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Mutig und un­ab­hän­gig: Fünf Jahre Re­pu­blik

«Ohne guten Journalismus keine Demokratie», so lautet das Credo der Republik. Mit qualitativ hochwertigem Journalismus setzten sie ein Zeichen gegen die Folgen der stetigen Sparmassnahmen der grossen Medienplayer:innen. Dabei finanziert sie sich ausschliesslich durch die Leserschaft und ist werbefrei. Welche Herausforderungen es dabei zu meistern gilt, erfahren wir bei unserem Besuch.

Im Minor New Independent Media des Studiengangs Multimedia Production lernen wir durch unseren Dozenten Bruno Schatz neue und alternative Medien kennen und untersuchen dabei redaktionelle, kommerzielle, technische und unternehmerische Fragen. Dieses Mal unterhalten wir uns mit Richard Höchner, einem der Mitgründer der Republik. Die Räumlichkeiten der Republik befinden sich im ehemaligen Hotel Rothaus an der Langstrasse in Zürich.

Das 1891 erbaute Eckhaus war mal Gaststätte, Bordell, Hotel und Bar und wurde 2017 zum Hauptquartier der Republik. Eine sympathische Festung, deren Fenster sich ab und zu zum Leben der Strasse hin öffnen, während im Bauch fokussiert an Texten und der Zukunft des Magazins gearbeitet wird.

Richard empfängt uns «per du» und lenkt uns direkt zur Bar hin. First stop: Coffee. Es versinkt sich gut in den gepolsterten Eckbänken der Lounge, während unser Gastgeber zur Präsentation ansetzt.

Alles auf Anfang

Wir erfahren von der Gründungsphase 2015 im kleinen Kreis. Gestartet habe es mit vielen Diskussionen rund um den Wandel der Medienwelt im digitalen Zeitalter, in dem Informationen plötzlich jederzeit frei zugänglich sind und Journalist:innen ihre Position als Gate-Keeper:innen zunehmend verlieren.

Einladung zu einer kleinen Rebellion

Aus den Diskussionen entstand ein Businessplan und gleichzeitig die erste Einladung zur kleinen Rebellion. Das Konzept wurde an mögliche Mitstreitende und Investor:innen verschickt, deren Feedback eingeholt und anschliessend in Workshops weiterentwickelt.

Obwohl sich nach geraumer Zeit bereits Investor:innen fanden, reichte es noch nicht. So entstand die Idee einer Finanzierung durch öffentliches Crowdfunding. An dieser Stelle zeigt uns Richard das damalige Kampagnenvideo aus dem Jahr 2017. Es wird still im Raum. Die Message ist klar: Es ist Zeit, sich gegen die Monopolisierung der Medienkonzerne zu wehren. Ohne unabhängigen Journalismus gibt es keine Demokratie. Dieses Video überzeugte 13'845 andere Menschen sich der Suche nach einer zeitgenössischen Form von Journalismus anzuschliessen und das Projekt zu unterstützen.

«Das war der verrückteste Monat meines Lebens.», erinnert sich Richard, «Nach der Anfangseuphorie wurden wir überrollt vom Erfolg. Wir hatten 14'000 Abos verkauft. Wir mussten uns zuerst sortieren, herausfinden, wie wir mit dem Erfolg umgehen. Innerhalb eines halben Jahres musste alles aufgebaut werden… Es war alles extrem stressig.»

Dieses Jahr steht das fünfjährige Jubiläum des digitalen Magazins für Politik, Wirtschaft und Kultur an. Die Räumlichkeiten im Rothaus sind vollständig belegt. Über 55 Mitarbeitende leisten ihren Beitrag, von denen mittlerweile mehr als 40 fest angestellt sind.

Eine klare Stimme im «Informations-Lärm»

Was bedeutet nun zeitgenössischer Qualitätsjournalismus? Richard erklärt den Leitfaden des «Project R’s». Die Republik sehe ihre Aufgabe nicht mehr nur im Verschaffen des Zugangs zu Information, sondern vielmehr auch in deren Einordnung und Aufarbeitung für die Lesenden.

