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Mit Fotos Auf­merk­sam­keit für Lithium in Ar­gen­ti­ni­en wecken (Teil1)

Interview mit dem Fotografen Felix Dorn

Wie bist du generell zu Lateinamerika gekommen und wie ist dein Fokus dann auf Lithium und die Elektroautos gefallen?

Also Lateinamerika generell hat mich irgendwie schon immer fasziniert. Ich habe mein Auslandsjahr in der Schulzeit in Lateinamerika verbracht, in Argentinien. Im Studium war ich ein Jahr in Argentinien, allerdings in einer anderen Region. Dazu noch Praktika zu Beginn meines Studiums und Forschungsreisen. Insgesamt habe ich über drei Jahre in Lateinamerika verbracht. Diese Faszination ist relativ schwer in Worte zu fassen, aber war schon immer da und wurde mit jedem Mal auch irgendwie größer.

Und zum Thema Lithium: Ich bin zum Großteil in Braunschweig aufgewachsen, was eine absolute Autoregion ist. Lithium hat für mich eine sehr beispielhafte Verbindung dargestellt zwischen globalem Weltmarkt auf der einen Seite und einer sehr spannenden Region in den Hochanden. Im Nachhinein macht immer alles Sinn, wie man dann während dessen dazu kommt ist manchmal ein bisschen schräg. Es waren auf jeden Fall eine Menge Zufälle dabei. Es war ganz blöd gesagt, eine unfassbar nette Gastfamilie in der Schulzeit dabei, die mich bis heute prägt und mit der ich bis heute Kontakt habe, die teilweise auch wissenschaftlich aktiv ist. Der Weg war keinesfalls so vorgezeichnet, aber macht jetzt natürlich absolut Sinn.


Forscht die Gastfamilie denn auch zu Lithium?

Nein gar nicht. Die arbeiten zu Klimawandel und Hochwasseranpassung in der Region. Die Tochter ist mittlerweile Biologin in Patagonien. Mein Freund oder Gastbruder, Emiliano, arbeitet im Filmbereich. Mit ihm zusammen habe ich einen Dokumentarfilm zum Lithiumbergbau gedreht, der jetzt gerade fertig geworden ist. Und im Endeffekt: Wie entsteht die Faszination für eine Region? Das ist meistens über die Menschen, die man kennenlernt und die Menschen in Argentinien haben mich da auf jeden Fall sehr stark geprägt, alle miteinander, auch wenn das vielleicht ein bisschen kitschig klingt.


Du hast selber mal in einem Beitrag geschrieben, dass deine Fotos oft sehr ästhetisch, sehr romantisch sind. Was genau versuchst du mit deinen Fotos zu vermitteln, denn der Hintergrund zu Lithium ist ja eigentlich sehr negativ und dann hast du diese Fotos dazu, die aber etwas ganz anderes ausstrahlen. Wie gehst du selber damit um?

Also ich versuche natürlich immer ein schönes Bild zu machen. Diese riesigen Extraktionsprojekte, wie man sie häufig in Lateinamerika findet, also Bergbauprojekte, gigantische Wasserbecken beim Lithium-Bergbau in Chile, diese gigantischen Sojamonokulturen in Argentinien - die kann man natürlich auch austauschen durch Palmöl-Plantagen oder andere flex crops - haben gleichzeitig eine sowohl faszinierende als auch perverse Seite. Ich glaube schon, dass Fotos und Luftbildaufnahmen im speziellen, ein sehr großes Potenzial haben, um auf das Thema Mensch-Umwelt-Verhältnisse aufmerksam zu machen. Also wie interagieren Menschen und Erde? Welche Wechselwirkung gibt es zwischen Mensch und Erde? Wenn jemand beim Betrachten der Fotos darüber nachdenkt, dann ist das Ziel vollkommen erreicht. Und ich glaube ehrlich gesagt, dass es ein größeres Potenzial gibt bei ästhetisch schönen Fotos, dass jemand sich die länger anschaut.

Man kann in gewisser Weise auch von einer Ästhetik des Anthropozäns sprechen, wenn man das so nennen will. Mir fallen da spontan ein paar Bildbände ein, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Ich arbeite natürlich schon sehr stark aus einer geographischen Perspektive und dabei steht auf jeden Fall das Thema Mensch-Umwelt-Verhältnisse im Mittelpunkt. Mir geht es deshalb auch weniger darum, inwiefern der Mensch die Erde verändert - das ist ja die klassische Idee des Anthropozän - sondern welche Wechselwirkungen es gibt.

