Korruptionsbekämpfung und verantwortungsvolles Wirtschaften entlang der Liefer- und Vertriebsketten in den ausländischen Produktionsländern hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen und muss in internen Prozessen und Unternehmensstrukturen integriert werden. Nur so bleibt das Unternehmen glaubwürdig gegenüber Lieferanten, Abnehmern und Kooperationspartnern und kann langfristig erfolgreich am Markt bestehen (Jonker et al., 2011; Terlau, 2018). International tätige Unternehmen benötigen eine widerspruchsfreie und solide Corporate-Responsibility-Strategie, die auch in der Lieferkette eingehalten und umgesetzt werden muss, so auch Regelungen und Verhaltenskodexe zum Korruptionsverbot (Depping, 2015).
Um in schnelllebigen, technisch versierten und innovativen Branchen konkurrenzfähig bleiben zu können, aber nicht auf Bestechungs- und Schmierzahlungen eingehen zu müssen, benötigt es agiles und proaktives Handeln und eine ethische Unternehmensführung entlang der gesamten Wertschöpfungskette, gerade im Bereich der profitablen Logistik- und Vertriebsketten (Weber-Berg, 2010).
Im lateinamerikanischen Markt ist Brasilien der wichtigste Handelspartner der Schweiz (Schmidli & Baha, 2020). Und im internationalen Vergleich wurde vor der COVID-19-Pandemie Brasilien ein langfristiges starkes Markt- und Exportwachstum vorausgesagt. Viele Autohersteller und Zulieferer bauten ihre Produktionsstandorte aus und verlagerten Teile ihrer Lieferketten nach Brasilien. (Business Insider Deutschland, 2019). Durch das Mercosur-Freihandelsabkommen und dem Beitritt Brasiliens zum WTO-Abkommen sollen langfristig Zölle und Handelshemmnisse abgebaut werden, zugleich wird ausländischen Firmen der Zugang zum brasilianischen Beschaffungsmarkt erleichtert (Schmidli & Baha, 2020).
Durch das Wirtschaftswachstum entwickelten internationale Logistikfirmen mit lokalen Unternehmen neueglobale Transportinfrastrukturen, um der steigenden Transportnachfrage gerecht zu werden und um auf das bestehende korrupte Angebot nicht eingehen zu müssen (Ingram Micro Commerce & Lifecycle Services, n.d.). Die anhaltende Pandemie hat für einen Weiterentwicklungsboom der «Industrie 4.0» gesorgt, in den Bereichen der Logistik und des Vertriebes in internationalen Branchen, wie der Automobil-, Maschinen- und der Fertigungsindustrie, ist dieses Potential langfristig zu nutzen. Diese wichtige Weiterentwicklung macht Prozesse transparenter und ermöglichen ein neues sicheres Handeln. (Ivanov et al., 2020). Aufgrund des starken Anstieges an international ausgerichteten Unternehmen innerhalb Brasiliens konnten bereits einige global übergreifende Produktionsnetzwerke etabliert und internationale Standards wie bspw. Lieferketten und Rechenschaftsgesetze im Vertrieb verankert werden und die Korruptionsbekämpfung unterstützten (Depping, 2015; Scholvin et al., 2017).
Korruption wird in Lateinamerika als grösstes Problem angesehen, wobei Brasilien einen Korruptionsindex von 38 aufweist und auf Platz 94 des internationalen Rankings liegt (Transparency International Deutschland e.V., 2021). Die Pandemie hat Brasilien schwer getroffen, woraufhin die «Ausnahmezustandsregelung» zu Beginn ausgerufen wurde, so dass es zu Verzögerungen in den Produktions- und Lieferketten kam und korruptes Vorgehen dadurch deutlich mehr auftreten konnte (Schmidli & Baha, 2020). Ein weiteres Risiko stellt die mangelhafte nationale Infrastruktur dar. Zwar haben grosse internationale Logistikfirmen in Brasilien ein globales Netzwerk etablieren können, jedoch umfasst dieses nicht den nationalen Güterverkehr. Um die Logistik- und Vertriebsketten langfristig gewährleisten zu können, müssen Investitionen in den nationalen Schienen- und Landverkehr vorgenommen werden. (Illerhaus, 2021). Herausfordernd für den Logistik- und Vertriebsbereich sind bestehende Kartelle und Frachtdiebstähle, die die Transportsicherheit und -verlässlichkeit aus dem Gleichgewicht bringen und Firmen viel Geld kosten, sei es, um geeignete Sicherheitsvorkehrungen zu treffen oder um neue Transportwege zu finden (Neumann, 2020).
