{"id":732,"date":"2012-06-18T13:05:31","date_gmt":"2012-06-18T11:05:31","guid":{"rendered":"http:\/\/blog.informationswissenschaft.ch\/?p=732"},"modified":"2012-06-18T13:05:31","modified_gmt":"2012-06-18T11:05:31","slug":"privacy-is-dead-long-live-big-brother-nadja-boller","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/blog.fhgr.ch\/dis\/privacy-is-dead-long-live-big-brother-nadja-boller\/","title":{"rendered":"Privacy is Dead \u2013 Long Live Big Brother!? (Nadja B\u00f6ller)"},"content":{"rendered":"

Im Rahmen des Master-Studiengangs Information Science<\/a> an der HTW Chur m\u00fcssen Studierende im vierten Semester unter anderem im Modul \"Informationsethik\" bei Prof. Rainer Kuhlen<\/a> als Teil des Leistungsnachweises zu einer These ein Essay verfassen. Wir stellen ausgew\u00e4hlte Essays aus dem vergangenen Fr\u00fchlingssemester 2012 in den n\u00e4chsten Tagen hier im Blog vor.<\/em><\/p><\/blockquote>\n

\u00a0<\/strong><\/div>\n

Essay zur Privatheit in elektronischen R\u00e4umen
\nim Modul Aktuelle Themen der Informationswissenschaft im Masterstudiengang Information Science der Hochschule f\u00fcr Technik und Wirtschaft (HTW) Chur
\nVerfasserin:\tNadja B\u00f6ller
\nChur, April 2012<\/p>\n

Privacy is Dead \u2013 Long Live Big Brother?!<\/strong><\/p>\n

Stellen wir uns vor, wir m\u00fcssten ab sofort auf Internetdienste wie Facebook, E-Mails, Twitter, Google etc. verzichten. Eine Reaktion w\u00e4re vielleicht: \u201eEndlich habe ich mehr Zeit, ich kann in Ruhe zu Hause ein Buch lesen und muss mich nicht mehr st\u00e4ndig dem Rauschen und der Ablenkung des Internets aussetzen.\u201c Das Recht, sich zur\u00fcckzuziehen (\u201ethe right to be left alone\u201c [1]) und in seinen eigenen vier W\u00e4nden ungest\u00f6rt das zu tun, was man will (Selbstbestimmung), ist ein Grundbed\u00fcrfnis des Menschen und deshalb im Sinne des Rechtes auf Privatheit auch in den Menschenrechten verankert. Doch sind wir ehrlich: Niemand von uns k\u00f6nnte sich vorstellen, ganz auf das Internet und all seine Anwendungen zu verzichten. Nach den Worten von Frank Schirrmacher w\u00fcrden wir sogar verhungern [2]. F\u00fcr ihn ist das Suchen und Konsumieren von Information wie die Nahrungssuche und deshalb \u00fcberlebenswichtig. Die digitale und virtuelle Kommunikation im Internet ist in unserer Informationsgesellschaft zentral. Tatsache ist, dass wir uns als Mitglieder der heutigen Informationsgesellschaft dieser Art von Kommunikation nicht mehr entziehen k\u00f6nnen. Die Grenzen zwischen \u00d6ffentlichkeit und einem privaten, abgegrenzten R\u00fcckzugsraum verschwimmen dabei zunehmend: Die freiwillige oder unfreiwillige Preis-gabe von pers\u00f6nlicher Information geh\u00f6rt zum Alltag; der Art, Information aus dem Kontext herauszubrechen und anderweitig zu verwerten, sind in technischer Hinsicht keine Grenzen gesetzt. Der Anspruch nach Privatheit in elektronischen R\u00e4umen wirft in diesen Kontexten zahlreiche Fragen auf. Nicht nur das Individuum der Informationsgesellschaft muss sich diesen herausfordernden Fragen stellen, sondern auch Akteure wie Staat und Wirtschaft, die jeweils eigene Interessen und Anspr\u00fcche verfolgen.
