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Neue Hel­din­nen und Helden brau­chen wir

Alles wird vermessen, alles wird standardisiert. Wenn wir die Welt nicht in Zahlen legen können, existiert sie nicht.

Wenn wir sie nicht statistisch abbilden können, fühlen wir uns unsicher. Nur wer zertifiziert ist, darf arbeiten; es wird nur derjenigen vertraut, die über jeden einzelnen ihrer Schritte Rechenschaft ablegen kann.

Wir verwalten unser Leben oder lassen es von Beratern analysieren, bewerten und reorganisieren, damit wir es besser so verwalten können, wie es alle anderen tun. Das Bedürfnis nach Routine, Berechenbarkeit, Erwartbarkeit ist einer der Grundpfeiler menschlichen Daseins. Ebenso wirkmächtig ist aber das Bedürfnis nach Veränderung, nach kreativ Neuem, nach Revolution. Die Ökonomisierung der Gesellschaft, die insbesondere seit dem Ende der 1970er Jahre praktisch alle Lebensbereiche erfasst hat, führte sowohl zur Standardisierung wie auch zur Kreation eines neuen Helden: Dem Unternehmer. Alle sollten Unternehmer werden, unternehmerisch denken, Startups gründen, Geld verdienen und dann konsumieren. Dieser neoliberale Höhepunkt materialistisch-konsumistischen Agierens führte unter anderem in die ökologische Krise und zu einer globalisierten Ungleichheit mit weltumspannenden Migrationsbewegungen.

Kreativ sein, bestehende Gepflogenheiten und Normen überschreiten, um neue Wirklichkeiten zu erschaffen, ist keineswegs das Kennzeichen ökonomischen Unternehmertums alleine. Seit jeher haben Menschen erschaffen, erhalten und über den Haufen geworfen, und dies in der Religion, der Philosophie, der Kunst, der Medizin, den Naturwissenschaften, der Politik, der Ökonomie und sogar dem für Stabilität zuständigen Recht.

Die nächste Generation wird bald die Macht in allen Sphären der Gesellschaft übernehmen müssen (noch eine biologische Gesetzmässigkeit) und hoffentlich auch wollen. Den öffentlichen Raum, die Plätze und Strassen und die sozialen Netzwerke besetzen sie bereits gekonnt und dynamisch. Den Schritt in die Institutionen, die sie wie angestammt nutzen oder ihren Bedürfnissen entsprechend anpassen werden, müssen sie noch gehen. Um die anstehenden Probleme lösen und neue vermeiden zu können, wird viel kreative Energie notwendig sein, die die Welt von morgen auf neuen Wertegrundlagen ersinnt und verwirklicht.

Wir brauchen neue Vorbilder: Der neoliberal-materialistische Entrepreneur sollte durch die gemeinwohlorientierte solidarisch-verantwortliche Humanistin ersetzt werden. Freiheit ist eine Voraussetzung von Kreativität. Erstere aber nur zur ich-zentrierten Selbstverwirklichung zu nutzen, wird nicht reichen. Auch brauchen wir Kreativität, die weitergeht als das rein ökonomische Unternehmertum. Wir brauchen kreative Menschen, die über die aktuellen Grenzen hinaus sich als gesellschaftliche Individuen sehen, welche Teil der lokalen und der globalen Verantwortung sind und am Gemeinwohl mitarbeiten. Auch sollten sie in der Lage sein, Alternativen zur ökonomischen Effizienz- und Verwertungslogik zu ersinnen.

Es geht nicht um Kreativität per se, denn Normen und Grenzen zu überschreiten ist nicht ein Selbstzweck. Und die Auswahl der «richtigen» Lösung dem Markt zu überlassen, stellt einen zu einfachen Verzicht auf Verantwortung dar. Die Konstruktion der Zukunft ist ein politischer Akt, der zukunftsträchtigen integrativen Werten wie Menschenwürde, Gerechtigkeit, Solidarität, Gemeinwohl, Freiheit und Verantwortung folgt.

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