«Weil wir unabhängig von Werbung sind, müssen wir keinen Clickbait-Journalismus betreiben und auch nicht direkt auf jeden News-Hype aufspringen. So sind wir vielleicht nicht die ersten, die über ein Thema berichten, aber dafür schreiben wir den definitiven Artikel dazu.»

Community+

Richard betont, dass das «Project R» nicht nur von den publizierten Beiträgen, sondern vor allem von seinen Mitgliedern lebt. Es soll ein aktiver und konstruktiver Dialog zwischen Autor:innen und den rund 26’000 Lesenden stattfinden. Die Pflege und Aktivierung dieses Austauschs übernimmt das Team «Community+», für das Richard verantwortlich ist.

Es gelte, die Verleger:innen je nach Bedürfnis, Interesse oder gar ehrenamtlichem Engagement, weiterhin zu begeistern und abzuholen. Dieser Ansatz widerspiegelt sich auch in der Unternehmensform. Die Republik gehört je zu knapp der Hälfte (46%) den Mitgliedern der Genossenschaft und dem Gründungsteam. Wer ein Jahresabo abschliesst, wird automatisch Teil der Community und darf den Genossenschaftsrat mitwählen.

Die NIM-Klasse wurde in der Rothaus-Bar mit Kaffee begrüsst
Eine kurze Einführung zum «Project R» von Richard Höchner, Leiter der «Community+»
Danach gab es eine Tour durch das Rothaus-Gebäude und die verschiedenen Redaktionszimmer.
Auch in die Tonstudios konnten die Studierenden einen Blick hineinwerfen.
Anschliessend an die Tour durften die Studierenden bei der «„Community+»“ - Teamsitzung zur Jubiläums- Kampagne mitlauschen.

Die NIM-Klasse wurde in der Rothaus-Bar mit Kaffee begrüsst

Eine kurze Einführung zum «Project R» von Richard Höchner, Leiter der «Community+».

Danach gab es eine Tour durch das Rothaus-Gebäude und die verschiedenen Redaktionszimmer.

Auch in die Tonstudios konnten die Studierenden einen Blick hineinwerfen.

Anschliessend an die Tour durften die Studierenden bei der «Community+» - Teamsitzung zur Jubiläums- Kampagne mitlauschen.

Mehr Vielfalt = mehr Impact

Immer wieder werde der Republik vorgeworfen, ihre Leserschaft bestünde mehrheitlich aus Akademiker:innen und finanziell Bessergestellten. Mit den langen Beiträgen über meist komplexere Themen würden sie nur eine kleine Mehrheit ansprechen und somit nur einen Teil der demokratischen Gesellschaft nachhaltig informieren.

Darauf angesprochen erwidert Richard: «Wir möchten zwar eine harte Paywall behalten, aber gleichzeitig unsere Reichweite erhöhen. Denn um einen wirklichen gesellschaftlichen Impact zu haben, brauchen wir ein breiteres Zielpublikum.» Dieser Spagat sei eine Herausforderung.

Seit einem Jahr seien die Abo-Zahlen zudem leicht rückläufig. Aus diesem Grund schaltet das «Community+» Team zum fünfjährigen Jubiläum eine Kampagne, zu der Richard im Verlauf des Nachmittages noch unser Feedback einholt. Hier dürfen wir unsere MMP-Expertise umfangreich einbringen.

Von Februar bis April kann jedes Mitglied der Republik fünf Jahresabos verteilen, und dies zum selbst festgelegten Preis. Für jedes gewonnene Mitglied wird den Rekrutierenden im Gegenzug ein Monat vom Jahrespreis abgezogen. Das (ambitionierte) Ziel: bis Sommer auf 33’000 Verleger:innen und damit Abonnent:innen zu kommen. Die Botschaft: «Wir haben in den letzten fünf Jahren schon bewiesen, dass unabhängiger Journalismus funktioniert und wollen in den nächsten fünf Jahren noch vielfältiger und grösser werden.»

