Brasiliens Wirtschaft ist durch zahlreiche Korruptionsskandale immer wieder in den Schlagzeilen (The Economist, 2024, S. 36). Auch ausbeuterische Arbeitsbedingungen bis hin zu Fällen moderner Sklaverei prägen die Wirtschaft Brasiliens (Hauser, o. J.). Im Folgenden soll untersucht werden, wie es einem europäischen Unternehmen trotz dieser Umstände gelingen kann, mit einer Produktion in Brasilien das Wohlergehen der Mitarbeitenden sowie der Gesellschaft im Ganzen zu verbessern. Dies soll am konkreten Beispiel des französischen Schuh-Unternehmens VEJA erfolgen – dessen Sneaker unter anderem auch durch das Tragen von Meghan Markle beim ersten royalen Auftritt an der Seite von Prinz Harry auffielen (Ruder, 2018). In diesem Beitrag wird anhand des Produktionsprozesses von VEJA der Umfeld-Aspekt der Gesellschaft analysiert, mit Fokus auf die Arbeitsverhältnisse.
Produktion in Brasilien
Berichte über ausbeuterische Arbeitsbedingungen in Brasilien gibt es zahlreiche (z.B. Böttcher, 2023; Rodrigues, 2021). Diese gibt es auch in den Schuhfabriken des Landes – es kommt zu Lärm-, Hitze- und Schadstoffbelastungen mit gesundheitlichen Folgen, langen Arbeitszeiten und niedriger Entlohnung. Teilweise erfolgt die Bezahlung nach produzierten Stücken, was den Stress erhöht. Arbeitnehmerinnen berichten zudem von einer geschlechtsspezifischen Diskriminierung bei Arbeitsteilung, Bezahlung und Beförderung (Prazeres & Navarro, 2011). VEJA lässt seine Sneaker in Brasilien herstellen und setzt sich dabei für faire Arbeitsbedingungen ein (Veja Fair Trade SARL, o. J.).
Stärken
VEJA produziert seine Sneaker in Kooperation mit Fabriken, welche die strikten Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) befolgen, was eine wesentliche Stärke darstellt (Veja Fair Trade SARL, o. J.). Diese Standards fördern Arbeitnehmendenrechte, würdige Arbeitsbedingungen und sozialen Schutz (International Labour Organization, 2007). In den Fabriken, mit denen VEJA kooperiert, müssen zudem auch darüberhinausgehende Vorschriften eingehalten werden, wie beispielsweise die Freiheit zur Formierung von Gewerkschaften und vier Wochen bezahlter Urlaub pro Jahr. VEJA kontrolliert die Einhaltung der Vorschriften jährlich, wobei auch stets Verbesserungspotentiale festgelegt werden (Veja Fair Trade SARL, o. J.). Die Schuhe können trotz der hohen Produktionskosten zu wettbewerbsfähigen Preisen angeboten werden, was unter anderem durch den Verzicht auf Werbung möglich ist (Ruder, 2018).
Schwächen
In Brasilien sind VEJAs Produktionsmitarbeitende trotz überdurchschnittlicher Löhne relativ gering bezahlt, mit einem Durchschnittslohn von rund R$ 1'650 (circa CHF 300), bei einem Mindestlohn von R$ 1‘320. Die 44-Stunden-Woche über fünf Tage führt zu fast elf Stunden Arbeit pro Tag inklusive der üblichen Überstunden (Pereira, 2024; Veja Fair Trade SARL, o. J.). Zudem ist durch die Geschlechtsdifferenzen im Berufsleben in Brasilien anzunehmen, dass VEJA Frauen nicht im gleichen Masse wie Männer fördert (OECD, 2020).
Chancen
In Brasilien herrscht ein starkes Bewusstsein für die Bedeutung von nachhaltigen Lösungen, wozu gemäss Triple Bottom Line Ansatz auch die Gesellschaftssphäre gehört. Dies bietet VEJA eine Chance, da die brasilianische Bevölkerung zunehmend Wert auf gute Arbeitsbedingungen legt, unterstützt durch ein dichtes Netzwerk engagierter Organisationen (Kreider, 2012). Zudem führt die demografische Entwicklung Brasiliens zu einer wachsenden jungen Arbeitskraft, welche faire Arbeitsbedingungen fordert (Grimshaw, 2019). Auch auf der Konsumentenseite ergibt sich für VEJA durch die steigende Nachfrage nach nachhaltig produzierten Produkten eine Chance (Gegner & Willim, 2022).
