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Foto von Alex Plesovskich auf Unsplash

Nach­hal­tig­keit der Ta­bak­in­dus­trie in Bra­si­li­en?

Der Tabakanbau hat in Brasilien eine lange Tradition. So sind die klimatischen Gegebenheiten für die Pflanze optimal und das Knowhow im Anbau hat sich über Jahre etabliert. Daher hat auch die weltweit bekannte Zigarrenmarke «Dannemann» ihre Anfänge in Brasilien. Vor über 150 Jahren durch den Deutschen Geraldo Dannemann gegründet, agiert das Unternehmen mittlerweile international. Dannemann besitzt eigene Plantagen in Südamerika und Asien sowie traditionelle Fertigungsbetriebe auf der ganzen Welt. Ihre Produkte sind in über 60 Ländern erhältlich (Dannemann, 2023).

Einstellung Brasilien gegenüber der Tabakindustrie

Brasilien zählt hinter China als grösster Tabakproduzent auf der Welt. Nur schon im Süden des Landes sind mehr als 220'000 Familien direkt an der Tabakkultivierung involviert. Die Tabakernte ist sehr aufwändig und geschieht in mühsamer und ungesunder Handarbeit (Kägi, 2010). Die Tabakblätter setzen bei der Berührung eine beträchtliche Menge an Nikotin ab, was bei fehlender Schutzkleidung zu einer Nikotinvergiftung führen kann. Daher ist es umso wichtiger, dass die Landarbeiter auf den Plantagen durch Regulatoren geschützt sind (Fassa et al., 2014). Trotzdem ereignen sich die meisten tabakbedingten Todesfälle in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, die oft intensiv durch die Tabakindustrie beeinflusst werden (WHO, 2022).

Veränderung des Tabakkonsums

Auch wenn Dannemann auf eine lange Tradition zurückblickt, stellt sich die Frage, wie das Unternehmen auf die Veränderung des Tabakkonsums reagiert. So ist bekannt, dass der Tabakkonsum schwere gesundheitsschädliche Folgen mit sich bringt und gemäss der WHO (2022) die weltweit grösste Bedrohung für die öffentliche Gesundheit darstellt. Jährlich sterben über acht Millionen Menschen an den Folgen des Tabakkonsums. Zudem hat sich der Konsum konventioneller Tabakprodukte wie Zigaretten, Zigarren, Zigarillos oder Pfeifen verändert. Neue Tabakalternativen wie Shishas, Tabakerhitzer und E-Zigaretten sind besonders bei den jungen Konsumenten beliebt und zeigen eine Steigerung im Konsum (Kraus et al., 2022). Die Tabakindustrie probiert, als verantwortungsbewusster Teil der Lösung des selbst verursachten Tabakproblems mit weniger schädlichen Produkten aufzutreten. Doch genauer betrachtet, haben die Tabakunternehmen nicht im Sinn, klassische Zigaretten wirklich untergehen zu lassen. So investieren Sie grosse Beträge in die Aufrechterhaltung der konventionellen Zigaretten (Barben et al., 2019).

Zudem ist auch eine Veränderung in der Regulierung des Konsums spürbar. Beispielsweise in der Schweiz setzt die Tabakpräventionspolitik des Bundes Rahmenbedingungen, die ein rauchfreies Leben fördern. Mit der Abstimmung vom 13. Februar 2022 bestimmte das Schweizer Stimmvolk, dass jegliche Tabakwerbung, welche Kinder und Jugendliche erreichen kann, verboten ist (BAG, 2023).

Auch der Konsument selbst steht unter negativer Beobachtung. Die Thematik des Passivrauchens wird heiss diskutiert (Reuband, S. 336, 2019). Der weltweite Druck veranlasste Tabakunternehmen dazu, Initiativen zur Corporate Social Responsibility (CSR) zu ergreifen. So wird aktiv über die Gesundheitsrisiken informiert und das Thema Nachhaltigkeit hervorgehoben (Nara, 2019).

