Beim ausgiebigen Sonntagsbrunch ist er kaum wegzudenken – der allseits beliebte Orangensaft.
Schweizerinnen und Schweizer trinken jährlich etwa 21 Liter Fruchtsaft, wovon Orangensaft mit knapp sechs Litern der beliebteste ist. Doch der Orangensaft-Konsum dürfte seit dem letzten Jahr in Europa zu einer teuren Gewohnheit geworden sein. (Lago, 2023; Oberholzer, 2023)
Der Preis für Orangensaftkonzentrat erreichte 2023 ein historisches Hoch – für Importe in die EU wurde ein Preisanstieg um bis zu 89% verzeichnet, was sich auch bei den Konsumentenpreisen bemerkbar machte (Berent, 2024; Oberholzer, 2023). Woher kommt dieser Preisanstieg?
Im Juli 2023 gab der Verband der deutschen Fruchtsaft-Industrie bekannt, dass Orangensaftkonzentrat weltweit knapp wird. Dies lässt sich auf Ernteausfälle in den USA, als auch historisch niedrige Lagerbestände in Brasilien, dem grössten Produktionsland von Orangensaftkonzentrat, zurückführen. (Kommnick, 2023)
90% des importierten Orangensaftkonzentrats der EU stammen aus Brasilien, weshalb diese Ereignisse für den europäischen Markt erhebliche Auswirkungen zeigen (Berent, 2024).
Orangen benötigen ein tropisches oder subtropisches Klima, wie es in Brasilien vorherrscht und sind auf viel Wärme und Wasser angewiesen. Der dort in grossen Plantagen erfolgte Anbau in Monokulturen macht die Pflanzen jedoch anfällig für Schädlinge und Krankheiten, wie die weit verbreitete «Citrus greening disease». Zur Vorbeugung werden riesige Mengen Agrarchemikalien eingesetzt, auch solche, die in der EU längst verboten sind. Im Zusammenhang mit gewissen Pestiziden wurde erhöhtes Bienensterben auf Orangenplantagen festgestellt, was wiederum für schlechtere Ernten sorgt, da die Orangenpflanzen ohne Bestäubung keine Früchte tragen. (Bombardi, 2017; Christliche Initiative Romero e.V. (CIR), 2018; de Andrade et al., 2023; fair|rhein, 2020)
Hinzu kommen Extremwetterereignisse wie das Phänomen El Niño, welches immer wieder zu starken Überschwemmungen an der Westküste Lateinamerikas führt (WWF, o. J.). Orangensaftkonzentrat ist also stark von natürlichen Gegebenheiten abhängig und erfordert für Importeure eine kluge Beschaffungsstrategie.
Die Eckes-Granini Gruppe ist eines der führenden Anbieter von Fruchtsäften im europäischen Markt. Das Familienunternehmen mit Hauptsitz in Deutschland beschäftigt rund 1700 Mitarbeitende und erzielt einen Jahresumsatz von 917 Millionen Euro. Die wohl bekanntesten Marken, welche zur Eckes-Granini Gruppe gehören sind: granini, hohes C und pago. (Eckes-Granini Group GmbH, o. J.)
Die allermeisten der Orangen für den granini-Orangensaft werden aus Brasilien importiert (granini, o. J.). Mit obig angeführter Problematik stellen sich für das Unternehmen also folgende Fragen:
Welche Massnahmen könnte Eckes-Granini als Importeur von brasilianischen Orangen in ihrer Beschaffungsstrategie vornehmen, um für eine langfristige Beziehung zu Orangenplantagen in Brasilien zu sorgen? Was wurde im Rahmen ihrer bestehenden Nachhaltigkeitsstrategie (Eckes-Granini Group GmbH, 2023) bereits umgesetzt, um den teils unberechenbaren Naturereignissen entgegenzuwirken?
Anhand einer Umfeldanalyse der Natur in Brasilien mit ihren Chancen und Risiken, sowie einer internen Analyse der aktuellen Beschaffungsstrategie von Eckes-Granini lässt sich in einer Gegenüberstellung erkennen, welche Handlungsfelder bereits von Eckes-Granini bearbeitet werden und wo es noch weiteren Handlungsbedarf gibt.
Wie obige IST-Analyse zeigt, hat Eckes-Granini bereits einige Strategien und Projekte erarbeitet, die für eine nachhaltige Beschaffung von Orangen aus Brasilien sorgen. Den durchgeführten Massnahmen liegt eine gefestigte Strategie zugrunde, die sich um langfristige und partnerschaftliche Beziehungen in der Beschaffung bemüht und daher auch Lieferantenbesuche ein fester Bestandteil davon sind. Diese Massnahmen sollten weiterhin erhalten werden.
Aufbauend darauf sind verschiedene Projekte im Gange, die sich vor allem um die Themen Schulung und Zertifizierung von lokalen Bäuerinnen und Bauern drehen – mit dem Ziel die natürlichen Ressourcen aufrecht zu erhalten und den natürlichen Gegebenheiten in Brasilien optimal begegnen zu können. Dies sorgt letztendlich für eine stabile und qualitativ hochwertige Beschaffung, weshalb hier die Empfehlung «intensivieren» lautet. Die Fortschritte der durchgeführten Projekte werden jährlich in einem Nachhaltigkeits-Fortschrittsbericht dargelegt.
