«New Work muss raus aus der Elite-Blase», mahnte bereits 2018 Nicole Thurn an, freie Journalistin und Moderatorin. Die meisten Publikationen, Studien und in der Praxis umgesetzten Konzepte zu New Work (neue Arbeitswelten) beschäftigen sich mit flexiblen Arbeitszeitmodellen, Homeoffice sowie Raumgestaltung und Formen der Zusammenarbeit für Büroangestellte. 2023 rückte eine Studie der Randstadt Zeitarbeitsfirma in den Fokus, dass auch Arbeitnehmende ausserhalb der Büros (im Englischen die ‘Non-Office Workers’) den Wunsch nach Flexibilität und alternativen Arbeitsmodellen haben. Seitdem scheint jedoch noch nicht viel passiert zu sein, obwohl der Handlungsdruck für die Unternehmen steigt.
In diesem Monat sind wieder viele junge Menschen in Graubünden in die berufliche Grundbildung gestartet. Die Zahlen dürften wieder auf dem Vorjahresniveau liegen, als insgesamt rund 1600 Lernende an Bündner Berufsfachschulen starteten. Davon arbeiten nur etwa 200 Lernende in Büro-Jobs, während 1400 Lernende eine Lehre ausserhalb des Büros wählten. Diesem Teil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden die meisten Konzepte zu New Work also eher nicht gerecht. Schichtbetrieb in Spitälern, komplex und eng getaktete Produktionsabläufe in der Industrie oder unvorhersehbare Störungseinsätze in der Energiewirtschaft; Es gibt verschiedenste Szenarien ausserhalb der Büros, die es schwierig erscheinen lassen, New-Work-Konzepte umzusetzen.
Und dennoch sind die Bedürfnisse nach neuen Lösungen da, wie eine Studie der Fachhochschule Graubünden beispielhaft für das Bauhauptgewerbe in Graubünden herausgefunden hat. Gefragt nach ihren Bedürfnissen und Wünschen am Arbeitsplatz zeigten Baupoliere und Bauführerinnen auf, dass auch bei körperlich fordernder Arbeit Themen wie Arbeitszeitgestaltung, Wertschätzung, Führungsverständnis oder Weiterbildung wichtig sind. Und dabei ist es keineswegs einfach, das richtige Modell zu finden. Beispielsweise finden 72 Prozent der Befragungsteilnehmer die herkömmliche 5-Tage-Woche attraktiv. Mit der 5-Tage-Woche würde man also die Mehrheit ansprechen. Aber Fakt ist auch, dass 68 Prozent auch eine 4-Tage-Woche interessant fänden.
Unternehmerinnen und Unternehmer sind daher gefordert, die Bedürfnisse individuell zu erkennen und nach Wegen zu suchen, diese zu adressieren. Wer das nicht tut, droht im Wettbewerb um die immer knapper werdenden Fachkräfte ins Hintertreffen zu geraten. Fehlende Personalressourcen limitieren nicht nur künftiges Wachstum, sondern führen bei einer alternden Belegschaft sogar zu einer wirtschaftlichen Schwächung. Wenn die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer aus dem Erwerbsleben ausscheiden, wird in allen Berufsfeldern eine Lücke am Arbeitsmarkt entstehen. Künftige Generationen von Non-Office-Workers werden es sich daher erlauben dürfen, New Work auch in ihrer Arbeitsumgebung zu fordern. Im Gegenzug ist mit höherer Leistung, Zufriedenheit und Loyalität der Mitarbeitenden zu rechnen.
In diesem Sinne formulierte ein im Rahmen der FHGR-Studie befragter junger Bauführer, es gehe bei New Work für Non-Office-Workers nicht um das «ob», sondern um das «wie». Also, liebe Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, seid mutig, kreativ und proaktiv, damit von den 1400 Non-Office-Lernenden in Graubünden möglichst viele ihr Talent auch nach der Ausbildung in Graubünden einsetzen werden.
Prof. Dr. Frank Bau ist Professor für Leadership und General Management am Zentrum für Betriebswirtschaftslehre der FH Graubünden. Alle vier Wochen diskutiert die einzige Fachhochschule im Kanton an dieser Stelle aktuelle Themen aus Lehre und Forschung.