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Unconscious Bias Symbolbild

«Un­con­scious Bias» in der Re­kru­tie­rung: Warum wir 2025 unsere Ent­schei­dungs­pro­zes­se drin­gend hin­ter­fra­gen sollten

Wir alle möchten objektiv entscheiden, gerade im Berufsalltag. Doch oft trifft unser Unterbewusstsein schneller eine Wahl, als uns lieb ist. Sogenannte «Unconscious Bias / unbewusste Vorurteile» beeinflussen unsere Entscheidungen, ohne dass wir es merken. Besonders im Rekrutierungsprozess wirken sie subtil, aber wirkungsvoll: Sympathie, Körpersprache oder gemeinsame Merkmale können dazu führen, dass wir Menschen vorschnell bewerten und dadurch voreilige Schlüsse ziehen. So verlieren Entscheidungen an Objektivität – mit der Folge, dass geeignete Bewerbende übersehen oder weniger passende bevorzugt werden. Deshalb ist es wichtig, sich dieser Vorurteile bewusst zu werden und geeignete Strategien zu entwickeln, um ihnen entgegenzuwirken.

Die Welt ist komplex und unser Gehirn hilft uns damit umzugehen, indem es Informationen filtert, vereinfacht und einordnet. Dabei greift es auf Heuristiken zurück. Das sind mentale Abkürzungen, die uns im Alltag helfen Entscheidungen zu treffen, ohne jede Situation neu und vollständig analysieren zu müssen. Das birgt vor allem im Rekrutierungsprozess Risiken. Unser Unterbewusstsein trifft oft schon eine Entscheidung, bevor wir uns mit den objektiven Kriterien auseinandergesetzt haben. Besonders im Umgang mit Menschen können solche unbewussten Vorurteile stark wirken. So kann ein erster positiver Eindruck – etwa durch Sympathie, ein selbstbewusstes Auftreten oder Signale wie Körpersprache, Tonfall und äussere Erscheinung – dazu führen, dass wir jemanden automatisch als kompetenter einstufen. Um faire Auswahlprozesse zu gestalten, die richtige Person für die Stelle zu finden und das volle Potenzial diverser Teams zu nutzen, lohnt es sich, diese unbewussten Mechanismen besser zu verstehen.

Vielfalt beginnt im Kopf: Wie «Unconscious Bias» unsere Entscheidungen mitprägt

Vielfalt und Chancengleichheit gelten als zentrale Faktoren für nachhaltigen Unternehmenserfolg und Innovation. Auch die Fachhochschule Graubünden engagiert sich aktiv für deren Förderung. Unbewusste Vorurteile können jedoch unsichtbare Barrieren schaffen und faire Entscheidungen erschweren. Doch wie genau zeigen sich diese und welche Formen treten in der Rekrutierung besonders häufig auf? Ein Blick auf typische Beispiele von Unconscious Bias macht deutlich, wie subtil und zugleich wirkungsvoll sie unsere Entscheidungen beeinflussen können.

Typische Formen von Unconscious Bias in der Rekrutierung:

1. Confirmation Bias – der Bestätigungsfehler
Wir neigen dazu, Informationen so zu interpretieren, dass sie bestehende Eindrücke bestätigen. Beispiel: Wenn eine Person im ersten Eindruck als schüchtern wahrgenommen wird, werden eher Verhaltensweisen registriert, die dieses Bild bestätigen. Während andere Stärken wie Fach- und Führungskompetenz möglicherweise übersehen werden.

Strategie: Offen bleiben und gezielt nach Informationen suchen, die den ersten Eindruck hinterfragen. Strukturierte Interviews mit gezielten Fragen helfen, ein umfassenderes Bild zu gewinnen.

2. Der Halo-Effekt – wenn ein Aspekt alles überstrahlt
Ein positiver Aspekt – z. B. ein Abschluss an einer renommierten Hochschule/Universität oder eine überzeugende Präsentation, kann das Gesamtbild dominieren. Dadurch werden Schwächen oder fehlende Kompetenzen weniger stark wahrgenommen.

Strategie: Die Bewertung auf klar definierte Kriterien stützen und systematisch sowohl Stärken der Person als auch ihre Schwächen abwägen. Ein klar definiertes Anforderungsprofil und ein Bewertungsraster schaffen mehr Objektivität.

3. Affinity Bias – wenn uns Ähnlichkeit unbewusst beeinflusst

Wir neigen dazu, Personen sympathischer zu finden, die uns in ihrer äusseren Erscheinung, Werdegang, Verhalten oder in persönlichen Interessen ähneln. Das kann dazu führen, dass Bewerbende bevorzugt werden, die unserem eigenen Profil besonders nahekommen.