\nIm Sinne eines informationsethischen Diskurses m\u00f6chte ich folgend einen Trilog zwischen diesen Akteuren (Wirtschaft, Staat, Mensch) entwickeln: Wo sind welche Interessen? Wo treten Konflikte und Widerspr\u00fcche auf? Und schliesslich: K\u00f6nnen diese Widerspr\u00fcche mit informationsethischen Argumenten vielleicht gar aufgel\u00f6st werden?<\/p>\n

Der Staat: Sicherheit um jeden Preis<\/strong>
\n\u201eWer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.\u201c [3] Dieses Zitat von Benjamin Franklin zeugt von dem Dilemma, in welchem sich der Staat und staatliche Institutionen bei der Frage der Freiheit und Privatheit sehen. Der Schutz des B\u00fcrgers durch entsprechende Sicherheitsmassnahmen ist f\u00fcr den Staat zentral, aber auch der grundrechtlich verankerte Anspruch auf die Privatsph\u00e4re im Sinne des Datenschutzes muss durch den Staat gew\u00e4hrleistet werden. Die Grenzen zwischen Freiheit und Sicherheit haben sich in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend aufgel\u00f6st. Um die Sicherheit in einem Land garantieren zu k\u00f6nnen, braucht der Staat Transparenz. Transparenz ergibt sich durch \u00dcberwachung. \u00dcberwachung bedeutet das Sammeln und Auswerten von Daten. Daten zur Verf\u00fcgung stellen, heisst, Rechenschaft ablegen. Dies alles geschieht in der Regel auf einer gesetzlichen Grundlage: dass Daten nur zu bestimmten Zwecken (Kontext und Zweckbindung) verwendet und unter Ber\u00fccksichtigung des Verh\u00e4ltnism\u00e4s-sigkeitsprinzips verarbeitet werden d\u00fcrfen. Zahlreiche Beispiele zeigen immer wieder, dass die Grenzen beim Sammeln von Daten durch den Staat durch diese gesetzlichen Grundlagen nicht wirklich klar definiert sind. Terrorismusbek\u00e4mpfung erm\u00f6glicht pl\u00f6tzlich Vorratsdatenspeicherung oder gar Rasterfahndung, jeder ist potentiell ein Terrorist oder zumindest verd\u00e4chtig. Ein Pass ohne biometrische Merkmale bekommt man heute nicht mehr. Staatstrojaner haben in den letzten Jahren pl\u00f6tzlich einen Aufschwung erlebt und die gesetzlichen Grundlagen daf\u00fcr werden durch Staat und Politik sehr unscharf interpretiert. Diese wenigen ausgew\u00e4hlten Beispiele zeigen die zunehmende Entwicklung hin zu einem Schwarz-Weiss-Denken. Uns wird weisgemacht, dass terroristische Bedrohungen und In-ternetkriminalit\u00e4t heute v\u00f6llig allt\u00e4glich sind und deshalb kaum noch hinterfragt werden. Haben wir B\u00fcrger uns also schon zu sehr daran gew\u00f6hnt, dass der Staat unsere Freiheiten im Bereich der Privatsph\u00e4re und des Datenschutzes mit der Begr\u00fcndung der Sicherheit zu-nehmend einschr\u00e4nkt? Das Bezahlen mit Kreditkarte wird heute kaum von jemandem hinterfragt und ist je l\u00e4nger je mehr \u00fcberall m\u00f6glich. Die hitzigen Diskussionen vor ein paar Jahren um den gl\u00e4sernen Patienten sind in Vergessenheit geraten, die Krankenkassenkarten mit den entsprechend ausgestatteten Chips zum Lesen der Patientendaten sind Realit\u00e4t ge-worden. Die vielf\u00e4ltigen technologischen M\u00f6glichkeiten unterst\u00fctzen unsere teilweise angeborene Bequemlichkeit und Faulheit, Dinge nicht kritisch zu betrachten. Hellh\u00f6rig und vielleicht handlungsf\u00e4hig werden wir erst, wenn es negative pers\u00f6nliche Konsequenzen gibt. Das alles ist aber immer sehr subjektiv und somit relativ.