Tour de Rothaus

Nach der Einführung in das «Project R» gilt es, die Räumlichkeiten des ehemaligen Hotels zu erkundigen. Die früheren Zimmer wurden zu Büros umfunktioniert. Mit dem stetigen Ausbau des Teams wird es langsam eng. «Es ist zwar ziemlich cool in alten Hotelzimmern zu arbeiten, aber der Austausch wird durch die vielen Türen erschwert», erzählt Richard.

Im Pausenraum leisten die Verleger:innen Gesellschaft, deren Schwarz-Weiss-Portraits fortlaufend auf dem Bildschirm eingeblendet werden. Sie sollen vor Augen halten, für wen täglich gebrainstormed, diskutiert und publiziert wird.

Gespräche in der Arena

Nach dem Rundgang zurück in der Bar dürfen wir einem Meeting von Richards «Community+»-Team beiwohnen. Wir kapern wieder die Eckbänke, während das Team in der Mitte einen Kreis bildet.

Hauptthema ist der morgige Start der neuen Kampagne: «Wer klettert auf den Balkon und hängt den Jubiläumsbanner auf?», «Wer hält das ganze filmisch fest?», «Wann ist das Wetter günstiger?»...

Im Meeting wird spontan und flexibel geplant. Auch das Privatleben, beispielsweise Familiengeburtstage, findet Raum. Die Stimmung wirkt harmonisch und eingespielt, meinen die Studierenden. «Täuscht euch nicht! Ihr müsstet mal in der Planungsphase dabei sein. Da gehts wilder zu und her!», gibt Richard ehrlicherweise zu.

Einer der Blicke hinaus in die hektische Langstrasse im «Chreis Cheib» (Kreis 4).
Wofür man hier arbeitet, erfährt man als Mitarbeiter:in oder Besucher:in immer wieder auf verschiedene Weise und an verschiedenen Orten.
Auf dem Heimweg hing das Jubiläums-Banner nach einer waghalsigen Kletteraktion von Dominik (Junior Audience Developer) bereits vom Balkon.

Einer der Blicke hinaus in die hektische Langstrasse im «Chreis Cheib» (Kreis 4).

Wofür man hier arbeitet, erfährt man als Mitarbeiter:in oder Besucher:in immer wieder auf verschiedene Weise und an verschiedenen Orten.

Auf dem Heimweg hing das Jubiläums-Banner nach einer waghalsigen Kletteraktion von Dominik (Junior Audience Developer) bereits vom Balkon.

Es ist Zeit

Nachdem das Team sich wieder der Arbeit zuwendet, holt Richard noch unser Feedback zur Jubiläums-Kampagne ein. Sie wird grösstenteils positiv «abgesegnet».

Eine Gruppe des Minors wird während des Semesters noch eine neue Kampagnen-Strategie für die Republik ausarbeiten. Wer weiss, vielleicht entsteht daraus die nächste grosse Republik-Kampagne!

Es war ein spannender Einblick in die Festung der kleinen Rebellion. Draussen lärmt die Langstrasse, als wir das Rothaus verlassen. Den Kopf randvoll mit hundert neuen Denkanstössen und die Hosentaschen gestopft mit Gratis-Stickern, die wir auf dem Weg zum Bahnhof an die Ampeln kleben. 

Es ist Zeit. Ohne unabhängigen Journalismus gibt es keine Demokratie. Und wir werden unseren Beitrag leisten.

Dieser Beitrag wurde von den Multimedia-Production-Studierenden Lia Monnier, Louis Hosali und Rahel Jenny Egger in Zusammenarbeit mit ihrem Dozenten Bruno Schatz erstellt. Mit weiteren Studierenden und ihrem Dozenten Bruno Schatz erforschen sie die Branche der neuen unabhängigen Medien.

Anzahl Kommentare 1
Kommentar

Petra Hasler 01.04.2023

Interessanter Beitrag, toll geschrieben :)