Das ist das Eine, ich glaube darauf spielte eure Frage auch an. Das Andere ist, dass ich ja auch mehr als Luftbildaufnahmen mache, also beispielsweise auch Porträts. Eine Argentinierin hat mich mal gefragt, warum ich immer nur Armut porträtiere, Argentinien sei doch so viel mehr als Armut. Das hat mich damals sehr getroffen. Aber sie hat meine Arbeit völlig falsch aufgefasst, hatte ich den Eindruck und da haben wir uns auch länger drüber unterhalten. Ich wollte niemals Armut plakativ oder provokativ aufzeigen, sondern vor allem den Stolz der Leute zeigen. Ich wollte dokumentieren, wie die lokale Bevölkerung bestimmte Feste, wie z.B. das Ritual für die Pachamama zelebriert und welche unterschiedlichen, Lebensprojekte es doch gibt. Da bewegen wir uns ein bisschen in der Diskussion des “Buen Vivir”. Anzuerkennen, dass es verschiedene Wege gibt ein gutes Leben zu führen bedeutet einerseits große extraktive Top-Down Projekte zu hinterfragen, aber andererseits bedeutet es sicherlich auch die lokale Bottom-Up Perspektive zu verstehen.

Das ist so die fotografische Seite. Zudem haben, wie bereits erwähnt, mein Freund Emiliano und ich gemeinsam eine Doku gedreht. Das war sicherlich auch ein gewisser Spagat zwischen Wissenschaft, Aktivismus und Kunst. Natürlich schwimmen alle Felder immer mit, aber manchmal gehören dazu auch, wie jetzt in dem Fall mit Emiliano, Aushandlungsprozesse mit ihm oder auch mit mir selbst. Hier und da schlägt dann mal die einer oder die andere Seite mehr durch.


Und wenn du jetzt grade schon über die eine Argentinierin gesprochen hast, können wir ja bei der lokalen bzw. auch indigenen Bevölkerung bleiben und das mit dem Lithiumabbau verbinden. Wie wird der Lithiumabbau von der einheimischen Bevölkerung aufgenommen oder bewertet? Ich glaube da gibt es auch unterschiedliche Einstellungen innerhalb von den Gemeinschaften. Was kannst du dazu sagen?

Ja, es gibt auf jeden Fall unterschiedliche Meinungen und Reaktionen. Da gibt es die eine Seite, die mehr mit den Bergbaufirmen kollaboriert und die andere Seite, die lautstark dagegen protestiert. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen sicherlich die historische, teilweise konfliktgeladene Beziehung zum Staat. Es hat auch etwas mit demokratischer Partizipation und der juristischen Anerkennung der Gemeinschaften zu tun. Manche Gemeinschaften haben im Rahmen der Reformen der 1990er Jahre Landtitel erhalten. Ein wichtiger Unterschied ist, dass einige indigene Gemeinschaften, die sich zu dieser Zeit rausgebildet haben, Landtitel vom Staat erhalten haben, andere allerdings nicht.

Natürlich hat mich in meiner Arbeit interessiert, warum es diese Unterschiede gibt und wie diese sich konkret äußern. Wichtig ist mir dabei zu betonen, dass es in beiden Fällen Formen des Konfliktes gibt. In einigen Gemeinschaften ist das halt ein offener Konflikt mit Widerstandsbewegung und mit Protesten. In anderen Gemeinschaften kann man vielleicht eher von einem latenten Konflikt sprechen. Hier brodelt es. Teilweise geht es um unerfüllte Forderungen gegenüber Bergbaufirmen oder gegenüber dem Staat. Teilweise entstehen auch neue Spannungen zwischen den Gemeinschaften. Was man auf jeden Fall festhalten kann: Einige Gemeinschaften, zumindest in Argentinien, kollaborieren aufgrund struktureller Gewalt oder aufgrund eines sehr starken unilateralen Abhängigkeitsverhältnisses mit den Bergbaufirmen. Man hört immer wieder: „Wir müssen das tun, denn es gibt keine Alternative“.