Strategie: Ein diverses Wahlgremium einbinden und Entscheidungen konsequent an dem definierten Anforderungsprofil ausrichten, statt am Bauchgefühl.

4. Die Stereotypisierung – wenn wir unbewusst in Schubladen denken
Stereotype sind verallgemeinernde unbewusste Annahmen über bestimmte Gruppen – z.B. basierend auf Geschlecht, Alter oder Herkunft:

  • Ein ungewöhnlicher Akzent oder ein kreativer Kleidungsstil kann zu vorschnellen Rückschlüssen auf Seriosität oder Passung führen
  • Ein besonders selbstbewusstes Auftreten wird schnell mit Führungskompetenz gleichgesetzt – während ruhigere Persönlichkeiten unterschätzt werden
  • Rollenbilder begünstigen die Annahme, dass Männer für technische oder Führungspositionen besser geeignet sind
  • Schul- oder Studiennoten werden im Auswahlprozess häufig stark gewichtet – obwohl sie wenig über soziale Kompetenzen, Belastbarkeit oder Entwicklungspotenzial aussagen und nicht als verlässlicher Prädiktor für späteren Berufserfolg gelten
  • Auch Alter oder Geschlecht können unser Urteil, trotz bester Absichten, subtil beeinflussen etwa, wenn jüngere Bewerbende als weniger erfahren oder ältere als weniger technikaffin eingeschätzt werden

Strategie: Eigene Stereotypen hinterfragen und Entscheidungen an objektiven Kriterien ausrichten, die auf einem klar definierten Anforderungsprofil basieren.

Wie lässt sich Unconscious Bias wirksam reduzieren?

Der wichtigste erste Schritt: Bewusstsein schaffen. Dazu gehört auch die Bereitschaft, die eigenen Denkmuster hinterfragen zu wollen. Wer eigene Denkmuster erkennt, kann sie gezielt hinterfragen. Um Unconscious Bias in der Rekrutierung zu minimieren, helfen zusammengefasst folgende Massnahmen:

  • Klares Anforderungsprofil erstellen: Stellenbezogene Kompetenzen und Anforderungen definieren. Was sind Kompetenzen, welche zwingend benötigt werden, was ist wünschenswert?
  • Teilstrukturierte Interviews durchführen: Mehrheitlich einheitliche Fragen stellen, die sich an den definierten Kompetenzen orientieren. Dies ermöglicht eine bessere Vergleichbarkeit der Bewerbenden und reduziert subjektive Bewertungen
  • Diverses Wahlgremium einbinden: Unterschiedliche Perspektiven helfen, individuelle Vorurteile auszugleichen
  • Reflexion nach dem Gespräch: Worauf basiert der Eindruck? Welche Fakten sprechen tatsächlich für oder gegen eine Entscheidung?

Warum es sich lohnt, genauer hinzusehen

Der Unconscious Bias begegnet uns überall, im Alltag, in zwischenmenschlichen Begegnungen und sogar in Künstlicher Intelligenz, die oft die Vorurteile ihrer Entwicklerinnen und Entwickler widerspiegelt. Sie können dazu führen, dass wir Potenziale übersehen, Chancen verpassen oder ungleich verteilen. Wenn wir unsere Entscheidungen bewusst reflektieren, tragen wir nicht nur zu faireren Prozessen bei, sondern gestalten eine Arbeitswelt, in der Vielfalt und Chancengleichheit selbstverständlich sind und geschätzt werden.

Fazit: «Unconscious Bias» ist menschlich und wird uns immer begleiten. Er kann zwar nicht vollständig verhindert werden, doch das bewusste Erkennen und aktive Gegensteuern unterstützt uns dabei, die richtige Auswahlentscheidung zu treffen, Rekrutierungsprozesse fairer zu gestalten und gleichzeitig die Vielfalt sowie Innovationskraft unserer Fachhochschule zu stärken.

Hier gibt es weitere Bolgbeiträge der FH Graubünden

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Anzahl Kommentare 1
Kommentar

Malgorzata Suter-Kaminski 08.10.2025

Sehr spannender und informativer Beitrag ;-)! In der Tat: Unsere Erfahrungen und entsprechend unser Erwartungen und Vorurteile färben, wie wir unser Umfeld interpretieren. Unconscious Bias beeinflusst somit, wie wir denken, wahrnehmen und entscheiden – oft ohne es zu merken. Wenn wir unsere unbewussten Denkmuster reflektieren, schaffen wir mehr Offenheit, Empathie und bewusste Wahlfreiheit – im Alltag wie im Miteinander. Danke vielmals für das Erinnern ;-)