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Ar­muts­be­kämp­fung in der Ka­kao­in­dus­trie

Weltweit wird über 90 Prozent des Kakao von Kleinbäuerinnen und -bauern aus Familienbetrieben angebaut. Der Kakaoanbau ist eine arbeitsintensive Aufgabe und erfordert viel Handarbeit, ständige Aufmerksamkeit und Pflege. (Make Chocolate Fair, k.D., c) Eine Kombination aus tiefen Kakaopreisen, kleinen Farmen mit niedriger Produktivität und hohen Kosten für den Unterhalt gibt ein sehr bescheidenes Einkommen. Für die meisten dieser Bäuerinnen und Bauern ist der Kakao die wichtigste und einzige Einnahmequelle, weshalb viele von ihnen unter der Armutsgrenze leben. (Make Chocolate Fair, k.D., a; Fountain & Huetz-Adams, 2020)

Aufgrund der ungenügenden finanziellen Mittel können es sich die Kakaobäuerinnen und -bauern oft nicht leisten erwachsene Arbeitskräfte einzustellen, weshalb Kinder im Familienbetrieb mitarbeiten müssen. Laut Unicef wird 99% der Kinderarbeit im familiären Umfeld betätigt. (Make Chocolate Fair, k.D., b; Jordan, 2021) In Peru ist die Kinderarbeit grundsätzlich verboten aber die grosse Armut in gewissen Teilen der Bevölkerung führt dazu das 34% der Kinder zur Arbeit gezwungen sind, um die Familien zu unterstützen. (Humanium, k.D.) Es wäre surreal zu denken, dass dies auf Kakaofarmen anders ist. Die hohe Korruption in Peru erschwert eine genaue Kontrolle oder Einschätzung des Ausmasses zusätzlich, da Kinderarbeit versteckt durchgeführt wird. (Make Chocolate Fair, k.D., b)


Das grundsätzliche Problem der Armut ist schon länger bekannt. Das Harkin-Engel-Protokoll, welches vor 20 Jahren gestartet wurde, wollte dies unterbinden. Da der Deal zwischen den grossen Hersteller verschiedenen US-Behörden und NGOs auf Freiwilligkeit basierte, wurde die Überwachung nicht konsequent eingehalten und die Hersteller sahen sich nicht gezwungen wirklich Grundlegendes zu ändern. So wurden verschiedene Deadlines zur Besserung verpasst und bis heute ist das Problem alles andere als gelöst. (Public Eye, k.D.)

Die Selbstregulierung der Hersteller ist also gescheitert. Zurückgehalten werden die Fortschritte vor allem durch die Unfähigkeit den Kakaobäuerinnen und -bauern faire Entschädigungen von den riesigen Profiten zu bezahlen. (Public Eye, k.D.)


Die biologische Vielfalt in Peru hilft beim Anbau von Edel und Bio-Kakao, was zu einem Boom in der peruanischen Kakaoindustrie geführt hat. Peru ist somit zum siebt grössten Kakaoexporteur und zum grössten Exporteur von Bio-Kakao herangewachsen. (Fountain & Huetz-Adams, 2020; Myers, 2019)

Die Bäuerinnen und Bauern setzen immer vermehrt auch auf sogenannte Agroforstsysteme, um ihre Flächen besser zu nützen. Die Kakaopflanze wird nicht in einer Monokultur, sondern mit anderen Pflanzen gehalten, was die Böden dauerhaft fruchtbar macht. Die zusätzlichen Pflanzen können zudem als Quelle für Nahrung oder Holz dienen und sind somit eine weitere Einnahme Möglichkeit. Sie diversifizieren und vergrössern somit ihr Einkommen und können zudem auch noch auf Dünger und Pestiziden verzichten. (Wielgoss, 2020)

Durch höhere Qualität, Diversifikation des Anbaus und höhere Preise des Bio-Kakao können diese Kakaobäuerinnen und -bauern ein besseres Leben finanzieren und die Kinder zur Schule gehen.


Barry Callebaut, der grösste Kakaoverabeiter Schweiz- und Weltweit, versucht sich aktiv mit den Problemen in der eigenen Wertschöpfungskette auseinander zu setzen. Mit der Initiative «Forever Chocolate» wollen sie bis 2025 eine nachhaltige Produktion zur Norm zu machen. Dazu dienen vier Ziele: (Barry Callebaut, 2017)

  1. 500'000 Bäuerinnen und Bauern aus der Armut befreien
  2. Eliminierung von Kinderarbeit in der kompletten Wertschöpfungskette
  3. Positive Bilanz bezüglich CO2-Emissionen und Abholzung
  4. 100% Nachhaltige Zutaten in allen Produkten

