Was ist Net-Zero?
Beim Net-Zero Supply Chain Management geht es um das Design und Management von Wertschöpfungsnetzwerken, auf eine Art, welche die Emission von Treibhausgasen (Greenhouse Gas) reduziert oder vollständig eliminiert. Dabei wird der gesamte Lebenszyklus der Produkte oder Dienstleistungen in Betracht gezogen, die in einer Supply Chain hergestellt und vertrieben werden. Zu den Treibhausgasen gehören insbesondere CO2, Methan und Distickstoffmonoxid.
Wieso ist Net-Zero wichtig?
Der Klimawandel hat bereits heute grosse Auswirkungen auf Natur und Mensch. Um die schlimmsten Auswirkungen zu vermeiden, muss die Erhöhung der durchschnittlichen Temperatur auf 1.5 Grad Celsius gegenüber Vor-Industriellen Zeiten limitiert werden. Bereits heute ist es aber 1.1 Grad Celsius wärmer, als im späten achtzehnten Jahrhundert. Um die Überschreitung des Temperaturanstiegs zu vermeiden, müssen nach übereinstimmender Meinung von ExpertInnen die Emissionen von Treibhausgasen bis 2030 um 45% reduziert werden und das Net-Zero Ziel muss bis 2050 erreicht werden. Dies wurde 2015 an der Pariser Klimakonferenz "COP21" in einem Klimaabkommen festgehalten und die Umsetzung dieses Abkommens wird auch als essenziell angesehen, um die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen (UN SDG) zu erreichen.
Welchen Einfluss haben Supply Chains?
Das Erreichen von Net-Zero ist eine immense Herausforderung für unsere Gesellschaft und unser Wirtschaftssystem. Die Art wie wir konsumieren, produzieren und bewegen muss grundlegend verändert werden. Rund 3/4 der Treibhausgas Emissionen stammen aus dem Energiesektor. Die Umstellung auf erneuerbare Energiequellen wie Photovoltaik (Solar), Wind, Wasser etc. ist deshalb zentral für den Erfolg. Aber auch die Art und Weise, wo Energie in welcher Menge genutzt wird, ist ein wesentlicher Hebel zur Erreichung des Ziels - und Unternehmen, bzw. die Supply Chains, in denen Unternehmen miteinander verbunden sind, spielen dafür eine essenzielle Rolle.
Das World Economic Forum WEF hat gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen Boston Consulting Group BCG einen sehr lesenswerten Report unter dem Titel "Net-Zero Challenge: The Supply Chain Opportunity" verfasst. in dem Bericht wird u.a. beschrieben:
- wie die "Decarbonization" von Supply Chains den Beitrag von Unternehmen zur Erreichung des Net-Zero Ziels vervielfachen kann,
- wie die Supply Chains von acht Branchen für 50% der globalen Emissionen verantwortlich sind (Lebensmittel, Bau, Mode, Konsumgüter, Elektronikartikel, Automobile sowie Transportleistungen) und wie ein signifikanter Teil dieser Emissionen direkt oder indirekt von einer kleinen Zahl von Unternehmen kontrolliert wird.
- dass die Umstellung von Supply Chains auf Net-Zero die Preise für KonsumentInnen kaum erhöhen würde. Mittelfristig wird mit einer Erhöhung der Preise für Endkonsumentinnen im Bereich von 1 - 4% gerechnet.
- dass selbst führende Unternehmen Herausgefordert sind, die richtigen Daten zu beschaffen, um Ziele und Standards für ihre Supply Chain Partner (Lieferanten) zu setzen.
Wie werden Treibhausgas Emissionen gemessen?
Wesentlich für die Erreichung des Net-Zero Ziels ist die Sichtbarkeit der tatsächlich in einer Supply Chain produzierten Emissionen. Denn was man messen kann, kann man managen. Dazu wurde im GHG Protocol Corporate Standard das Scope-Konzept eingeführt:
- Scope 1 = direkte Emissionen eines Unternehmens aus Energieträgern an eigenen Standorten (Gas, Brennstoffe, Kühlmittel, Heizkessel, Öfen) sowie eigenen Fahrzeugen (Autos, LKW, etc.)
- Scope 2 = indirekte Emissionen aus eingekaufter Energie (eingekaufter Strom, Wasserdampf, Fernwärme und -kälte der ausserhalb des eigenen Unternehmens hergestellt, aber vom Unternehmen verbraucht wird)
- Scope 3 = indirekte Emissionen innerhalb der Wertschöpfungskette/Supply Chain (alle restlichen Emissionen entlang der Supply Chain die nicht vom Unternehmen direkt kontrolliert werden. Dazu gehören vorgelagerte Emissionen die mit bei Lieferanten eingekauften Waren und Dienstleistungen zusammenhängen und nachgelagerte Emissionen die im Zusammenhang mit der Distribution, bzw. Verkauf von Produkten und Dienstleistungen in Zusammenhang stehen).