Fast die Hälfte aller weltweit produzierten Autos, sowie Milliarden von Spritzen- und Getränkeverschlüssen sind mit Komponenten des schweizerischen Unternehmens Dätwyler Holding AG ausgestattet. Heute produziert die Gruppe weltweit Elastomerkomponenten für den Medizinal- und Lebensmittelbereich, die Automobilbranche und die Öl-/Gasindustrie (Dätwyler Holding AG, 2021). 2018 übernahm Dätwyler das brasilianische Unternehmen Bins Indústria de Artefatos de Borracha Ltda. mit Sitz in São Leopoldo, erschloss dadurch einen wichtigen Standort und konnte sich den essenziellen Zugang zur südamerikanischen Automobilindustrie sichern (Dätwyler Holding AG, 2018). Die Dätwyler nimmt sich aktiv dem Problem der Korruption an und ist sich der Problematik im Auslandsmarkt bewusst. So haben sie internationalen Standards angenommen und die Korruptionsbekämpfung im Nachhaltigkeitsbericht verankert. Damit die Standards auch innerhalb ihrer Liefer- und Vertriebsketten eingehalten werden, muss jeder Partner dem Verhaltenskodex der Dätwyler zustimmen. Des Weiteren werden Mitarbeitern und Lieferanten-/Vertriebspartnern Compliance Anlaufstellen angeboten, an die man sich im Verdachtsfall anonym wenden.
Durch eigene Vertriebsnetzwerke und Logistikinnovationen kann den Kapazitätsgrenzen, hohen Transportkosten und der schlechten Infrastruktur entgegengewirkt werden. Ebenso könnte eine Zusammenarbeit mit globalen Netzwerken eine langfristige Kooperation darstellen und das Wachstum optimal fördern. Es helfen internationale Gesetze und Abkommen, um den Informationsasymmetrien entgegenzuwirken. Zudem können Innovationen und Fortschritte in der «Industrie 4.0» genutzt werden, um Korruption, Kriminalität und Kartelle ausschalten zu können. (Ivanov et al., 2020; Neumann, 2020; Scholvin et al., 2017).
Laura Weitzel - Studierendenbeitrag
Literaturverzeichnis
Business Insider Deutschland. (2019, June 29). Mit diesem Riesen-Markt könnte die deutsche Automobilindustrie die sinkenden Absätze in China kompensieren. https://www.businessinsider.de/wirtschaft/dieser-markt-koennte-sinkende-auto-absaetze-in-china-kompensieren-2019-6/
Dätwyler Holding AG. (2018, September 3). Dätwyler vollzieht den Kauf von Bins im Konzernbereich Sealing Solutions. https://datwyler.com/de/media/news/vollzug-kauf-bins
Dätwyler Holding AG. (2021). Unternehmen. https://datwyler.com/de/unternehmen
Depping, A. (2015). CSR in internationalen Lieferverträgen: Möglichkeiten und Grenzen der Vereinbarung von CSR-Regelungen in der Lieferkette. In D. Walden & A. Depping (Eds.), CSR und Recht. Management-Reihe Corporate Social Responsibility (pp. 125–142). Springer Gabler. https://doi.org/10.1007/978-3-662-44119-0_6
Illerhaus, J. (2021, March 30). Lateinamerikas Infrastruktur hat Nachholbedarf. https://www.gtai.de/gtai-de/trade/branchen/bericht-wirtschaftsumfeld/lateinamerika/lateinamerikas-infrastruktur-hat-nachholbedarf-588564
Ingram Micro Commerce & Lifecycle Services. (n.d.). Logistik für den brasilianischen Markt. Retrieved April 11, 2021, from https://marketfinder.thinkwithgoogle.com/intl/de_ch/guide/ingram-brazil-guide/#overview
Ivanov, D., Tang, C. S., Dolgui, A., Battini, D., & Das, A. (2020). Researchers’ perspectives on Industry 4.0: multi-disciplinary analysis and opportunities for operations management. In International Journal of Production Research. Taylor and Francis Ltd. https://doi.org/10.1080/00207543.2020.1798035
Jonker, J., Stark, W., & Tewes, S. (2011). Corporate Social Responsibility und nachhaltige Entwicklung. Einführung, Strategie und Glossar. Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-642-14689-3
Neumann, M. (2020, July 13). Brasiliens Logistiksektor steht vor großen Umwälzungen. https://www.gtai.de/gtai-de/meta/ueber-uns/was-wir-tun/schwerpunkte/digitalisierung/brasiliens-logistiksektor-steht-vor-grossen-umwaelzungen-275784#toc-anchor--5
Schmidli, V., & Baha, A. (2020). Brasilien. Länderfiche - November 2020. https://www.seco.admin.ch/dam/seco/de/dokumente/Aussenwirtschaft/Wirtschaftsbeziehungen/L%C3%A4nderinformationen/
Lateinamerika/brasilien.pdf.download.pdf/Brasilien.pdf
Scholvin, S., Françoso, M., Breul, M., Mello, P., Serra, M., Borges, A., & Bastos, P. (2017). Plugging into global production networks: density, distance, division and the local context of Brazil’s oil and gas sector. Texto Para Discussão. Unicamp. IE, Campinas, 317.
Terlau, W. (2018). Verantwortungsvolles Wirtschaften für eine nachhaltige Entwicklung. In A. Gadatsch, H. Ihne, J. Monhemius, & D. Schreiber (Eds.), Nachhaltiges Wirtschaften im digitalen Zeitalter (pp. 63–74). Springer Gabler. https://doi.org/10.1007/978-3-658-20174-6_5
Transparency International Deutschland e.V. (2021). Korruptionswahrnehmungsindex 2020. https://www.transparency.de/cpi/?L=0
Weber-Berg, C. (2010). Werte und Wertschöpfung. Ethik in Unternehmensführung und Management. https://www.entrepreneurclub.ch/fileadmin/news/2_Entrepreneur_Clubabend_Dr_Weber.pdf