Mobilität und Reisefreiheit waren plötzlich drastisch eingeschränkt, alle mussten während des Lockdowns zuhause bleiben und auch heute können wir von Ferien ausserhalb des eigenen Landes oder gar in Ferndestinationen nur träumen, mit schlimmen Folgen für die gesamte Tourismuswirtschaft. Wie wird die Krise an anderen Orten bewältigt? Schauen wir mal nach China, wo die Pandemie ihren Ursprung nahm.
COVID hat auch China schwer getroffen. Aber sofort haben sich neue digitale Marketing- und Vertriebsformen entwickelt, wie zum Beispiel Live-Streaming – das Teleshopping der Moderne – das grossen Anklang findet. Bereits 2017 zeichnete sich der neue Trend ab, der zwischenzeitlich laufend gewachsen ist. Influencer und KOLs (Key Opinion Leader) stellen auf verschiedenen Plattformen live neue Produkte oder sonstige Angebote vor, die dann auch gleich digital erworben werden können. Es ist keineswegs erstaunlich, dass diese Verkaufsmethode im langweiligen Gefängnis des Lockdowns enorm zugenommen hat.
Live-Streaming findet auch im Tourismus Anwendung und trägt dazu bei, das Geschäft schnell wieder in Gang zu bringen und die Reisebegeisterung wieder zu wecken. Auch die Prominenz legte sich ins Zeug. So verkaufte James Liang, Präsident und Mitbegründer der ctrip.com-Gruppe – der grössten online Reiseagentur in China – via Live-Streaming Hotelzimmer. Der erste Auftritt von Liang in traditioneller chinesischer Kleidung konnte innerhalb einer Stunde Transaktionen im Wert von 3.4 Millionen chinesischen Yuan generieren, was knapp einer halben Million Franken entspricht. Insgesamt haben 1.1 Millionen Zuschauer teilgenommen und konnten vergünstigte Angebote für Huzhou, einer Stadt in der Nähe von Shanghai, ergattern.
Der neue Vertriebskanal wurde dann im Juli für weitere Destinationen getestet. Liang konnte für die als sicher geltende Destination Singapur während zwei Sessions 12'000 Zimmer verkaufen. Das sind doch innovative neue Wege! Ich bin gespannt, ob der Trend von Ost nach West überspringt und freue mich auf den ersten Live-Stream von Martin Vincenz in einer traditionellen Bündner Tracht.
Die Erholung des Tourismus in China ist bereits weit fortgeschritten. Während der Golden Week, die jeweils um den Nationalfeiertag anfangs Oktober stattfindet, wurden insgesamt 637 Millionen Reisen unternommen. Das entspricht 79 Prozent der gleichen Periode im Vorjahr. Diese Entwicklung ist beeindruckend, wobei Live-Streaming kaum den Hauptgrund dafür darstellt. Aber das Beispiel zeigt in eindrücklicher Weise die Resilienz des riesigen Tourismusmarktes China.
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Lisa Dermont
Lisa Dermont ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Tourismus und Freizeit. Die Fachhochschule Graubünden diskutiert an dieser Stelle alle vier Wochen Ideen für den Bündner Tourismus.