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Es gibt nichts Prak­ti­sche­res als eine gute (Ge­mein­de-)Stra­te­gie

«Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen», spöttelte einst der deutsche Ex-Bundeskanzler, Helmut Schmidt. Doch wer glaubt, Visionen und Strategie seien Gegensätze, verkennt das Wesen moderner Gemeindepolitik. Nur wer beides mit konkreten Projekten verbindet, schafft Fortschritt.

Soll unsere Gemeinde weiterwachsen, mehr in die eigene Schule investieren oder mit der Nachbargemeinde stärker zusammenarbeiten? Wie gehen wir mit Entwicklungen, beispielsweise dem demografischen Wandel oder neuen Arbeits- und Mobilitätsformen um? Mit solchen Überlegungen streben Gemeinden oft nach grösstmöglicher Eigenständigkeit. Sie möchten ihren oft begrenzten Entscheidungsspielraum durch selbstgestaltete, innovative Vorhaben ausbauen. Dafür brauchen sie eine sinnvolle Vision, eine klare Mission und Projektideen, die in einer übergreifenden Strategie verankert und zügig umgesetzt werden können. Für viele Schweizer Gemeindebehörden stellt dies eine Herausforderung dar: In der Milizpolitik fehlt neben Beruf, Familie und laufendem Geschäft häufig die nötige Zeit und Ruhe für vorausschauende Überlegungen. Zudem ist es nicht leicht, eine Gemeinde mit Ausstrahlung zu positionieren und Projekte tatsächlich voranzubringen – oft stocken die praktischen Schritte zur Realisierung.

Externe Beratung gefragt

Es erstaunt daher nicht, dass externe Beratung in Schweizer Gemeinden weit verbreitet ist. Dies belegen die neuesten Zahlen des Gemeindemonitorings 2024. Drei von fünf Gemeinden nahmen externe Beratungsleistungen in Anspruch – je grösser die Gemeinde, desto öfters. Unsere Forschung zeigt ein ähnliches Bild: 40 Prozent der Gemeinden lassen sich in ihrer Strategieentwicklung von Fachleuten beraten – vor allem um zu Fachwissen, einer externen Perspektive und zu branchenspezifischer Erfahrung zu gelangen. Kurz: Viele Gemeinden setzen sich aktiv mit der Zukunft ihrer Gemeinde auseinander und betreiben einen beachtlichen Aufwand.

Flexible Strategien

Doch lohnt sich das überhaupt? In der Praxis gewinnen Gemeinden mit strategischer Planung Vertrauen, wirken professionell, ziehen Fachkräfte an und stärken im besten Fall den sozialen Zusammenhalt. Bürgerinnen und Bürger erkennen, wie aus Ideen sichtbare Fortschritte wachsen – vom sanierten Rathaus bis zum digital vernetzten Dorfladen.

Gute Strategen denken vornehmlich in Mehrwerten. Sie fragen nicht (nur), was möglich wäre, sondern was sinnvoll ist. Welche Projekte steigern die Lebensqualität und den gesellschaftlichen Zusammenhalt? Wie machen wir den Ortskern lebendig, ohne Grünflächen zu opfern? Wie schaffen wir digitale Teilhabe für Jung und Alt? Die Antworten sollten in einer Strategie mit groben Entwicklungsachsen als Masterplan münden und in einem jährlichen, überprüfbaren Massnahmenkatalog greifbar sein.

Gleichzeitig darf eine Gemeindestrategie kein starres Korsett sein. Sie lebt von Feedback und Anpassung. Die Welt ist zu unsicher und volatil. Demografischer Wandel, technische Innovationen und politische und wirtschaftliche Machverhältnisse ändern die Rahmenbedingungen ständig. Deshalb braucht eine Gemeinde einen flexiblen Rahmen – Masterplan plus jährliche Korrekturschleifen – und sichert damit ihre Reaktionsfähigkeit. So bleibt die Planung ambitioniert und realistisch zugleich.

Mit Energie in der Umsetzung

Die Lehre lautet daher: Eine Vision ohne Strategie verkommt zu hohlem, oft beliebigem Pathos, Strategie ohne Vision dagegen wirkt austauschbar. Nur die Symbiose beider Komponenten bringt Gemeinden einen Schritt weiter und macht sie damit im besten Fall lebenswerter und zukunftsfähiger. Wer also wirklich etwas bewegen will, braucht keinen Arzt – sondern eine gemeinsam getragene Vision und die Strategie, sie praktisch und mit viel Energie zu verwirklichen.

Literaturhinweis: Curdin, Derungs: Strategien in Gemeinden – ein Playbook für die Praxis (Haupt Verlag, 2024)

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