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Zurück in die Heimat?

Die jüngsten disruptiven Ereignisse wie die Pandemie und die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen haben eine Debatte über die Stabilität unserer Lieferketten ausgelöst. Hinzu kommt das Wiederaufleben protektionistischer Bestrebungen in Form von Zollerhöhungen und einer verstärkten Blockbildung zwischen den drei grossen Wirtschaftsmächten USA, China und Europa. Unternehmen stehen zunehmend vor der Herausforderung, im Spannungsfeld dieser Entwicklungen erfolgreich zu wirtschaften. Eine mögliche Antwort auf diese Herausforderungen ist Reshoring – die Rückverlagerung von Produktionsaktivitäten oder der Zulieferbasis an geografisch näher gelegene Standorte. Doch gerade im Hochpreisland Schweiz ist dies alles andere als ein Selbstläufer: Wann und wie macht Reshoring hier überhaupt Sinn?

Dieser und weiteren Fragen gehen wir im Rahmen meiner Dissertation nach. Es zeigt sich: Ja, Rückverlagerungen in die Schweiz können sinnvoll sein. Aber es lohnt sich, genauer hinzuschauen. Konkret finden wir zwei unterschiedliche Muster: Einerseits Reshoring als langfristige strategische Massnahme. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass der Standort eine zentrale Rolle spielt – die Rückverlagerung erfolgt explizit wegen des Standortes, der Schweiz. Andererseits Reshoring als kurzfristige operative Massnahme zur Kostenoptimierung. Hier spielt der Standort eine eher untergeordnete Rolle – der Fokus liegt stärker auf der Realisierung von Einsparpotenzialen.

Je nach Muster unterscheiden sich die Unternehmen in wesentlichen Merkmalen: Unternehmen, die strategische Reshoring-Entscheidungen treffen, stellen die Bedürfnisse der Shareholder eher weniger in den Mittelpunkt und haben eine Produktion, die auf den Zugang zu Ressourcen (bspw. Arbeitskräfte) ausgerichtet ist. Auch haben sie vermehrt lokale Zulieferer, mit denen sie eine enge Zusammenarbeit pflegen. Umgekehrt stellen Unternehmen, die operative Reshoring-Entscheidungen treffen, die Bedürfnisse der Shareholder eher in den Mittelpunkt und richten ihre Produktion auf wirtschaftliche Effizienz aus. Sie arbeiten mit globalen Lieferanten zusammen, mit denen die Vertragsgestaltung stark auf den Preis ausgerichtet ist.

Der Standort Schweiz profitiert sowohl bei strategischem als auch operativem Reshoring. Strategische Entscheidungen zielen bewusst darauf ab, Produktionsaktivitäten oder Lieferantenbasis in die Schweiz zurückzuholen. Mögliche Gründe dafür sind Kundinnen und Kunden, die bereit sind, für das Schweizerkreuz auf dem Produkt mehr zu bezahlen, ein erhöhtes Ausfallrisiko von Offshore-Lieferanten oder interne Reorganisationen, bei denen bewusst die Kapazität in der Schweiz erhöht wird, um bestehende Strukturen optimal zu nutzen oder europäische Märkte besser bedienen zu können. Operative Entscheidungen hingegen, die primär auf Kostenoptimierung abzielen und bei denen der Standort nicht im Vordergrund steht, werden häufig aufgrund Automatisierung oder dem Einsatz neuer Technologien gefällt.

Reshoring kann also eine Massnahme sein, um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen. Ob Reshoring-Entscheidungen aus strategischer oder operativer Sicht erfolgreicher sind und welche unterstützende Rolle die Politik dabei spielen kann, bleibt Gegenstand weiterer Forschung. Angesichts der aktuellen Entwicklungen sind Unternehmen, Politik und Forschung jedoch gut beraten, Reshoring auf dem Radar zu behalten.

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