\nDie Frage nach zul\u00e4ssigen Grenzen der Freiheit und Privatheit, die der Staat setzen kann, l\u00e4sst sich nicht abschliessend beantworten. Aber das Dilemma zwischen Regulierung, \u00dcberwachung und Vertrauen des Staates in die B\u00fcrger zeigt sich klar: Herrscht kein Vertrauen und der Staat traut dem B\u00fcrger grunds\u00e4tzlich nur b\u00f6se Absichten zu, dann werden Kontrolle und \u00dcberwachung weiter versch\u00e4rft und der Anspruch auf Privatsph\u00e4re zunehmend eingeschr\u00e4nkt. Sehen wir aber im aufkl\u00e4rerischen Sinne die Gesellschaft als eine zum Wohle bestimmte Gemeinschaft, hat die Privatheit bessere Chancen, gegen autorit\u00e4re Handlungen durch den Staat gesch\u00fctzt zu werden. An dieser Stelle kommt auch die Verantwortung ins Spiel, sowohl von Seiten des Staates als auch des B\u00fcrgers selbst. Die oftmals durch die Medien gehypten Schreckensbilder des Terrors (\u201eAngst sells\u201c) und daraus abgeleiteten drohenden Konsequenzen f\u00fcr unsere Demokratien verunm\u00f6glichen eine ruhige und sachliche Auseinandersetzung mit pl\u00f6tzlich eingef\u00fchrten Gegenmassnahmen, wie anhand obiger Beispiele gezeigt wurde. Dass der Staat die Sicherheit als oberste Priorit\u00e4t setzen muss und dabei die Privatsph\u00e4re des B\u00fcrgers tangiert wird, ist unumstritten und l\u00e4sst sich mit den heutigen Gefahrenpotentialen und M\u00f6glichkeiten des Internets nicht einfach wegdenken. Doch schliesslich ist das Ausmass der staatlichen Massnahmen entscheidend. Der Staat sollte also bewusst mehr Verantwortung \u00fcbernehmen bei Fragen der verfassungsm\u00e4ssig vorgegebenen Verh\u00e4ltnism\u00e4ssigkeit und diese bei Sicherheitsmassnahmen entsprechend abw\u00e4gen. Der B\u00fcrger wiederum muss Verantwortung zeigen, indem er die Entwicklungen nicht einfach hinnimmt, sondern sich fragt, wie schwer eine staatlich angesetzte Massnahme seine Freiheiten und seine Privatsph\u00e4re tangiert und wie schwerwiegend der Grund f\u00fcr diese Massnahme ist. Vielleicht sollten wir uns auch einfach dem mulmigen Gef\u00fchl, wenn uns jemand zu nahe kommt, wieder bewusster werden, damit der schleichende Verlust der Privatheit nicht \u00fcberhand nimmt.<\/p>\n

Die Wirtschaft: Werbung um jeden Preis<\/strong>
\nIn den letzten Jahren haben sich die Interessen der Wirtschaft f\u00fcr pers\u00f6nliche Kundendaten aus dem Internet stark ausgebreitet. Der Handel mit personenbezogenen Daten geh\u00f6rt zur Normalit\u00e4t. Kundenkarten werden uns als Rabattvorteile angedreht. An jeder Kasse hinterlassen wir einen kompletten Datensatz \u00fcber unser Kaufverhalten. Personenbezogene Daten zu besitzen, ist f\u00fcr ein Unternehmen ein grosser Erfolgsfaktor, ganz abgesehen davon, diese Daten mit den heutigen technischen M\u00f6glichkeiten auszuwerten. Was mit diesen sog. Data Mining-Analysen genau passiert, wissen wir nicht, wir k\u00f6nnen nur spekulieren. Was verlockend erscheint: Wir erhalten zu jedem Zeitpunkt die passende Werbung zum jeweiligen Angebot. Doch welchen Preis bezahlen wir daf\u00fcr? Das virtuelle Kaufhaus ist heute im Internet \u00fcberall. Welche Konsequenzen hat dies f\u00fcr die Privatheit? Anders als beim Staat, der pers\u00f6nliche Daten \u00fcber uns sammelt und sich dabei auf gesetzliche Grundlagen st\u00fctzen sollte, m\u00fcsste eigentlich die Skepsis gegen\u00fcber datensammelnden Unternehmen sehr gross sein. Die Realit\u00e4t ist jedoch eine andere: Durch unser Verhalten stimmen wir der Datensammlung durch Dritte zu, n\u00e4mlich indem wir die AGB akzeptieren. Die Internetdienste bieten uns zu viele Vorteile, als dass unsere Sorgen \u00fcber die gesammelten Daten \u00fcberwiegen w\u00fcrden. Bezahlen wir den Preis f\u00fcr die Bequemlichkeit im Umgang und in Praktikabilit\u00e4t mit Internetdiensten also mit der Einschr\u00e4nkung unserer Privatheit? Ja! Wir b\u00fcssen unsere Autonomie ein \u2013 nichts wird mehr dem Zufall \u00fcberlassen. Das Internet weiss, was ich kaufen will, und kann dies sogar vorhersagen. Das Bewusstsein, wie genau die scheinbar harmlosen Daten ausgewertet werden