichtungen zum H\u00e4ndewaschen sind besonders wichtig f\u00fcr die betriebliche und pers\u00f6nliche Hygiene.<\/p>\n\n\n\n\t\n \n\t \t\t \t\t\t\t\t\n\n\"\"\n\t\t\t<\/picture>\n\t <\/div>\n\n\n\n

W\u00e4hrend der Interviews mit den Mitarbeitern und Zulieferern werden die Angaben aus den Unterlagen nochmals \u00fcberpr\u00fcft. Zu den Fragen geh\u00f6ren beispielsweise, ob jederzeit der Zugang zu Essen und Trinkwasser w\u00e4hrend der Arbeit gegeben ist, die Pausenzeiten eingehalten werden, sich Lebensmittelpreise im Laufe des Jahres ver\u00e4ndert haben und Betroffene auf Essen verzichten mussten. Bei tempor\u00e4ren Angestellten stellt sich zudem die Frage, ob die Lebensmittelversorgung nach Ende der Vertragslaufzeit gef\u00e4hrdet sein kann.<\/p>\n\n\n\n\t\n \n\t \t\t \t\t\t\t\t\n\n\"\"\n\t\t\t<\/picture>\n\t <\/div>\n\n\n\n

Der Betrieb soll den Zugang zu ausreichend angemessener Nahrung f\u00fcr alle Menschen, die f\u00fcr ihn arbeiten, verbessern. In gro\u00dfen Betrieben wie Agua\u00ed kann das eine eigene Kantine sein.<\/p>\n\n\n\n\n\n\t\n \n\t \t\t \t\t\t\t\t\n\n\"\"\n\t\t\t<\/picture>\n\t <\/div>\n\n\n\n

Sichere und saubere R\u00e4umlichkeiten f\u00fcr Pausen m\u00fcssen ebenfalls zur Verf\u00fcgung stehen. Auch die L\u00e4nge der Pausen entsprechend den lokalen Bedingungen wie z.B. gro\u00dfer Hitze werden \u00fcberpr\u00fcft.<\/p>\n\n\n\n\t\n \n\t \t\t \t\t\t\t\t\n\n\"\"\n\t\t\t<\/picture>\n\t <\/div>\n\n\n\n

Wenn die Menschen keine M\u00f6glichkeit haben ihr eigenes Essen mitzubringen, kann auch ein kleiner Laden auf dem Betrieb den Zugang verbessern. W\u00e4hrend der Interviews wird hier dann auch nochmal das Preisniveau abgefragt.<\/p>\n\n\n\n\t\n \n\t \t\t \t\t\t\t\t\n\n\"\"\n\t\t\t<\/picture>\n\t <\/div>\n\n\n\n

Das Pilotaudit in Bolivien hat gezeigt, dass der FSS in Nachhaltigkeitsaudits gut integriert werden kann. Zudem wurde deutlich, dass gro\u00dfe und mittelgro\u00dfe Agrarbetriebe wie Agua\u00ed in der Lage sind, den FSS mit akzeptablen zus\u00e4tzlichen Anstrengungen zu erf\u00fcllen. W\u00e4hrend der Standard die Richtung vorgibt, entwickeln Unternehmen gemeinsam mit Gemeinden, Beh\u00f6rden und Mitarbeitern kreative Wege lokale Entwicklung voranzutreiben. Und fest steht: wer seine Lieferkette gut kennt ist klar im Vorteil, kann sich in lokale Wertsch\u00f6pfungsprozesse einbringen und M\u00e4rkte zukunftsf\u00e4hig machen. So werden Unternehmen zunehmend zu neuen Akteuren in Menschenrechtsdialogen, bauen Kompetenzen auf und zeigen echte Verantwortung im Erreichen der Nachhaltigen Entwicklungsziele.<\/p>\n\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"","protected":false},"author":67,"featured_media":289,"comment_status":"closed","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[12,4],"tags":[],"acf":[],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/blog.fhgr.ch\/elaf\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/277"}],"collection":[{"href":"https:\/\/blog.fhgr.ch\/elaf\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/blog.fhgr.ch\/elaf\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/blog.fhgr.ch\/elaf\/wp-json\/wp\/v2\/users\/67"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/blog.fhgr.ch\/elaf\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=277"}],"version-history":[{"count":5,"href":"https:\/\/blog.fhgr.ch\/elaf\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/277\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":346,"href":"https:\/\/blog.fhgr.ch\/elaf\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/277\/revisions\/346"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/blog.fhgr.ch\/elaf\/wp-json\/wp\/v2\/media\/289"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/blog.fhgr.ch\/elaf\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=277"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/blog.fhgr.ch\/elaf\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=277"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/blog.fhgr.ch\/elaf\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=277"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}