Normen und Werte der Tabakindustrie

Die Tabakindustrie investiert viel, damit sie in punkto Nachhaltigkeit Verbesserungen erzielen kann. Dies vor allem, um ihr Image zu stärken. Die International Tobacco Growers’ association (ITGA) hebt dazu die drei Umweltsphären hervor. Zum sozialen sowie ökologischen Bereich gehören die Ausbildung der Bauern und die Sensibilisierung für den Umgang mit der Natur, Alternativen in Bezug auf Energiequellen aufzuzeigen und das Thema Holz sowie Aufforstung voranzutreiben. Nichts desto trotz stellt sich die Frage, warum überhaupt Tabak angebaut wird, wenn er doch so verfochten ist. Hier kommt der wirtschaftliche Aspekt dazu – die Regionen der Entwicklungsländer haben oft keine grosse Auswahl, womit sie ihr Geld verdienen. Da Tabak auf marginalen Böden gut wächst, gilt er als verlässliche Einnahmequelle. Ein weiterer Punkt, welcher für den Tabakanbau spricht ist, sind die technischen Voraussetzungen vor Ort. Tabak kann über mehrere Wochen gelagert werden, und dies ohne Kühlung (ITGA, o. D.) Seitens Dannemann wird die Natur als wichtige und schützenswerte Ressource positioniert. Dazu wurde auch das «Adopt a Tree Programm» ins Leben gerufen. Damit zeigt sich der Tabakriese als Vorbild in der Region Mata Fina (Brasilien) und forstet aktiv neue Bäume auf. Nebst der Natur sind die Mitarbeitenden das bedeutendste Gut der Unternehmung. Permanentes Lernen, möglichst guter Schutz und professionelle Weiterentwicklung werden daher gefördert. (Dannemann, 2023).

Produktionsprozess

Der Produktionsprozess ist mit viel Geduld verbunden. Die Tabakpflanze wird durch Dannemann als wertvolles Gut dargestellt, welche zu einem edlen Genussmittel verarbeitet wird. Von einer Abhängigkeit wird dabei nie gesprochen. Mit dem Claim «From Seed to Smoke» zeigt Dannemann (2023), wie der Produktionsprozess in ihren Gewächshäusern startet und dann durch die Plantagen weiter zur Trocknung bis zum finalen Produkt verarbeitet wird. Dabei hebt das Unternehmen aktiv die nachhaltigen Aspekte wie die natürlichen Rohstoffe und die verankerte Tradition hervor, und vernachlässigt die gesundheitsschädlichen Punkte in ihrer Kommunikation komplett. Einzig der Hinweis auf der Startseite für den Einsatz eines verantwortungsbewussten Umgangs mit Tabakprodukten sowie die Sicherstellung, dass der Nutzer über 18 Jahre ist, werden gezeigt.

Trotz allem ist die Abhängigkeit an die Tabakindustrie einzelner Staaten immer noch gross und die Industrie geniesst entsprechende Verhandlungskraft und Lobby.

Sina Kuratli - Studierendenbeitrag


Literaturverzeichnis

Barben, J., Schuurmans, M., Zürcher, A., Kaelin, R., Schmid, T., Stambach, D., Hammer, J., Pedrazzini, G., Nicod, L., (2019). Harm reduction – keine wirksame Strategie zur Tabakbekämpfung. https://doi.org/10.4414/saez.2019.18056

Bundesamt für Gesundheit. (2023). Abgerufen am 24. März 2023, von https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/strategie-und-politik/politische-auftraege-und-aktionsplaene/politische-auftraege-zur-tabakpraevention/tabakpolitik-schweiz/werbeeinschraenkungen.html

Dannemann. (2023). Abgerufen am 24. März 2023, von https://www.dannemann.com/de

Fassa, A. G., Faria, N. M. X., Meucci, R. D., Fiori, N. S., Miranda, V. I., Facchini, L. A., (2014). Green Tobacco Sickness AmongTobacco Farmers in Southern Brazil. https://doi.org/10.1002/ajim.22307

ITGA. (o. D.). Abgerufen am 24. Mär. 2023, von https://www.tobaccoleaf.org/sustainability/environmental-impact/

Kägi, M., (2010). Kinderarbeit beim Tabakanbau: Leiden für Zigarettenraucher. Abgerufen am 25.3.2023, von https://www.srf.ch/sendungen/kassensturz-espresso/themen/konsum/kinderarbeit-beim-tabakanbau-leiden-fuer-zigarettenraucher

Kraus, L., Möckl, J., Lochbuehler, K., Rauschert, C, (2022). Entwicklung des Konsums von Tabak, alternativen Tabakprodukten und Tabakalternativen in Deutschland. https://doi.org/10.3238/arztebl.m2022.0252

Nara, E. O. B., Gelain, C., Moraes, J. A. R., Benitez, L. B., Schaefer, J. L., Baierle, I. C., (2019). Analysis of the sustainability reports from multinationals tobacco companies in southern Brazil. https://doi.org/10.1016/j.jclepro.2019.05.399

Reubrand, K.H., (2019). Tabakkonsum und öffentliche Meinung. https://doi.org/10.1007/s11577-019-00626-6

WHO. (2022). Tobacco – Key Facts. Abgerufen am 25.3.2023, von https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/tobacco

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