k\u00f6nnen, erlangen wir erst dann wieder, wenn F\u00e4lle von Datenmissbrauch publik werden. Die gr\u00f6sste Angst ist also die vor der Manipulierbarkeit und vor der zweckm\u00e4ssigen Entfremdung unserer pers\u00f6nlichen Daten. Dies muss in einem Unternehmen nicht einmal absichtlich geschehen, sondern kann durch mangelhafte IT-Sicherheit ausgel\u00f6st werden. Selbiges Problem hat nat\u00fcrlich auch der Staat. Unternehmen m\u00fcssen also, eigentlich gleich dem Staat, die genauen sowohl technischen als auch juristischen Voraussetzungen kennen, wenn sie sensible Daten von Kunden verwalten. Der Mensch wiederum muss sich, wie auch der Staat, im Klaren sein, dass er im Internet Datenspuren hinterl\u00e4sst, deren Auswertung mit den technischen M\u00f6glichkeiten heute ein Kinderspiel ist und dass die umfangreichen Datenbanken bekanntlich nichts ver-gessen.<\/p>\n

Der Mensch: Bequemlichkeit um jeden Preis<\/strong>
\nBleiben wir nun beim Menschen als verantwortungsvolles Mitglied der Informationsge-sellschaft in einem demokratischen Staat. Der Mensch ist ein soziales Wesen \u2013 Interaktion, Kommunikation und Austausch sind allt\u00e4gliche Verhaltensweisen. Der technische Fort-schritt bietet immer neue M\u00f6glichkeiten, unser Kommunikationsverhalten wird dadurch nicht nur beeinflusst, sondern gar ver\u00e4ndert. F\u00fcr die mit den Neuen Medien aufgewachsene Generation der Digital Natives ist die virtuelle Informations- und Kommunikationsumge-bung ein Mittel zur selbstbestimmten Kommunikation, um auf einfache Weise soziale Bindungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Dabei steht das Buhlen um Aufmerksamkeit im Sinne der Selbstdarstellung im Zentrum. Das Bed\u00fcrfnis nach Schutz der Privatsph\u00e4re unterscheidet sich dadurch radikal von fr\u00fcheren Generationen, die von George Orwells \u201eBig Brother\u201c in seinem Roman \u201e1984\u201c noch beeindruckt waren und die informationelle Selbstbestimmung durchsetzen wollten. Die vielen Aufforderungen, pers\u00f6nliche Daten mit entsprechenden Massnahmen zu sch\u00fctzen und sich bewusst zu \u00fcberlegen, was man beispielsweise in sozialen Netzwerken von sich preis gibt wird von der Generation der Digital Natives schlichtweg ignoriert. Diese Blau\u00e4ugigkeit, was die Tragweite der Informationspreisgabe betrifft, stellt die Fragen rund um die Privatheit im urspr\u00fcnglichen Sinne in den Schatten. Es scheint, als ob der Nutzer gar nicht mehr in Ruhe gelassen werden will. Wenn es die heutigen Nutzer nicht k\u00fcmmert, warum \u00fcberhaupt dar\u00fcber diskutieren? Die Diskussionen finden statt \u2013 und das immer h\u00e4ufiger. Der Grund daf\u00fcr liegt sicherlich darin, dass virtuelle soziale Netzwerke seit nun fast schon einem Jahrzehnt auf breiter Basis existieren. Seit etwa zwei Jahren werden immer wieder Dokumentarfilme gezeigt, wo es genau um die oben beschriebenen Aspekte geht: Die Preisgabe von pers\u00f6nlicher Information und damit das Ignorieren der Privatheit kann langfristig unangenehme Folgen haben; auch F\u00e4lle von Datenmissbrauch werden zunehmend als Schreckensbilder ver\u00f6ffentlicht. In diesem Sensibilisierungsprozess stehen wir jedoch erst am Anfang. Wir sehen uns diese Dokumentarfilme an und sind erst einmal nur \u00fcberrascht, was das Internet alles von uns weiss. Das Verst\u00e4ndnis von Privatheit muss sich nach dieser langen Phase der Ignoranz erst wieder neu herausbilden und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung neu entdeckt und definiert werden. Denn: Werden wir uns den Risiken nie bewusst, k\u00f6nnen wir auch die Konsequenzen langfristig nicht absch\u00e4tzen.<\/p>\n

Fazit: Privatheit neu definieren<\/strong>
\nDer kurze Trilog zwischen Staat, Wirtschaft und Mensch hat gezeigt, dass das mangelnde Problembewusstsein des Menschen bez\u00fcglich der wirtschaftlichen und politischen Aspekte der Datensammlung und somit Einschr\u00e4nkung der Privatheit aktuell die gr\u00f6sste Herausforderung darstellt. Wie k\u00f6nnen wir aus informationsethischer Sicht auf diese Herausforde-rung reagieren?
