Die Olympischen Spielen 2024 in Paris mit dem Weltrekord von Mondo Duplantis im Stabhochsprung, der Überturnerin Simone Biles oder dem vierfachen französischen Olympia-Sieger Léon Marchand bleiben im Gedächtnis. Seit dem 28. August 2024 sind nun die rund 4’400 Para-Athletinnen und -Athleten in 22 Sportarten in Paris im Scheinwerferlicht und kämpfen um 549 Goldmedaillen. Die Schweizer Delegation sendet 27 Para-Athletinnen und Athleten. Darunter befindet sich auch Profisportlerin und FHGR-Studentin Abassia Rahmani. Sie studiert Sport Management und vertritt die Schweiz im 100m Sprint (Kategorie T62). Wir stellen ihr einige Fragen zu ihrem Sport.
Wie bist du zur Leichtathletik gekommen?
Schon als Kind war ich polysportiv unterwegs, wobei sich meine Stärken vor allem in der Leichtathletik gezeigt haben. Als ich dann als Jugendliche neu auf Beinprothesen durchs Leben lief, war für mich klar, dass ich diese Blades (Carbonprothesen zum Sprinten) mal testen muss. Seither möchte ich sie nicht mehr missen.
Wie und wo hast du dich für die Wettkämpfe in Paris vorbereitet?
Die Vorbereitung geschah grösstenteils im Letzigrund in Zürich. Meine Trainingsgruppe um Coach Patrick Saile sind dort stationiert. Während der kälteren Wintermonate haben wir aber oft mehrere Wochen in Teneriffa und in der Türkei verbracht, um uns optimal auf das grosse Sportjahr 2024 vorzubereiten. In meiner Trainingsgruppe bin ich die einzige Para-Athletin, viele meiner Teamkolleginnen und -kollegen waren vor drei Wochen schon in Paris an Olympia. Meine Vorbereitung besteht aus einer Mischung aus Sprint, Kraft, Technik und viel Regeneration.
Wie vereinbarst du Sport und Studium?
Während den letzten beiden Semestern war ich kaum vor Ort in Chur anzutreffen, da ich den Sport an die allererste Priorität stellte und kein einziges Training verpassen wollte. Ich habe mich daher individuell anhand von Online-Vorlesungen zum Nachschauen auf die Semesterprüfungen vorbereitet, was recht gut funktioniert hat.
Was sind deine Ziele für die anstehenden Wettkämpfe?
Mein Ziel ist es, im Rahmen meiner persönlichen Bestzeit (13,09s auf 100m) zu laufen, damit wäre ein Finaleinzug eventuell möglich.
Wie sieht dein Aufenthalt in Paris aus?
Ich reise etwas später (nach der Eröffnungsfeier) an, weil ich meinen Wettkampf erst zum Schluss habe. So minimiere ich das Risiko, dass ich die Spannung vor lauter Warten verliere, die Nervosität überhandnimmt oder ich in den Menschenmassen krank werde. Zudem profitiere ich von der Nähe zu Paris und trainiere so lange wie möglich unter meinem persönlichen Coach in Zürich. In Paris angekommen mache ich mich mit allen Locations und Abläufen vertraut und absolviere meine Abschlusstrainings.
Welche Veranstaltungen neben deinen Wettkämpfen möchtest bzw. musst du besuchen?
Mein Fokus ist absolut auf meinen Wettkampf ausgerichtet. Was es rundherum noch gibt, werde ich erst danach wahrnehmen. Was selbstverständlich dazu gehört sind diverse Medientermine und einer der globalen Hauptsponsoren der Spiele in Paris, Toyota, hat mich nach den Wettkämpfen zu einem Event in Paris eingeladen.
Wie sieht dein Zeitplan am Tag deines Wettkampfs aus?
Ich werde lange schlafen, weil mein Wettkampf erst am späten Abend stattfindet. Ansonsten kümmere ich mich darum, dass mein Körper mit den nötigen Nährstoffen und mein Kopf mit der nötigen Ablenkung (lesen, Gesellschaftsspiele, spazieren) versorgt wird, bevor ich mich etwa um 18:00 Uhr auf den Weg ins Stade de France mache.
Worauf freust du dich am meisten?
Auf die gute Stimmung, hoffentlich viele Zuschauer und attraktive Wettkämpfe.
Wie ist das Verhältnis unter den Athletinnen?
Ausserhalb der Wettkämpfe ist das Verhältnis unter den meisten freundschaftlich, auf dem Wettkampfgelände ändert sich dies jedoch und alle verwandeln sich in Konkurrentinnen.
Welche Wettkämpfe in den nächsten Tagen in Paris (neben deinem) sind deiner Ansicht nach besonders sehenswert?
Ich bin ein grosser Leichtathletik Fan, daher faszinieren mich die Sprints und der Weitsprung der T11 (=blind) Kategorie aufgrund der perfekten Synchronität auf so hohem Tempo und dem wortwörtlich blinden Vertrauen beim Weitsprung. Ich kann aber ehrlicherweise jeder Sportart etwas Spannendes abgewinnen, deswegen sind für mich alle sehenswert.
Gibt es an den Paralympischen Spielen Star-Athletinnen oder Athleten und wenn ja, wer sind diese?
Klar, es gibt ganz viele. In der Rollstuhlleichtathletik ist die Schweiz sehr prominent vertreten: Marcel Hug, Manuela Schär oder Catherine Debrunner. Zudem bricht der Deutsche Markus Rehm regelmässig seinen eigenen Weltrekord im Weitsprung mit einer Unterschenkelprothese, der aktuelle ist 8.72m! Zudem ist er auch Orthopädietechniker und hat meine Blades hergestellt. In anderen Sportarten ist es zum Beispiel die italienische Fechterin Bebe Vio mit 1.3 Mio Followern auf Instagram, die eine Hauptrolle in der Netflix-Dokumentation «Rising Phoenix» spielte.
Wie gross ist der Stellenwert des Parasports in den teilnehmenden Nationen?
Generell sehr hoch. Es ist das grösste Highlight einer Para-Sportkarriere und es wird sich auch entsprechend darauf vorbereitet. Es gibt aber noch Unterschiede: während in England oder Australien alles hochprofessionell abläuft und der Stellenwert innerhalb der Nation ähnlich hoch, wie bei den olympischen Spielen ist, gibt es in anderen Nationen wie zum Beispiel Jamaica diesbezüglich noch Nachholbedarf.
Was sind deine nächsten sportlichen Ziele nach Paris?
Ich werde am Wochenende nach den Spielen noch ein Rennen am Diamond League Finale in Brüssel am 13. September 2024 bestreiten, bevor ich mich für ein paar Wochen in die Off-Season verabschiede. Nächstes Jahr steht wieder eine Weltmeisterschaft an und für das dafür anstehende Wintertraining möchte ich erholt sein.
Die Fachhochschule Graubünden wünscht Abassia viel Erfolg.
Ihr Vorlauf am 5. September um 20:42 Uhr wird auf SRF Sport live gezeigt. Wenn Abassia den Einzug in den Final schafft, rennt sie am nächsten Tag am 6. September um 19:14 Uhr um die Medaillen mit. Auch dieser Lauf wird auf SRF Sport live und im Live-Stream ausgestrahlt.
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