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Ein Tag im Leben eines Ar­chi­tek­tur­stu­die­ren­den

Oder die Kunst die Nacht zum Tag zu machen.

Seit ich Architektur studiere verstehe ich Marathonläufer – und dies, obwohl ich selbst nie mehr als drei Kilometer am Stück gelaufen bin. Warum ich das denke? Weil sowohl beim Architekturstudium wie auch beim Marathonlauf die Grundeinstellung stimmen muss, um erfolgreich zu sein. Wenn ich einen Marathonläufer sehe, denke ich jedes Mal: «Warum zum Teufel tut der sich diese Tortur an?» Das kann doch keinen Spass machen!? Das Gleiche denken meine Freunde, wenn sie mir beim Lernen zusehen. Zugegeben. Rein nüchtern und von aussen betrachtet, könnte dieser Eindruck tatsächlich entstehen.

Aber fassen wir einen Tag im Leben eines Architekturstudierenden zusammen. Genauer genommen, ein Tag im Leben eines Teilzeit-Architekturstudierenden. Der grosse Unterschied zu den Vollzeitstudierenden ist, dass die meisten Teilzeitstudierenden nebenbei arbeiten. Klar, nur Schule wäre etwas entspannter, dennoch ist die praktische Erfahrung, die ich täglich sammeln kann, sehr wichtig für mein Studium. So arbeite ich drei Tage die Woche in einem Architekturbüro, die restlichen zwei Tage gehe ich zur Schule. Ein normaler Arbeitstag umfasst an die neun Stunden und beinhaltet beinahe alle Arbeiten, die in einem Architekturbüro anfallen: Pläne zeichnen, Visualisierungen erstellen, Modelle bauen, Baustellen besuchen und Wettbewerbsvorbereitungen. Wie man sieht, ein sehr abwechslungsreiches und spannendes Berufsfeld.

Aber es ist auch sehr anstrengend und da kommt der Vergleich mit dem Marathonläufer. Wenn die Arbeit im Büro zu Ende ist, fängt die Arbeit zu Hause erst richtig an. Wir sind erst bei Kilometer zwanzig. Zu Hause geht es darum, zu lesen, zu entwerfen, zu zeichnen, zu planen, Modelle zu bauen, zu schreiben und die Arbeiten für das Studium zu layouten. Nun werden sich all jene, die ein Teilzeitstudium in einem anderen Berufsfeld absolviert haben, denken: Wo ist denn da der Unterschied zu unserem Studium? Ganz einfach: Im Architekturstudium ist die Aufzählung einiges zeitintensiver. Ich spreche aus Erfahrung, denn ich habe bereits ein Bankwirtschaftsstudium erfolgreich abgeschlossen. Da war der Aufwand auch gross, aber einen anderen Schlaf-Rhythmus hatte ich mir damals nicht zugelegt. Heute schon!

Das Arbeiten bis spät in die Nacht ist mittlerweile zur Gewohnheit geworden. Der Kaffeekonsum ist markant gestiegen und das Privatleben ist inzwischen so privat, dass praktisch nur noch eine Person auf der Party anwesend ist. Spätestens jetzt fragt sich wohl auch der Leser: «Warum studiert er das bloss?»

Ganz einfach: Weil es riesig Spass macht! Die Zeit vergeht wie im Fluge. Wenn ich mich mit einem Projekt beschäftige, tauche ich völlig in die Aufgabe ein und mache mir tausende Gedanken dazu. Selbst wenn es bis in die Morgenstunden dauert. Es ist ein befreiendes und befriedigendes Gefühl, wenn dann nach stundenlangem Grübeln endlich der Geistesblitz aufleuchtet. Egal wie müde ich bin. Es motiviert mich weiterzumachen.

Wie gesagt: Von aussen betrachtet sieht man nur das nächtelange Wachsein, das Haareraufen, wenn etwas doch nicht funktioniert, oder die Verzweiflung, wenn mir nichts in den Sinn kommen will. Das sind die Momente, in denen auch ich mich manchmal frage: «Warum nur?»

Aber um auf den Vergleich mit dem Marathonläufer zurückzukommen: Ich sehe in der Büroarbeit das Training und im Studium den Marathon. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich die meisten Läufer spätestens bei Kilometer dreissig Gedanken machen, ob sie nicht das Handtuch schmeissen und umkehren sollen. Doch die Aussicht auf Erfolg weckt den Ehrgeiz. Weil das Ganze zudem eine Leidenschaft entfacht und fesselt, ist es für den Läufer wie auch für mich keine Tortur! Die Nacht zum Tag zu machen ist keine Kunst. Mit Freude am Geleisteten und Interesse an der Aufgabe geschieht dies fast von alleine: wie beim Marathonläufer.

Ich geniesse mein Studium und die Möglichkeit, die ich mir geschaffen habe. Wie Zaha Hadid schon sagte: «If you want an easy life, don’t be an architect!»

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