Wenn über die Zukunft der Energie gesprochen wird, stehen oft technische Fragen im Vordergrund: Photovoltaikmodule, Speicherlösungen oder Netzausbau. Doch ebenso entscheidend ist die gesellschaftliche Dimension: Sind die Menschen bereit, diesen Wandel mitzutragen? Ohne breite Akzeptanz bleibt die Energiewende ein theoretisches Projekt.
Gerade in den Alpen wird das Spannungsfeld sichtbar. Hier bietet die intensive Wintersonne wertvolle Chancen für die Versorgungssicherheit. Alpine Photovoltaikanlagen könnten einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten. Gleichzeitig sind die Berglandschaften zentrale Räume für Erholung, Tourismus und Biodiversität. Wer die Bergwelt kennt, weiss: Ein Photovoltaikfeld verändert nicht nur das Landschaftsbild, es verändert damit auch die Wahrnehmung des Ortes. Darüber wird intensiv diskutiert. Für die einen sind Photovoltaikanlagen im Hochgebirge eine logische und notwendige Weiterentwicklung, für andere ein umstrittener Eingriff in die Bergwelt. Das ist ein sensibler Punkt in der Debatte um Landschaftsnutzung.
Nachvollziehbare Emotionen prallen auf Fakten, verständliche Ängste auf Versprechungen. Akzeptanz entsteht dort, wo nicht nur Zahlen und Argumente zählen, sondern auch Vertrauen. Menschen wünschen sich Transparenz, nachvollziehbare Verfahren und die Möglichkeit, mitzureden.
Akzeptanz wächst vor allem dort, wo Menschen eingebunden werden und dadurch mitgestalten, mitbestimmen – und auch mitverdienen können. Je fairer die Lasten verteilt und je sichtbarer der Nutzen ist, desto grösser ist die Bereitschaft, ein Projekt mitzutragen. Aus skeptischen Stimmen könnten konstruktive Partner werden.
Energiewende und Tourismus
Neben der Bevölkerung und dem Naturschutz ist der Tourismus einer der wichtigsten Partner für Vorhaben in hochalpinen Landschaften. Der Tourismus lebt von der Schönheit der Natur, aber auch von Innovationskraft. Beides muss kein Widerspruch sein: Skigebiete könnten ihren Strombedarf vermehrt mit erneuerbaren Energien decken und gleichzeitig attraktive Destinationen sein. Ein erneuerbarer Energiemix kann sogar Teil der touristischen Erzählung werden.
Die Energiewende ist daher nicht nur ein technisches Vorhaben, sondern ein gemeinschaftlicher Prozess. Wer Transparenz schafft, Dialog ermöglicht und faire Abläufe garantiert, legt die Grundlage für Vertrauen. Diese Diskussion muss sehr sorgfältig geführt werden, denn am Ende geht es nicht allein um Photovoltaik, sondern um die Frage, wie wir unsere Berge künftig verstehen möchten: als Lebensraum, als Landschaft und auch als Energiequelle?
Eine Region, die für Naturerlebnis, Tourismus und Innovationskraft steht, kann zeigen, dass Energiewende und Landschaftsschutz keine Gegensätze sein müssen. So entsteht nicht nur Akzeptanz, sondern auch die Zuversicht, dass Energiewende und Lebensqualität Hand in Hand gehen können. Denn eines ist klar: Ohne Akzeptanz gerät die Energiewende ins Stocken.
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Departement Entwicklung im alpinen Raum
Aurelia Kogler ist Professorin für Tourismus und Dozierende für Nachhaltigkeitskommunikation und Mountain Tourism Management an der FH Graubünden. Als Touristikerin und Landschaftsplanerin verfügt sie über interdisziplinäre Expertise zu Klimawandel, Tourismus und Energieinfrastrukturen. Seit vielen Jahren beschäftigt sie sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf alpine Regionen sowie mit der Integration grosser Energieinfrastrukturen in hochalpine Landschaften – insbesondere in Bezug auf Tourismus, Landschaftsbild und nachhaltige Standortentwicklung. Alle vier Wochen diskutiert die einzige Fachhochschule im Kanton an dieser Stelle aktuelle Themen aus Lehre und Forschung.