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«Ich habe noch viel vor.» – In­ter­view mit Jürg Kessler

Ende 2024 geht Jürg Kessler nach über 20 Jahren als Rektor der FH Graubünden in den Ruhestand. Wobei Ruhestand wohl nicht ganz das richtige Wort ist, denn er hat viele Pläne. Wir haben mit Jürg über Netzwerke und die Zukunft der FHGR Alumni und über sein Leben nach der Fachhochschule gesprochen.

In knapp zwei Monaten hast du deinen letzten Arbeitstag. Worauf freust du dich?

Ich habe kürzlich ein Buch von Ludwig Hasler gelesen. Es heisst: «Für ein Alter, das noch was vorhat.» Er schreibt, dass man mit Jassen und Grillieren allein nicht glücklich wird. Man kann auch im Alter die Zukunft mitgestalten. Ich freue mich darauf, wieder neue Dinge zu erleben, welche ich bisher noch nicht machen konnte und für die ich mehr Zeit haben werde. Zum Beispiel möchte ich mein Wissen und meine Erfahrung weitergeben.

Welche Pläne hast du für die Zeit nach deiner Pensionierung?

Neben dem Neuen soll auch Platz für das Bestehende sein. So werde ich meine Ämter als Präsident des Forum Prättigau/Davos, als Vizepräsident der Academia Raetica oder als nebenamtlicher Richter am Regionalgericht Imboden weiterführen. Mit diesen bestehenden Ämtern und neuen habe ich sechs Aufgaben, die mich beschäftigen werden. Ich muss aber auch aufpassen, dass es nicht zu viel wird. Die Partnerschaft mit meiner Frau begann vor 50 Jahren und verheiratet sind wir seit knapp 40 Jahren. So wollen wir die freiwerdende Zeit wieder vermehrt gemeinsam geniessen.

Was wirst du nicht vermissen?

Ich war viel am Wochenende oder abends eingespannt. Das habe ich immer gerne und mit viel Engagement gemacht. Heute freue ich mich aber auch darauf, künftig am Sonntagmorgen mit meiner Frau zu brunchen und keine Verpflichtungen zu haben.

Wie wird dein letzter Arbeitstag aussehen?

Ich werde durch alle Gebäude gehen und mich von allen Kolleginnen und Kollegen persönlich verabschieden.

Welches Erlebnis während deiner Zeit an der FH Graubünden ist dir besonders in Erinnerung geblieben?

Persönlich war es die Diplomübergabe von mir an meine Tochter vor neun Jahren. Beruflich war es der erste Arbeitstag an der Fachhochschule am 1. September 2003. Kurz vor Mittag eröffnete ich als Mitglied der Geschäftsleitung des Flughafens Zürich und Gesamtprojektleiter der 5. Ausbauetappe das Dok E als eines von acht Objekten. Nachmittags um 15 Uhr sass ich bereits in meinem neuen Büro der damaligen HTW Chur. Ein ebenso einprägsames Erlebnis war die Selbstständigkeit der FH Graubünden vor fünf Jahren. Hier konnten wir zeigen, was wir als starkes Team gemeinsam erreichen können.

Gibt es auch ein Alumni-Erlebnis?

Natürlich. Wir haben mit dem Verein eine Schmiede in Murg besucht und durften gemeinsam einen grossen Nagel schmieden. Aber auch die 60-Jahre-Feier im vergangenen Jahr hat gezeigt, wie wichtig die Alumni sind und wird mir in Erinnerung bleiben. Viele haben sich damals an ihre Studienzeit erinnert, was die Verbundenheit mit der Hochschule gestärkt hat. Und was mich natürlich immer freut, sind Einladungen zu Klassentreffen der Alumni. Kürzlich durfte ich den Abschlussjahrgang 1971 begrüssen.

Was möchtest du unbedingt noch bis Ende Jahr erledigen?

