Egal ob Bund, Kantone oder Gemeinden - die Coronakrise stellt für alle eine grosse Herausforderung dar. Doch wie meistern Gemeinden die aktuelle Situation?
Seit über einem Jahr stecken wir aufgrund des Coronavirus in einer schwierigen Lage. Wir alle mussten uns ein Stück weit von unserem gewohnten Leben verabschieden. Die vielseitigen und umfassenden Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie und zum Schutz der Menschen gehen in erster Linie vom Bund und von den Kantonen aus. Die Führung eines Staates oder eines Kantons ist bereits in normalen Zeiten keine einfache Aufgabe. Noch komplexer wird das Unterfangen, wenn plötzlich die Bewältigung einer Krise hinzukommt. Nicht vergessen darf man bei der Coronakrise, dass neben Bund und Kantonen insbesondere auch die Gemeinden in speziellem Ausmass gefordert sind. Dabei muss man sich unbedingt vor Augen führen, dass nach wie vor viele Gemeinden von gewählten Bürgerinnen und Bürgern geführt werden, die sich im Milizsystem nur nebenberuflich oder in ihrer Freizeit dafür engagieren können. Nicht nur beim Coronavirus, sondern beispielsweise auch bei einem Bergrutsch oder einem Hochwasser auf Gemeindegebiet drängt sich deshalb die Frage auf: Wie können Gemeinden unter diesen Umständen eine Krise erfolgreich meistern?
Gemeinden sind grundsätzlich nicht auf sich allein gestellt, sie können und sollen sich mit anderen zuständigen Stellen koordinieren. Martin Bühler, Chef des Kantonalen Führungsstabs Graubünden (KFS), hob im Interview mit der Südostschweiz am 28. Juni 2020 hervor: «Die Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen, Gemeinden und der Bevölkerung hat gut funktioniert, was die vorerst erfolgreiche Eindämmung der Pandemie erst möglich gemacht hat». Zudem profitieren Gemeinden im Milizsystem auch davon, dass Behördenmitglieder ihre im Berufs- oder Privatleben erworbenen Kenntnisse zur Krisenbewältigung einbringen können. So haben sich unzählige Gemeinden selbst kreativ gezeigt und beispielsweise Einkaufshilfen oder sogar ein kommunales Sorgentelefon eingerichtet. Teilweise wurden auch Gemeindeversammlungen im Freien durchgeführt oder kurzerhand Informationsvideos für die Bevölkerung erstellt. Gerade dabei handelt es sich um ein Kernanliegen der Bevölkerung: Gemeinden sollen aktiv, transparent und umfassend kommunizieren. Das darf zwar schon in normalen Zeiten erwartet werden, ist aber während schwierigen Lagen noch wichtiger, um die Bevölkerung auf dem Weg durch die Krise zu unterstützen und bei der Rückkehr zur Normalität zu begleiten.
Neben einer koordinierten Zusammenarbeit und einer guten Kommunikation sind übergeordnet die finanziellen Ressourcen essenziell, um Krisen überstehen zu können. Krisen ereignen sich meistens ohne Vorankündigung, was insbesondere für kleinere und mittlere Gemeinden sehr herausfordernd sein kann. Zunächst muss man dringliche Massnahmen zur Krisenbewältigung finanzieren und anschliessend können sich mittel- und langfristige Auswirkungen auf die Gemeindefinanzen ergeben. Dominik Just, Experte für Finanz- und Rechnungswesen an der FH Graubünden, weist deshalb in einem kürzlich erschienenen Leitfaden darauf hin, dass bei Krisen das Monitoring eine besondere Bedeutung erhält: «Einige Gemeinden überwachen ihre Liquidität aktuell mit zusätzlichem Aufwand, da sie davon ausgehen, dass Verzögerungen und Ausfälle auf der Einnahmenseite – z. B. bei Steuern und Gebühren – zu erwarten sind». Denn letztlich gilt auch für Gemeinden: Ziel ist es, gestärkt aus der Krise zu kommen und noch besser auf künftige Schwierigkeiten vorbereitet zu sein.
Raphael Wälter ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter am Zentrum für Verwaltungsmanagement der FH Graubünden.
Am 2. Juni 2021 findet das 4. GemeindeFORUM zum Thema «Gemeindeführung in Krisen» online statt – unter anderem mit Martin Bühler und Dominik Just. Alle vier Wochen diskutiert die Fachhochschule Graubünden an dieser Stelle aktuelle Themen aus Lehre und Forschung.