Risiken
VEJA kooperiert von Beginn an mit den gleichen Fabriken in Brasilien. Aufgrund des starken Wachstums musste das Unternehmen jedoch in den letzten Jahren weitere Produktionskooperationen eingehen (Veja Fair Trade SARL, o. J.). Durch die steigende Anzahl an Kooperationen könnte es passieren, dass VEJA nicht alle Fabriken und Arbeitsbedingungen so detailliert wie bisher überprüfen kann, und dass es zu einer Verletzung der gewünschten Vorgaben kommt. Auch grundsätzlich ist der Einfluss auf Arbeitspraktiken von Partnerbetrieben geringer als jener auf Arbeitsbedingungen in eigenen Fabriken. Es könnte also im schlimmsten Falle dennoch zu schlechteren Arbeitsverhältnissen oder gar Kinderarbeit kommen, da letztere in Brasilien immer noch weit verbreitet ist (International Labour Organization, o. J.; UNICEF, 2023).
Strategien & Handlungsempfehlungen
Abschliessend lässt sich festhalten, dass VEJA sich deutlich für ein hohes Niveau der Arbeitsbedingungen bei der Schuhproduktion einsetzt. Dennoch sollte das Unternehmen es nicht verabsäumen, sich laufend für die Sicherstellung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen einzusetzen. Eine bedeutende Möglichkeit hierfür wäre der Ausbau des Überprüfungssystems für neue und bestehende Produktionskooperationen, beispielsweise durch häufigere, auch unangekündigte Besuche der Produktionsstätten und unabhängige Audits. VEJA könnte zudem verstärkt mit Organisationen und Initiativen zusammenarbeiten, welche sich für faire Arbeitsbedingungen einsetzen. Die Löhne könnten durch Effizienzsteigerungen im Produktionsprozess erhöht werden. Im Kampf gegen Kinderarbeit könnte VEJA in Bildungsprogramme investieren, welche Kindern und ihren Familien in den Produktionsregionen zugutekommen. Durch die Umsetzung dieser Strategien kann VEJA seine Position als verantwortungsbewusstes Unternehmen stärken, welches nicht nur auf das Wohlbefinden seiner Mitarbeitenden, sondern auch auf den gesellschaftlichen Fortschritt Brasiliens insgesamt abzielt.
Monika Bertsch - Studierendenbeitrag
Literatur
Anti-corruption, unravelling. The Legacy of Lavo Jato. (2024). The Economist, 450, 36–37. https://www.proquest.com/docview/2938554590/fulltextPDF/200C9FF32F0F43E7PQ/1?accountid=207289&sourcetype=Magazines
Böttcher, X. (2023, Juli 17). Brasilien: Das Leid der Tagelöhner auf den Kaffee-Plantagen. Das Erste. https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/videos/Brasilien-Das-Leid-der-Tageloehner-auf-den-Kaffee-Plantage-100.html
Gegner, K., & Willim, Z. (2022). Gesellschaftliche Trends der Ressourcenschonung. Ökologisches Wirtschaften, 37(2), 46–50. https://doi.org/10.14512/OEW370246
Grimshaw, D. (2019, März 25). Die Volkswirtschaft | Mehr soziale Gerechtigkeit am Arbeitsplatz: Eine Roadmap. Die Volkswirtschaft. https://dievolkswirtschaft.ch/de/2019/03/grimshaw-04-2019/
Hauser, C. (o. J.). Brasilien. CSR - Lateinamerika. Abgerufen 3. März 2024, von https://csr-la.net/de/bra
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Kreider, K. (2012, Dezember 1). Zunehmende Verbreitung von Nachhaltigkeitsstandards in Schwellenländern. Die Volkswirtschaft. https://dievolkswirtschaft.ch/de/2012/12/kreider/
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