Studierende der Bachelorstudienrichtung Digital Supply Chain Management simulieren für einen Tag die Regierung eines Schwellenlandes und versuchen das Land in Richtung Nachhaltiger Entwicklung zu lenken – und scheitern…
Hintergrund
Dennis Meadows, Autor der Club of Rome Publikation «Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit» (1972), entwickelte in den 90er Jahren das strategische Planspiel «Stratagem». Das Spiel simuliert auf einem computergestützten Brett, die – mehr oder weniger – nachhaltige Entwicklung eines Schwellenlandes realitätsnahe. Die maximal 10 SpielerInnen pro Board besetzen verschiedene Regierungsämter und haben 50 Jahre, bzw. 10 Legislaturperioden Zeit, um das Land in eine nachhaltige Richtung zu entwickeln.
Kernpunkte der Entscheidungen sind Energie- und Güterproduktion, Lebensmittelproduktion, Energieeffizienz, Umweltschutz sowie Gesundheit und Bildung. Das Land kann exportieren und importieren und Kredite bei der Weltbank aufnehmen. Die jeweiligen Entscheidungen werden in ein Computerprogramm eingegeben, das – wissenschaftlich fundierte – Ergebnisse für eine Reihe von sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Indikatoren ausgibt, die wiederum die Basis für die nächsten Regierungsdiskussionen und -entscheidungen sind.
Einsatz und Ziele
Das Planspiel wird von Christian Baumgartner in der VINAVANT-Vorlesung Nachhaltige Entwicklung (bzw. Sustainable Development) in einer 8-stündigen Blockveranstaltung in die Vorlesung integriert.
Das Planspiel verfolgt verschiedene Ziele:
- Nachhaltige Entwicklung anhand der Entwicklung einer Gesellschaft bzw. eines Landes in einer realistischen Situation und mit ebenso realistischen Zusammenhängen und Wirkungskreisläufen näherzubringen:
- Systemdynamik in Bezug auf Akteure, Rollen, Beziehungen, Grenzen, …
- Unterschiedliche Verzögerungen der Wirkung von Maßnahmen
- Wirkungsweisen und Zusammenhänge von sozialen Faktoren mit Wirtschaftsleistungen und Umweltsituationen
- Exponentielle Beziehungen bei Bevölkerungswachstum, Schulden, etc.
- Umsetzung von kurzfristigen Taktiken
- Kohärenz von langfristigen strategischen Entscheidungen
- Ablauf von Entscheidungsprozessen und -zwängen von politischen Entscheidungsträger:innen verdeutlichen
- Systemisches Denken als Planungshilfe in unsicheren Kontexten üben
- Teambuilding: Entscheidungsfindung unter unsicheren Bedingungen, Kommunikation und komplexe Beziehungen, Gruppendynamik in Entscheidungsprozessen
Das Planspiel kann – wesentlich besser als eine theoretische Vorlesung – eine Reihe Themen und Herausforderungen einer Nachhaltigen Entwicklung anhand von unmittelbaren Erfahrungen kompakt vermitteln.
Anwendung
Das Spiel kann in maximal 4 Gruppen zu je maximal 10 Teilnehmenden an je einem Spielbrett parallel gespielt werden, wobei die Gruppen nicht gegeneinander spielen, aber dennoch Ergebnisse und Strategien am Ende verglichen werden können.
Der Block aus acht Einheiten wird in etwa wie folgt aufgeteilt (und kann auch auf 2x4 Einheiten an aufeinanderfolgenden Tagen gesplittet werden):
1 Einheit: Einführung zu Nachhaltiger Entwicklung (wenn nötig) und der Geschichte von Stratagem; Erläuterungen der Spielweise; Hinweise zu Strategien und wichtigen Zusammenhängen
6 Einheiten: «Spiel» – 10 Legislaturperioden
1 Einheit: Debriefing, Analyse der Ergebnisse wie der gruppendynamischen Prozesse in den Regierungen
Die erste Herausforderung für die «Regierung» ist die Verteilung der fünf Ressorts sowie die Vereinbarung des Diskussions- und Abstimmungsprozedere (z.B. konsensuales oder Mehrheitsprinzip, präsidiale Endentscheidungen, etc.). Günstig für die spätere Reflexion ist es, eine grundsätzliche Entwicklungsstrategie für das Land zu bestimmen.
Das Planspiel gibt ein realistisches Ausgangsszenario eines Schwellenlandes vor, das den Regierungsmitgliedern gewisse Geldsummen und Einsatzmöglichkeiten zur Verfügung stellt. Entscheidungen werden für die Aufteilung auf
- Energieproduktion
- Energieeffizienz
- Lebensmittelproduktion
- Umweltschutz
- Güterproduktion
- Gesundheit & Bildung
bzw. für jeweilige Importe und Exporte bzw. Kreditaufnahme getroffen. Die Ergebnisse werden in den Computer eingespeist, der die Entwicklung von etwa 50 verschiedenen Indikatoren sowie das Ausgangsszenario für die nächste Legislaturperiode ausgibt.
Obwohl das Spiel extrem vereinfachende Bedingungen hat – keine Wahlen, keine Korruption, keine externen Einflüsse, ... – ist es für die Gruppe extrem herausfordernd (und beim erstmaligen Spielen kaum machbar) annähernd in die Richtung von Zielindikatoren (die für eine Nachhaltige Entwicklung stehen) zu kommen.
Ein:e Lehrende:r die/der Stratagem im Unterricht anwendet, sollte unbedingt (mindestens) einmal als TeilnehmerIn an einer Session mitgemacht haben, da sonst die komplexen Zusammenhänge (trotz umfangreichen Handbuchs) kaum erklärt werden können. Ich hatte die Möglichkeit vor einigen Jahren an einem «Spiel» teilzunehmen, das Dennis Meadows selbst für österreichische Nachhaltigkeitsexpert:innen angeboten hatte.
Die Materialien von Stratagem stehen zur Verfügung und ich stehe auch gerne einmal für einen Spieltag für interessierte Lektor:innen zur Verfügung.
Christian Baumgartner ist als Dozent an der Fachhochschule Graubünden tätig.