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Tou­ris­mus muss nach­hal­ti­ger werden

Der Tourismus hat sich so rasant entwickelt wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig.

Die Zahl der weltweiten internationalen Touristenankünfte stieg zwischen 1950 und 1970 von 25 auf 116 Millionen. Im letzten Jahr wurden mehr als 1500 Millionen registriert. Davon entfiel noch knapp die Hälfte auf Europa. Der Anteil des Alten Kontinents ist zuletzt deutlich gefallen, jener der Entwicklungs- und Schwellenländer kontinuierlich gestiegen.

Was bedeutet dieses Wachstum für das Potenzial des Tourismus, zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen, also ökonomischen, ökologischen und sozialen Ansprüchen gerecht zu werden? Zunächst erweist sich der Sektor weltweit als Motor wirtschaftlicher Entwicklung. Jeder ausgegebene Franken generiert 3,2 Franken Wertschöpfung. Dieser Wert wird von wenigen anderen Branchen erreicht oder übertroffen, zum Beispiel der chemischen oder der Automobilindustrie. Im Vergleich zu diesen hat der Tourismus aber eine deutlich höhere Beschäftigungswirkung.

Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Tourismus ist gerade in ärmeren Weltregionen enorm. In den Industrieländern macht er 2 bis 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus, in Entwicklungsländern nicht selten 25 oder mehr Prozent. Es überrascht nicht, dass der Tourismus in der globalen Politik an Bedeutung gewinnt. In der UN-Agenda 2030 und den Zielen für eine Nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) wird er mehrmals ausdrücklich erwähnt. Die Vereinten Nationen riefen 2017 zum «Internationalen Jahr für Nachhaltigen Tourismus für Entwicklung» (IY2017) aus.

Die Position des Tourismus in der globalen Nachhaltigkeitsagenda verweist aber nicht nur auf seine volkswirtschaftliche Bedeutung. Seine ökologischen und sozialen Kosten sind mit dem Anspruch der Nachhaltigkeit unvereinbar. Dabei ist nicht nur an das exponentielle Wachstum der flugverkehrsbedingten CO2-Emissionen zu denken. Der Tourismus ist in vielen Ländern räumlich und zeitlich zu konzentriert (Stichwort Overtourism) und stiftet der lokalen Bevölkerung einen zu geringen Nutzen. Damit verbunden sind oftmals verbesserungswürdige Arbeitsbedingungen und ein unzureichender kultureller Austausch zwischen Einheimischen und Gästen. In Schwellen- und Entwicklungsländern kommt hinzu, dass grosse Anteile der touristischen Ausgaben in die Industrieländer zurückfliessen und die Dominanz des Sektors ein Klumpenrisiko darstellt. Die Corona-Krise führt Letzteres drastisch vor Augen. Ansätze für einen nachhaltigen Wandel sind unverkennbar. Die Nachfrage nach umwelt- und sozialverträglichen Angeboten steigt. Allerdings ist fraglich, ob dieser Wandel schnell und kräftig genug vonstattengeht, damit die SDGs erreicht werden.

Die Fachhochschule Graubünden will in diesem Bemühen ihren Beitrag leisten. Sie war der akademische Partner in der Umsetzung des erwähnten IY2017 und arbeitet seither mit der Welt-Tourismusorganisation UNWTO in diesem Bereich zusammen. Als akademische Partnerin wirkt sie im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) an einem nationalen «SDG-Tourismus-Dialog» mit. Ihren wohl wichtigsten Beitrag leistet sie aber nach wie vor im Alltag der (zurzeit rein virtuellen) Lehre: Als die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger von morgen müssen die Studierenden lernen, warum nachhaltiger Tourismus nötig und wie er zu erreichen ist.

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