\nEs steht fest, dass neue technische M\u00f6glichkeiten unser Kommunikations- und Informationsverhalten ver\u00e4ndern und dadurch neue Realit\u00e4ten geschaffen werden. Das ist nicht neu und wird auch weiter so bleiben. Nur ergeben sich mit der Allgegenw\u00e4rtigkeit des Internets und den M\u00f6glichkeiten des Web 2.0 so viele neue Dimensionen, die die Aspekte der Pri-vatheit im urspr\u00fcnglichen Sinne des \u201eright to be left alone\u201c f\u00fcr alle Akteure neu definieren. In der Euphorie des praktikablen Mitmachweb, das nun schon knapp zehn Jahre alt ist, tauchen die im Trilog zahlreichen aufgeworfenen Fragen nach informationeller Selbstbestimmung und damit verbundenen Problemen erst seit Kurzem breit in den Medien auf. Dies ist ein Anfang in Richtung Sensibilisierung. Eine breit angelegte Aufkl\u00e4rung mit Handlungskonsequenzen bei den Nutzern ist aber noch in weiter Ferne. Noch macht sich heute kaum jemand die M\u00fche, die AGB von Internetdiensten wirklich kritisch durchzulesen, auf Kunden- und Kreditkarten zu verzichten, kryptografische Verfahren anzuwenden oder auf eigene Rechte (z.B. Datenl\u00f6schungen) zu bestehen. Staat und Wirtschaft profitieren schliesslich von der Bequemlichkeit, Gewohnheit aber auch Vergesslichkeit des Menschen, auf Kosten der Privatheit. Das aktive Recht der informationellen Selbstbestimmung muss in der heutigen Informationsgesellschaft erst noch entstehen. Privatheit wird dabei nicht verloren gehen oder sterben, sondern neue Formen erhalten. Hier werden nicht nur die einzelnen Akteure des Trilogs gefordert, sondern auch wissenschaftliche Disziplinen wie Recht, Soziologie, Philosophie, Informatik etc. Sie alle k\u00f6nnen durch umfassende Studien und Analysen einen Beitrag leisten zur Neudefinition der Privatheit in elektronischen R\u00e4umen, indem sie Modelle entwickeln und Anst\u00f6sse zum Denken liefern. Die Informationswissenschaft als Hilfsdisziplin hat hier die M\u00f6glichkeit, den wichtigen interdisziplin\u00e4ren Diskurs zu st\u00e4rken.
\nDas Recht auf Privatheit ist also nicht totgesagt und auch kein Auslaufmodell. Im Hinblick auf eine bereits weit diskutierte Post-Privacy-\u00c4ra k\u00f6nnte man es auch eine neue Form der Informationsautonomie im Sinne von Kants \u201esapere aude\u201c nennen. Neu zu definieren sind nicht nur Sensibilisierungsmassnahmen sondern mehr und auf allen Bildungsstufen verankerte informationelle Bildung im Sinne der Informationskompetenz, so dass jeder B\u00fcrger sich seiner informationellen Autonomie bewusst wird und nach dieser im Spannungsfeld zwischen Individuum und Gesellschaft, Staat und Wirtschaft zu handeln f\u00e4hig ist.<\/p>\n

Quellen:
\n[1] Warren, S. D.; Brandeis, L. D. (1880): The Right to Privacy, in: Harvard Law Review, Vol. 4, No. 5.
\n[2] Schirrmacher, F. (2009): Payback. M\u00fcnchen: Karl Blessing Verlag.