Welche Vorteile hat Net-Zero für Unternehmen?
Die Umsetzung einer Net-Zero Strategie ist für Unternehmen zur Zeit nicht vorgeschrieben und das Reporting von Scope 3 Emissionen ebenfalls nicht. Aber mehr als 70 Länder und über 3'000 Unternehmen haben ihre Absicht erklärt, Net-Zero zu erreichen. Auch Städte, Bildungseinrichtungen und Finanzunternehmen haben sich zum "Race to Zero" bekannt. Trotzdem sagt die UNO, dass wir nach heutigem Stand (2022) die Klimaziele nicht erreichen werden, da die Verpflichtungen von Staaten zu wenig weit gehen. Tatsächlich sieht es so aus, dass die Emissionen 2030 im Vergleich zu 2010 sogar 11% höher sein werden.
Durch die bisherigen staatliche Massnahmen werden die Klimaziele folglich nicht erreichbar sind. Um so wichtiger, dass wir als KonsumentInnen beginnen, bewusste Entscheidungen bei der Auswahl von Produkten und Dienstleistungen zu treffen. Aber auch höchste Zeit, dass Unternehmen solche Konsumentscheidungen möglich machen, indem sie entsprechende Geschäftsmodelle, Produkte, Dienstleistungen und Supply Chains entwerfen. Die Ansätze der Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) spielen hierfür eine wichtige Rolle.
Unternehmen, die eine Net-Zero Strategie verfolgen, können eine Vielzahl von Vorteilen daraus realisieren, sowohl kurzfristig wie auch mittel- und langfristig. Dazu gehören u.a.:
- Reduktion von Kosten
- Verbesserung der Effizienz
- Steigerung der Reputation
- Stärkung der Wettbewerbsposition
- Minimierung von Risiken
- Einhaltung von Gesetzen die bereits heute existieren oder in Zukunft in Kraft treten werden.
Was können Unternehmen tun um Net-Zero zu erreichen?
Im gemeinsam vom WEF und BCG verfassten Bericht wird Unternehmen 9 Initiativen empfohlen, um den Weg zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Supply Chain zu erreichen:
- Datenbasis schaffen (Emission Baseline) und mit Daten von Lieferanten/Supply Chain Partnern anreichern
- Ambitionierte und umfassende Reduktionsziele setzen
- Produkt Designs überprüfen und ggf. anpassen (bis zu 80% der Emissionen in einer Supply Chain werden durch Entscheidungen beim Design von Produkten bestimmt)
- Beschaffungsstrategie überprüfen und ggf. anpassen
- Ambitionierte Standards für den Einkauf festlegen
- Mit Lieferanten zusammenarbeiten um Reduktions-Hebel gemeinsam zu finanzieren
- Mit Mitbewerbern (Peers) zusammenarbeiten, um branchenweite Ziele und Standards zu etablieren und das "Spielfeld" für alle Unternehmen in der Branche gleich zu gestalten bezüglich Emissionen
- Skaleneffekte nutzen, um die Kosten von Treibhausgas-Lösungen zu reduzieren
- Interne Governance Mechanismen etablieren, die Emissionen als einen Steuerungsmechanismus einführen und (finanzielle) Anreize für das Management mit Emissionszielen verbinden.
Was können Sie tun, um Net-Zero zu erreichen?
Zum einen können Sie Ihre Kaufentscheidungen bzw. Konsumentscheidungen kritisch überprüfen. Brauchen Sie jedes Jahr ein neues Handy oder kann Ihr bisheriges seinen Dienst noch eine Weile tun? Können Sie ein defektes Produkt reparieren lassen statt es zu entsorgen? Und wenn Sie etwas neues kaufen, können Sie Zeit investieren, um die Supply Chain des Produkts und seine Auswirkungen auf die Umwelt zu verstehen.
Auf der anderen Seite können Sie aber auch die Zukunft von nachhaltigen Supply Chains aktiv mitgestalten. Unternehmen in allen Branchen suchen intensiv nach Talenten mit den nötigen Fähigkeiten. Diese können Sie beispielsweise berufsbegleitend im Bachelor in Digital Supply Chain Management Studium an der FH Graubünden erwerben, besonders wenn Sie die Vertiefung in "Sustainable Supply Chain Management & Product Development" wählen.
Quellen:
https://www.un.org/en/climatechange/net-zero-coalition
https://www.weforum.org/reports/net-zero-challenge-the-supply-chain-opportunity/
https://www2.deloitte.com/uk/en/focus/climate-change/zero-in-on-scope-1-2-and-3-emissions.html
https://www.climatepartner.com/de/climate-action-insights/scope-emissionen-reduzieren