Auffällig dabei ist, dass Eckes-Granini im Sinne des Konzepts Shared Value von Porter (2011) Projekte wie «Small Holders, Big Opportunities» mit weiteren Akteuren gemeinsam gestaltet und im Rahmen dieses Projekts nicht nur bestimmte Kleinbäuerinnen und -bauern geschult werden, sondern diese das erlangte Wissen auch in ihrer Region weitergeben. (Eckes-Granini Group GmbH, 2023)
Dennoch liessen sich für Eckes-Granini weitere Massnahmen ableiten («lancieren»), die ihre Beschaffung von Orangen in Brasilien weiter stabilisieren würde. Lokale Partner könnten zum Mischkulturanbau von Orange und Guave bewegt werden, was das Risiko für gewisse Zitrus-Pflanzenkrankheiten und dadurch Ernteausfälle mindern würde (Gottwald et al., 2014). Dies hätte den Vorteil, dass gleichzeitig mit konstanteren Orangenlieferungen, die weiteren Früchte für andere Saftprodukte beschaffen und genutzt werden könnten.
Des Weiteren wäre es denkbar die bereits lancierten Projekte für die Kleinbäuerinnen und -bauern auch auf grosse Plantagen auszuweiten, die von einem ihrer einflussreichen Partner, Cutrale, geführt werden. Zuletzt könnte der erfolgreich umgesetzte Bienengarten in Ungarn von Eckes-Granini auch in Brasilien lanciert werden, um den Fortbestand der Bienenpopulation und dadurch der Orangenfrucht zu fördern.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Eckes-Granini frühzeitig erkannt hat, dass der Umweltfaktor Natur einen grossen Einfluss auf ihre Beschaffung hat und daher schon aktiv Massnahmen ergriffen hat. Durch den fortschreitenden Klimawandel bedarf diese Thematik jedoch weiterer Aufmerksamkeit und Investition.
Kristin Kreibich- Studierendenbeitrag
Literaturverzeichnis
Berent, L. (2024, Januar 24). Warum Orangen so teuer sind wie seit 1966 nicht mehr. Capital.de. https://www.capital.de/geld-versicherungen/orangensaft--warum-orangen-so-teuer-sind-wie-seit-1966-nicht-mehr-34388934.html
Bombardi, Prof. L. M. (2017). Ökologische Hotspots: Weltmeister im Verbrauch von Agrarchemikalien (Der Wandel – Sonderpublikation der Christlichen Initiative Romero, S. 8) [Gastbeitrag]. Christliche Initiative Romero.
Christliche Initiative Romero e.V. (CIR). (2018). Studie: Ausgepresst. Hinter den Kulissen der Saftindustrie.
de Andrade, J. C., Galvan, D., Kato, L. S., & Conte-Junior, C. A. (2023). Consumption of fruits and vegetables contaminated with pesticide residues in Brazil: A systematic review with health risk assessment. Chemosphere, 322, 138244. https://doi.org/10.1016/j.chemosphere.2023.138244
Eckes-Granini Group GmbH. (o. J.). Eckes-Granini Profil. Eckes-Granini – the best of fruit. https://www.eckes-granini.com/unternehmen/ueber-uns
Eckes-Granini Group GmbH. (2023). Nachhaltigkeits-Fortschrittsbericht 2023 (S. 35).
fair|rhein. (2020). Orangenparcours: Vom Anbau bis zum Verkauf. fair|rhein - Netzwerk für Fairen Handel & Nachhaltigkeit.
Gottwald, T. R., Hall, D. G., Kriss, A. B., Salinas, E. J., Parker, P. E., Beattie, G. A. C., & Nguyen, M. C. (2014). Orchard and nursery dynamics of the effect of interplanting citrus with guava for huanglongbing, vector, and disease management. Crop Protection, 64, 93–103. https://doi.org/10.1016/j.cropro.2014.06.009
granini. (o. J.). So gut schmeckt Nachhaltigkeit. https://www.granini.ch/nachhaltigkeit/die-orange
Kommnick, B. (2023, Juli 15). „Schwierigsten Situation seit 50 Jahren“: Vorräte von diesem Lebensmittel praktisch auf null. https://www.merkur.de/verbraucher/ernaehrung-lebensmittel-engpaesse-hersteller-orangensaft-brasilien-usa-mexiko-ernte-landwirtschaft-92403211.html
Lago, P. (2023, Mai 17). O-Saft in der Krise: Die Orangen kränkeln – und der O-Saft wird hier wohl teurer. SRF News. https://www.srf.ch/news/wirtschaft/o-saft-in-der-krise-die-orangen-kraenkeln-und-der-o-saft-wird-hier-wohl-teurer
Oberholzer, E. (2023, Mai 17). Orangensaft wird weltweit zum knappen Gut – und könnte teurer werden. NZZ. https://www.nzz.ch/wirtschaft/orangensaft-wird-weltweit-zum-knappen-gut-und-koennte-teurer-werden-ld.1738473
Welsch, C. (2023). From orange farmer in Brazil to juice maker in Germany, making sustainability a winning game. https://news.microsoft.com/source/europe/features/from-orange-farmer-in-brazil-to-juice-maker-in-germany-making-sustainability-a-winning-game/ WWF. (o. J.). Extremwetter: Folge des Klimawandels. https://www.wwf.ch/de/spenden/extremwetter-folge-des-klimawandels