\n[3] Franklin, W. T. (Hrsg.) (1818): Memoirs of the life and writings of Benjamin Franklin. Philadelphia: Printed by T.S. Manning, S. 333-334. [eigene \u00dcbersetzung]<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"","protected":false},"author":1,"featured_media":0,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[39,23],"tags":[],"acf":[],"yoast_head":"\nPrivacy is Dead \u2013 Long Live Big Brother!? (Nadja B\u00f6ller) - Data and Information Science<\/title>\n<meta name=\"robots\" content=\"index, follow, max-snippet:-1, max-image-preview:large, max-video-preview:-1\" \/>\n<link rel=\"canonical\" href=\"https:\/\/blog.fhgr.ch\/dis\/privacy-is-dead-long-live-big-brother-nadja-boller\/\" \/>\n<meta property=\"og:locale\" content=\"de_DE\" \/>\n<meta property=\"og:type\" content=\"article\" \/>\n<meta property=\"og:title\" content=\"Privacy is Dead \u2013 Long Live Big Brother!? (Nadja B\u00f6ller) - Data and Information Science\" \/>\n<meta property=\"og:url\" content=\"https:\/\/blog.fhgr.ch\/dis\/privacy-is-dead-long-live-big-brother-nadja-boller\/\" \/>\n<meta property=\"og:site_name\" content=\"Data and Information Science\" \/>\n<meta property=\"article:published_time\" content=\"2012-06-18T11:05:31+00:00\" \/>\n<meta name=\"twitter:card\" content=\"summary_large_image\" \/>\n<meta name=\"twitter:label1\" content=\"Gesch\u00e4tzte Lesezeit\">\n\t<meta name=\"twitter:data1\" content=\"12 Minuten\">\n<script type=\"application\/ld+json\" class=\"yoast-schema-graph\">{\"@context\":\"https:\/\/schema.org\",\"@graph\":[{\"@type\":\"WebSite\",\"@id\":\"https:\/\/blog.fhgr.ch\/dis\/#website\",\"url\":\"https:\/\/blog.fhgr.ch\/dis\/\",\"name\":\"Data and Information Science\",\"description\":\"\",\"inLanguage\":\"de-DE\"},{\"@type\":\"WebPage\",\"@id\":\"https:\/\/blog.fhgr.ch\/dis\/privacy-is-dead-long-live-big-brother-nadja-boller\/#webpage\",\"url\":\"https:\/\/blog.fhgr.ch\/dis\/privacy-is-dead-long-live-big-brother-nadja-boller\/\",\"name\":\"Privacy is Dead \\u2013 Long Live Big Brother!? (Nadja B\\u00f6ller) - Data and Information Science\",\"isPartOf\":{\"@id\":\"https:\/\/blog.fhgr.ch\/dis\/#website\"},\"datePublished\":\"2012-06-18T11:05:31+00:00\",\"dateModified\":\"2012-06-18T11:05:31+00:00\",\"author\":{\"@id\":\"https:\/\/blog.fhgr.ch\/dis\/#\/schema\/person\/4fddc1aeb50ad4d99519629d756050a1\"},\"inLanguage\":\"de-DE\",\"potentialAction\":[{\"@type\":\"ReadAction\",\"target\":[\"https:\/\/blog.fhgr.ch\/dis\/privacy-is-dead-long-live-big-brother-nadja-boller\/\"]}]},{\"@type\":\"Person\",\"@id\":\"https:\/\/blog.fhgr.ch\/dis\/#\/schema\/person\/4fddc1aeb50ad4d99519629d756050a1\",\"name\":\"mind-admin\"}]}<\/script>\n<!-- \/ Yoast SEO plugin. -->","_links":{"self":[{"href":"https:\/\/blog.fhgr.ch\/dis\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/732"}],"collection":[{"href":"https:\/\/blog.fhgr.ch\/dis\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/blog.fhgr.ch\/dis\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/blog.fhgr.ch\/dis\/wp-json\/wp\/v2\/users\/1"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/blog.fhgr.ch\/dis\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=732"}],"version-history":[{"count":0,"href":"https:\/\/blog.fhgr.ch\/dis\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/732\/revisions"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/blog.fhgr.ch\/dis\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=732"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/blog.fhgr.ch\/dis\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=732"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/blog.fhgr.ch\/dis\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=732"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}