Zu ähnlichen Zielen haben sich weitere grosse Hersteller verpflichtet, doch die Umsetzung beruht wie bei Barry Callebaut auf einem marktgetriebenen Lösungsansatz. Die Armut wird anstatt durch fairere Kakaopreise mit einer grösseren Produktivität der Bäuerinnen und Bauern bekämpft. Durch eine höhere Produktivität könnten grössere Ernten erzielt werden, was wiederum zu grösseren Einnahmen führt. Dazu lanciert Barry Callebaut verschiedene Ausbildungsprogramme für die Bäuerinnen und Bauern, um die richtigen Voraussetzungen für eine produktivere Bewirtschaftung zu schaffen. (Barry Callebaut, k.D.) Solche Lösungsansätze zielen in erster Linie auf die Sicherung der eigenen Rohstoffe ab. Zusätzlich erhöht dies den Druck auf dem Markt und damit auf die Bäuerinnen und Bauern, den höhere Produktivität führt zu einem grösseren Ernteertrag, was wiederum zu einem grösseren Preiskampf führt was sich Schlussendlich negativ auf den Kakaopreis ausübt. (Fountain & Huetz-Adams, 2020)


Der Glaube in die Industrie arg gesunken. Staaten sind gezwungen die Probleme selbst in Angriff zu nehmen. Einige Anbau Länder haben einen minimalen Tarif für Kakaopreise lanciert, damit die Bäuerinnen und Bauern die Kluft zwischen dem Einkommen des Kakaoverkauf und einer Lebensgrundlage verkleinern können. Regulationen sind aber nicht nur in den Anbaugebieten Thema. In Holland wurde ein Gesetz zur Bekämpfung der Kinderarbeit verabschiedet, welches die Unternehmen zu einer genaueren Sorgfaltsprüfung zwingt. (Public Eye, k.D.) Eine ähnliche Initiative, die Konzernverantwortungsinitiative, wurde in der Schweiz nur dank dem Ständemehr knapp abgelehnt. Die Verantwortung der Konzerne ist demnach auch bei den Konsumenten ein wichtiges Thema. (BFS, 2020) Darum reagiert gezwungenermassen auch die Branche mit positiven Signalen und setzt sich ambitioniertere Ziele, wie Barry Callebaut mit der «Forever Chocolate» Initiative. (Public Eye, k.D.)

Colin Lüönd - Studierendenbeitrag


Literaturverzeichnis

Barry Callebaut. (2017). Unterwegs zu 100% nachhaltiger Schokolade bis 2025. Abgerufen am 1. März 2021 von https://www.barry-callebaut.com/sites/default/files/2019-01/forever_chocolate_de_0.pdf

Barry Callebaut. (k.D.). Forever Chocolate: our plan to make sustainable chocolate the norm. Abgerufen am 25. März 2021 von https://www.barry-callebaut.com/en/group/forever-chocolate-our-plan-make-sustainable-chocolate-norm

BFS. (29. November 2020). Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt». Abgerufen am 8. April 2021 von admin.ch: https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/abstimmungen/20201129/volksinitiative-Fur-verantwortungsvolle-unternehmen-zum-schutz-von-mensch-und-umwelt.html

Fountain, A. C., & Huetz-Adams, F. (2020). Cocoa Barometer 2020. Abgerufen am 30. März 2021 von https://www.voicenetwork.eu/wp-content/uploads/2021/03/2020-Cocoa-Barometer-EN.pdf

Humanium. (k.D.). Kinder in Peru: Die Verwirklichung der Kinderrechte in Peru. Abgerufen am 5. April 2021 von https://www.humanium.org/de/peru/

Jordan, G. (03. März 2021). «Die Industrie hat das Problem damals unterschätzt»: Kakao-Experte von Nestlé räumt Versäumnisse bei der Bekämpfung von Kinderarbeit ein. Abgerufen am 25. März 2021 von Luzerner Zeitung: https://www.luzernerzeitung.ch/wirtschaft/hintergrund-wir-haben-das-problem-damals-unterschaetzt-kakao-experte-von-nestle-raeumt-fehler-bei-der-bekaempfung-von-kinderarbeit-ein-ld.2106786

Make Chocolate Fair. (k.D., a). Kakaopreise und Einkommen für Kakaobauern. Abgerufen am 5. April 2021 von https://de.makechocolatefair.org/themen/schwankende-kakaopreise-und-geringes-einkommen-der-kleinproduzentinnen

Make Chocolate Fair. (k.D., b). Kinderarbeit im Kakaoanbau. Abgerufen am 5. April 2021 von http://de.makechocolatefair.org/themen/menschen-und-arbeitsrechtsverletzungen

Make Chocolate Fair. (k.D., c). Kakaoproduktion: ein Überblick. Abgerufen am 5. April 2021 von https://de.makechocolatefair.org/themen/kakaoproduktion-ein-uberblick

Myers, A. (9. Juli 2019). Peru cocoa: a new journey. Abgerufen am 28. März 2021 von Confectionery News: https://www.confectionerynews.com/Article/2019/07/09/Peru-cocoa-a-new-journey

Public Eye. (k.D.). Kinderarbeit auf Kakaoplantagen: Zwei verlorene Jahrzehnte. Abgerufen am 05. April 2021 von https://www.publiceye.ch/de/themen/agrarrohstoffhandel/kinderarbeit-auf-kakaoplantagen-zwei-verlorene-jahrzehnte

Wielgoss, A. (2020). Kakaoanbau in Peru: Regenwaldschutz, Fairer Handel und echter Genuss. Abgerufen am 3. April 2021 von Weltladen Dachverband: https://www.weltladen.de/ueber-weltlaeden/kundenmagazin/reportage/kakao/