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Wer kocht denn da?

Herkules kämpfte gemäss griechischer Mythologie gegen das vielköpfige Ungeheuer Hydra. Immer wenn Hydra einen Kopf verlor, wuchsen ihr zwei neue nach. So fühlt sich aktuell wohl auch die Schweizer Gastronomie; auch sie scheint gegen eine Hydra anzukämpfen.

Nachdem die Corona-bedingten Einschränkungen nun gelockert sind, zeigen sich bereits die nächsten Herausforderungen: Viele Fachkräfte haben inzwischen in andere Berufsfelder gewechselt und die Neubesetzung von Arbeitsstellen gestaltet sich als schwierig. Volle Tische und kein Personal – ein Schreckensbild. Diese Herausforderung kennt aktuell nicht nur Graubünden, sondern die gesamte Schweiz.

In Metropolen wie beispielsweise New York und Paris scheint sich ein möglicher Lösungsansatz abzuzeichnen. Dort wird der Gastro-Markt von sogenannten «Ghost Kitchens» aufgewühlt. Diese «Ghost Kitchens» sind generell gewerbliche Produktionsküchen, welche vor Ort keine Gäste bedienen. Waren die Anfänge dieser «Geisterküchen» stark auf Essensverkäufe via Lieferdienste ausgerichtet, hat sich der Markt nun auch zur traditionellen Gastronomie hinbewegt. Das heisst, ein Restaurant kauft bei einem Ghost-Kitchen-Anbieter fertigproduzierte Produkte ein und verkauft diese dann an den Endkunden weiter. Neu ist diese Idee nicht. Bereits seit Längerem kaufen diverse Restaurants vorgefertigte Küchenprodukte ein, sei dies aus Kostengründen oder weil aufgrund von kleinen Mengen nicht die gewünschte Qualität eines Produktes erzielt werden kann. Neu sind vielmehr die Anzahl der Betriebe, welche auf eine solche Vorproduktion zurückgreifen und die Tatsache, dass nicht mehr nur Teilelemente eingekauft werden, sondern ganze Menus. Die Vorteile für die Gastrobetriebe erscheinen einleuchtend: Zum einen können die Betriebskosten drastisch gesenkt werden, indem weniger Mitarbeitende und Platz notwendig sind, zum anderen sind Ghost Kitchens im Vergleich zu klassischen Restaurants nicht an Standorte mit hohen Lokalmieten gebunden. Gerade für kleinere Hotels mit eigenem Gastrobetrieb scheint dies aufgrund hoher Kosten im F&B-Bereich eine attraktive Lösung darzustellen. Zudem können etablierte Gastrobetriebe ihre während der Corona-Zeit aufgebauten Lieferservices weiter unterhalten, ohne die bestehende Küche zu belasten und daneben kostengünstig neue Produkte im Markt testen.

Die Wachstumszahlen der Ghost Kitchens zeigen, dass sich in der Gastroszene einiges verändert. Produktionsseitige Skaleneffekte können mithelfen, die finanziellen Herausforderungen besser in den Griff zu bekommen und die Problematik des Personal- und Fachkräftemangels aufzufangen. Jeder Gastrobetrieb muss sich aber die Gretchenfrage stellen, welche Teile seines Angebots er selber herstellen möchte, um damit sein Alleinstellungsmerkmal im Markt sicherzustellen. Zudem schafft eine Auslagerung eine neue Abhängigkeit; nur wenn das Produkt selber erarbeitet wird, kann die Qualität über die gesamte Servicekette hinweg selber sichergestellt werden.

Bisher ist die Thematik der Ghost Kitchen in den Bündner Gastrobetrieben nur sehr bedingt angekommen. Die nahe Zukunft wird zeigen, ob dieser neue Geschäftstrend des Rätsels Lösung ist oder der Hydra bloss weitere neue Köpfe wachsen lässt.

Patric Arn ist Leiter des Instituts für Tourismus und Freizeit der FH Graubünden. Alle vier Wochen diskutiert die Fachhochschule Graubünden an dieser Stelle aktuelle Themen aus Lehre und Forschung.

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