Die grosse Mehrheit der Patienten informiert sich vor dem Arztbesuch im Internet bei «Dr. Google». Doch weil dort die Menge an Studien und Empfehlungen sehr gross und auch widersprüchlich ist, fühlen sich viele verunsichert und überfordert.
Text: Prof. Dr. habil. Urs Dahinden / Bild: Prof. Dr. habil. Urs Dahinden
Die HTW Chur entwickelt deshalb in Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (Forschungsstelle Gesundheitswissenschaften), dem Kantonsspital Graubünden (PD Dr. med. Räto Strebel, Chefarzt Urologische Abteilung) sowie sieben weiteren Kliniken eine Online-Entscheidungshilfe, welche den hohen Ansprüchen an Gesundheitsinformation im Internet entspricht und auf die besonderen Informationsbedürfnisse von Prostatakrebspatienten zugeschnitten ist.
Darüber hinaus soll die Software die Zusammenarbeit zwischen Patienten und Ärzten vereinfachen, da Ärzte die Online-Entscheidungshilfe bereits kennen, ihr vertrauen und Patienten gezielt auf relevante Inhalte hinweisen können. Die Software gibt auch keine Therapieempfehlungen ab, sondern liefert Entscheidungsgrundlagen (z.B. Vor- und Nachteile bestimmter Behandlungen). Die Online-Entscheidungshilfe soll nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zum Arzt-Patienten-Gespräch dienen, denn die Therapieentscheidung soll nach wie vor im gemeinsamen Gespräch zwischen Arzt und Patient gefällt werden.
Wieso Prostatakrebs?
Prostatakrebs ist eine der häufigsten Krebserkrankungen bei Männern: In der Schweiz werden jedes Jahr etwa 6‘000 Männer mit Prostatakrebs diagnostiziert. Männer mit einer Prostatakrebsdiagnose sind mit verschiedenen Behandlungsalternativen konfrontiert, jede mit Vor- und Nachteilen. Eine umfassende Informationsvermittlung ist wichtig, um dem Patienten echte Mitsprachemöglichkeiten im Entscheidungsprozess zu geben. Deshalb wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts eine Online-Entscheidungshilfe für Prostatakrebs (prostata-information.ch) entwickelt, welche von der Krebsforschung Schweiz finanziert wurde.
Woher kommen die Inhalte auf der Plattform?
Die Plattform basiert auf geprüften Informationen aus drei bereits bestehenden Patienten-Informationsbroschüren zu Prostatakrebs. Diese wurden für diese Online-Hilfe neu zusammengestellt und angepasst. Anschliessend wurden die neu zusammengestellten Inhalte durch die Chefärzte der beteiligten urologischen Kliniken auf ihre fachliche Korrektheit hin geprüft.
Die folgenden drei Broschüren dienten als Grundlage:
- Schweizerische Gesellschaft für Urologie (SGU): «Prostata. Kleine Drüse – Grosse Bedeutung. Informationen über die häufigsten Erkrankungen für Betroffene und Interessierte»
- Krebsliga Schweiz: «Prostatakrebs – Eine Information der Krebsliga für Betroffene und Angehörige»
- Deutsche Krebshilfe: «Prostatakrebs – Antworten. Hilfen. Perspektiven.»
Die Inhalte dieser Broschüren werden mit dem Einverständnis der entsprechenden Institutionen verwendet, wofür wir uns an dieser Stelle herzlich bedanken möchten.
Zusätzlich zu den Texten aus den Broschüren wurden visuelle und interaktive Elemente eingefügt, um von den zusätzlichen Möglichkeiten der Online-Kommunikation profitieren zu können (siehe unten).
Abbildung 1: Beispiel für die Visualisierungen in prostata-information.ch
Abbildung 2: Fragebogen für Patienten zur Vorbereitung des Arztgesprächs (Ausschnitt)
Sämtliche Illustrationen und Erklärgrafiken sind eigens für diese Plattform erstellt worden.
- Illustrationen Carlotta Pen (cc-by-nc2.0)
Wie hilfreich ist die Online-Entscheidungshilfe aus Sicht der betroffenen Patienten?
Dazu wurden in einem ersten Test insgesamt 48 Prostatakrebspatienten befragt. Die Nutzenden sind mit der Plattform sehr zufrieden und finden ihre Informationsbedürfnisse gut erfüllt. Sie zeigen drei Monate nach dem Entscheid eine gute Vorbereitung auf die Entscheidung und kaum Bedauern über die Entscheidung.
In diesem Artikel in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift ist eine ausführliche Darstellung der Projektziele und der Befragungsergebnisse zu finden:
Wie geht es weiter mit diesem Projekt?
Basierend auf diesen vielversprechenden Resultaten wurde ein Nachfolgeprojekt beantragt, in dessen Rahmen die Online-Entscheidungshilfe aktualisiert und ihre Wirksamkeit mit einer grösseren Patientengruppe überprüft werden soll. Zudem kann diese Plattform auch als Prototyp für weitere Krankheitsbilder dienen.
Wer hat an der Entwicklung der Entscheidungshilfe mitgearbeitet?
Die Online-Hilfe wurde unter Einbezug der folgenden Urologen entwickelt und eingesetzt:
- Prof. Dr. Hans-Peter Schmid, Chefarzt Klinik für Urologie, Kantonsspital St. Gallen.
- PD Dr. med. Räto Strebel, Chefarzt Urologische Abteilung, Kantonsspital Graubünden.
- Dr. med. Peter Spörri, Chefarzt Urologisches Kompetenzzentrum soH, Kantonsspital Olten.
- PD Dr. med. Michael Müntener, Chefarzt Klinik für Urologie, Stadtspital Triemli.
- Dr. med. Svetozar Subotic, Leitender Arzt Urologische Universitätsklinik, Kantonsspital Baselland.
- PD Dr. med. Agostino Mattei, Chefarzt Klinik für Urologie, Luzerner Kantonsspital.
- PD Dr. med. Jörn Kamradt, Facharzt für Urologie, UrologieZentrum Bern.
- Dr. med. Simon Bütikofer, Oberarzt Urologie, Kantonsspital Münsterlingen.
Prof. Dr. habil. Urs Dahinden arbeitet als Professor für Kommunikations- und Medienwissenschaft am Schweizerischen Institut für Informationswissenschaft (SII) und leitet dort den Forschungsschwerpunkt Big Data und Analytics.
Dies ist ein Blog-Beitrag der HTW Chur.
Ich habe auch oft schon Google für medizinische Ratschläge gefragt. Ich werde meinem Bruder aber jetzt dazu raten, einen Urologen aufzusuchen. Danke für diesen Beitrag.
https://www.urologie-zillertal.at/