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Lawinen- und Stein­schlag­ver­bau si­che­rer gemacht

Ganz ehrlich: Es gibt Forschungsthemen, die klingen einfach nicht sexy. Sie sind oftmals sehr spezifisch und erregen kein grosses Aufsehen. Für viele Menschen sind sie zu wenig greifbar, dadurch hält sich auch das mediale Interesse in Grenzen. Und trotzdem können sie uns alle jeden Tag betreffen. Ein nun abgeschlossenes Forschungsprojekt des Instituts für Bauen im alpinen Raum der Fachhochschule Graubünden gehört genau in diese Kategorie. Sein etwas sperriger Titel lautet «Tragverhalten von Geotextilsäcken bei Ankern im Lawinen- und Steinschlagverbau».

Wohl alle im Kanton Graubünden wohnhaften Personen können einen Standort nennen, an welchem eine Lawinen- oder Steinschlagverbauung angebracht wurde. Wissen Sie aber auch, wie diese lebensrettenden Installationen an Ort und Stelle bleiben können? Ihre Fundamente werden im Boden verankert. Hierzu wird eine Ankerstange in ein Bohrloch eingesetzt und vermörtelt. Das Ziel ist, ein Verbund zwischen Ankerstange und Umgebungsgestein herzustellen, so dass ein tragfähiger Baugrund geschaffen wird. Das Problem ist allerdings, dass der Untergrund oftmals aus einem Lockergestein wie Hangschutt oder Moräne besteht, oder dass der Felsuntergrund sehr klüftig ist. Der eingebrachte Mörtel verfüllt also alle Hohlräume im Untergrund, bevor er dort wirken kann, wo er soll – im Bohrloch selbst. Man spricht auch von grossen Mörtelverlusten, wenn ein Vielfaches des eigentlichen Bohrlochvolumens an Mörtel gebraucht wird. Freude daran hat nur die Mörtelindustrie. Für alle anderen bedeutet dies mehr Materialverbrauch und höheren Arbeitsaufwand, unter dem Strich also höhere Kosten. Aus diesem Grund gibt es die sogenannten Geotextilsäcke. Es handelt sich dabei um eine Art Strumpf, welcher der Ankerstange vor deren Einbringung in das Bohrloch übergezogen wird. Aufgabe des Strumpfes ist es, den Mörtel dort zu halten, wo er bleiben soll, im Bohrloch. Der Strumpf muss reissfest sein, sodass er nicht schon beim Einbau kaputt geht. Er soll etwas Mörtel austreten lassen, so dass ein Verbund mit dem Umgebungsgestein entstehen kann. Aber nicht zu viel, da sonst der Mörtelverlust zu gross ist. Elastisch wäre nicht schlecht, um sich den Unebenheiten im Untergrund anzupassen. Zudem soll die Tragkraft des Ankers möglichst hoch sein.

Sie sehen, die Anforderungen sind gross, das Angebot an Geotextilsäcken am Markt ebenso. Und obwohl schon vielfach in der Praxis eingesetzt, kam bis zu unserem unsexy klingenden Projekt noch niemand auf die Idee, die Wirkung dieser Strümpfe zu testen, obwohl sie bereits vielerorts verbaut wurden. Wir haben sie getestet, das Resultat ist ernüchternd. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Geotextilsäcken sind immens und keiner der marktüblichen Strümpfe erfüllt die Anforderungen vollumfänglich.

Und damit nicht alle den 120-Seiten starken Schlussbericht lesen müssen, haben wir auch ein viel kürzeres Merkblatt im Namen des Bundesamts für Umwelt (BAFU) verfasst. Es soll noch dieses Jahr publiziert werden und trägt den Titel «Merkblatt zur Anwendung von Geotextilsäcken bei Ankern im Lawinen- und Steinschlagverbau». Korrekt, unsexy und trotzdem von grosser Bedeutung.

Jetzt sollte nur noch der Non-Plus-Ultra-Geotextilsack entwickelt werden…

Seraina Braun-Badertscher ist wissenschaftliche Projektleiterin am Institut für Bauen im alpinen Raum der FH Graubünden. Alle vier Wochen diskutiert die Fachhochschule Graubünden an dieser Stelle aktuelle Themen aus Lehre und Forschung.

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