Natürlich gab es vorher schon gewisse Abhängigkeitsverhältnisse zum kapitalistischen Weltmarkt oder zur kapitalistischen Ökonomie. Diese werden jetzt im Rahmen des Lithiumbergbaus einerseits reproduziert und andererseits natürlich vertieft. Vertieft auch deshalb, weil der Lithiumbergbau ein Ablaufdatum hat - jeder Bergbau hat irgendwann ein Ablaufdatum - und traditionelle Aktivitäten größtenteils aufgegeben werden. Eine zentrale Frage lautet also, was in der Region in zehn, fünfzehn Jahren passiert.


Also ist schon davon auszugehen, dass der Lithiumabbau irgendwann ein Ende finden wird, weil irgendwann nichts mehr da ist?

Ich kann jetzt nicht beantworten, wann das soweit ist. In Chile sehen wir, wie seit über 30 Jahren Lithium abgebaut wird. Um ökologische Folgen abschätzen zu können, müsste man noch viel stärker am Salar de Atacama in Chile forschen. Ich bin natürlich Humangeograph und beschäftige mich eher mit sozialen Aspekten. Dabei hat mich interessiert, welche positiven und welche negativen Auswirkungen hervorgehoben werden, welche Diskurse es gibt, was vor Ort passiert und wieso die Gemeinschaften so unterschiedlich auf den Bergbau reagieren. Aber selbstverständlich ist jedes Bergbauprojekt - egal ob in 10, 20 oder 100 Jahren - irgendwo endlich, das ist klar.

Die Projekte jetzt sind für eine Dauer von 30-40 Jahren ausgelegt. Es ist aber ungewiss, was es bedeutet, wenn plötzlich vier Bergbauprojekte die Sole aus einem Salzsee pumpen. Die Lithium-Gewinnung funktioniert ja etwas anders als klassische Bergbauprojekte. Lithium ist ein in einer Lauge gelöstes Mineral. Wenn man sich jetzt einen Salzsee vorstellt, in den man an verschiedenen Stellen bohrt, erhält man wahrscheinlich die gleiche Lauge. Die ganzen Umweltverträglichkeitsstudien beziehen sich immer auf ein Projekt. Beim Salar de Olaroz-Cauchari im Südwesten der Provinz Jujuy gibt es jedoch schon zwei Projekte und demnächst eventuell vier. Da weiß keiner, was das eigentlich bedeutet.


Du hast in mehreren Artikeln geschrieben, dass in vielen indigenen Gemeinschaften ein Wille da ist, sich selbst zu organisieren. Weißt du, ob eine Gemeinschaft schon Erfolg hatte, Mitspracherecht dabei zu haben, was mit dem Lithiumvorkommen in ihrer Gemeinde passiert? Ob das abgebaut wird oder eben nicht.

Man muss sagen, dass es die Gemeinschaften in der Salinas Grandes, schon zwei Mal erfolgreich geschafft haben die Projekte zu stoppen und die lokal arbeitenden Firmen zu vertreiben. Die Gemeinschaften haben es geschafft vorübergehend relativ große Aufmerksamkeit zu erregen. Zum einen durch nationales Medieninteresse, zum anderen aber auch mit Unterstützung des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen. Auch international haben sie für Aufmerksamkeit gesorgt. Was allerdings mittelfristig passiert, weiß ich nicht. Es ist leider auch nicht so gut abschätzbar, was das Ausbleiben des internationalen Tourismus in der Region bedeutet. Dieser spielt für die Salinas Grandes durchaus eine Rolle und war bisher eine wichtige ökonomische Alternative. Natürlich passiert auch viel außerhalb der monetären Ökonomie. Die Folgen sind also nur schwer abzuschätzen.

In Chile gibt es z.B. eine direkte monetäre Partizipation der Gemeinschaften. Prozentual gesehen erhalten die chilenischen Gemeinschaften mehr vom Lithium-Bergbau als der argentinische Staat. Es geht hier um größere Millionenbeträge, die plötzlich in die indigenen Gemeinschaften gepumpt werden. Gemeinschaften wie Toconao oder San Pedro de Atacama sind somit auf einmal relativ vermögend. Das ist aber auch das Ergebnis eines jahrelangen Kampfes und jahrelanger Auseinandersetzungen mit Staat und Bergbaufirmen. Ob monetäre Beteiligung etwas mit Selbstbestimmung zu tun hat, sei mal dahingestellt.  Die Gemeinschaften in Chile stehen jedoch generell in einer ganz anderen Position als die argentinischen Gemeinschaften.


Alle Bilder in diesem Beitrag wurden von Felix Dorn persönlich gemacht und sind Copyright geschützt.