Bei meinem Amtsantritt konnte ich die Früchte der Vorarbeit eines tollen Teams ernten. Damals ging es um die Einführung des Studienangebots Tourismus.

Nun möchte ich meinem Nachfolger Gian-Paolo Curcio eine zukunftsfähige Hochschule übergeben. Er ist bereits in wichtige Entscheidungen eingebunden. Die Arbeiten zum Studienangebot «Pflege» sollen so weit vorangeschritten sein, dass dieser im Herbstsemester 2026 gestartet werden kann.

Was hat sich seit deinem Amtsantritt verändert?

Ich war der erste Rektor der damaligen HTW Chur. Vor mir war die Hochschule nämlich erst gut zwei Jahre alt und wurde ad interim vom damaligen Präsidenten Dieter Heller geführt. Die HTW Chur ist aus der Hochschule für Technik und Architektur und der Hochschule für Wirtschaft und Tourismus entstanden. Diese Fusion musste zuerst emotional vollzogen werden: aus zwei Kulturen eine Gemeinschaft entwickeln.

Wir sind stark gewachsen: 2003 waren 589 Studierende in einem FH-Diplomstudiengang eingeschrieben, heute sind es 1800 plus 400 Weiterbildungsabsolventinnen und -absolventen. Das Forschungsvolumen ist von rund 400'000 auf 11–12 Mio. Franken gestiegen.

Mir war es wichtig, dass das eigentliche Studium auf drei Pfeilern steht – analog dem Prättigauer Melkstühli, das mit seinen drei Beinen eine perfekte Statik aufweist –, nämlich dem Hochschulsport, dem Kulturangebot und dem eigentlichen Studium. Deshalb haben wir 2006 den Hochschulsport eingeführt und das Kulturangebot der Bibliothek unterstützt.

Welche Beziehungen oder Netzwerke haben sich für dich als besonders wertvoll erwiesen? Und wie pflegst du sie?

Ein Beispiel: Das positive Abstimmungsergebnis zum neuen Fachhochschulzentrum ist unter anderem dieser Netzwerkarbeit zu verdanken. Deshalb sind wir an der Fachhochschule breit aufgestellt. Wir pflegen Netzwerke im persönlichen, politischen, wirtschaftlichen und akademischen Bereich, regionale, aber auch nationale Netzwerke.

Du hast die Alumni-Entwicklung vorangetrieben. Wie hast du die Entwicklung der FHGR Alumni in den letzten 20 Jahren wahrgenommen?

Die früheren Treiber waren Informationswissenschaftler:innen, Touristiker:innen und Betriebsökonom:innen. Der Alumni-Verein war bisher stark von den Vollzeitstudierenden geprägt. Diese treten auch eher in die Studierendenvertretungen ein, was sich dann in der Alumni-Vereinigung niederschlägt. In den letzten Jahren ist jedoch der Anteil der Teilzeitstudierenden gestiegen.

Teilzeitstudierende haben ihr Netzwerk neben dem Studium auch im Beruf. Wenn dieses enge Netzwerk während des Studiums fehlt, wird es für den Alumni-Verein schwierig, ein solches aufzubauen.

Wo siehst du die Zukunft der Alumni?

Die Zukunft der Alumni sehe ich in einer noch stärkeren Scharnierfunktion, in der die FH Graubünden als lebenslange Bildungspartnerin und die Alumni als wertvolles Netzwerk untereinander sowie zur Hochschule fungieren.

Welchen Rat gibst du Gian-Paolo Curcio mit auf den Weg?

Ich schätze es sehr, dass er die wertvolle Aufgabe übernimmt, jungen Menschen eine Basis für ihren beruflichen Erfolg zu geben und Unternehmen in Forschungsprojekten zu Innovationen zu verhelfen. Er findet ein starkes Team vor. Deshalb möchte ich ihm keine Ratschläge geben, sondern nur eines sagen: Viel Erfolg!

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