Das Jahresende ist traditionell ein guter Zeitpunkt, um Bilanz zu ziehen – sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext. Wir blicken zurück und fragen uns, was ist gut gelaufen, was weniger und was wollen wir im nächsten Jahr anders machen. Dasselbe gilt – im geschäftlichen Bereich – für eine zu Ende gehende Strategieperiode.
Für mich persönlich ist es in diesem Jahr ein spezielles Bilanzziehen. Nach 21 Jahren als Rektor der FH Graubünden verabschiede ich mich in den sogenannten dritten Lebensabschnitt. Sinnbildlich gehe ich über eine Brücke. Hinter mir liegen mehr als 40 Jahre Arbeitsleben und vor mir liegt ein Leben im Ruhestand. Aktuell stehe ich mitten auf dieser Brücke und blicke mit Dankbarkeit und, zugegebenermassen, etwas Wehmut zurück. Was mich in all den Jahren als Rektor begeistert hat, ist als Hochschule an den Karrieren junger Menschen bauen zu können. So durfte ich in den vergangenen zwei Jahrzehnten 6'587 Bachelor- und Masterdiplome an Absolventinnen und Absolventen überreichen. Die vor Freude strahlenden Gesichter waren für mich dabei immer der höchste Lohn. Ein weiterer Marker der Entwicklung war für mich die Forschung und deren Wirkung. Letzteres zeigt sich, da wir als Fachhochschule mehrheitlich angewandte Forschung betreiben, direkt in der auftraggebenden Organisation und – mit Verzögerung – in der Gesellschaft. Die Entwicklung lässt sich in Franken beziffern: Das Forschungsvolumen hat sich in dieser Zeit von 400'000 Franken zu über 11 Millionen Franken entwickelt.
Als ich im September 2003 meine Stelle in Chur antrat, war die Hochschule mit ihren 85 Festangestellten von überschaubarer Grösse. Wie in der Anzahl an Studierenden und Forschungsprojekten ist die Hochschule auch, was ihre Mitarbeitenden angeht, gewachsen. So sind die wichtigen Mitarbeitendenveranstaltungen mittlerweile ein gutes Gedächtnistraining für mich. Denn es ist mir ein grosses Anliegen, alle rund 360 Kolleginnen und Kollegen mit dem Namen ansprechen zu können. Auch der Austausch mit Wirtschaftsvertreterinnen, Vertretern der Verwaltung und Politikerinnen war in all den Jahren zentral. Dabei ging es mir persönlich immer darum, die Bedürfnisse aus Wirtschaft und Gesellschaft zu verstehen und zu lernen, welche Beiträge wir als FH Graubünden leisten können und wie wir gemeinsam einen Schritt weiterkommen, den Kanton Graubünden zu stärken. Dass ich dabei – der Sache willen – auch bereit war, «hübsch» zu streiten, dazu stehe ich. Denn mein voller Einsatz galt immer «ünschara Hochschual».
Und «ünschi Hochschual» hat mich mit Highlights verwöhnt. Der kürzlich vollzogene Spatenstich für den Bau des Fachhochschulzentrums Graubünden gehört auf jeden Fall dazu. Seit 2009 setze ich mich für einen Campus ein. Nun wird die Umsetzung konkret, was mich sehr freut. Auch die Selbständigkeit per 2020 ist einer meiner persönlichen Highlights. Erst als achte öffentlich-rechtliche Fachhochschule ist es uns und unserem Träger, dem Kanton Graubünden, möglich, die Studienangebote entsprechend den Bedürfnissen der hiesigen Unternehmungen zu entwickeln. Als Ingenieur freut es mich natürlich, dass wir dadurch insbesondere die Angebote in Technik und Informatik ausbauen konnten. So sind fünf der sieben in den letzten vier Jahren eingeführten Bachelor- und Masterangebote diesem Fachbereich zuzuordnen.
Nun gilt es für mich loszulassen und, wie anfangs angesprochen, über die Brücke zu schreiten. Ich trete reich beschenkt an Erinnerungen, interessanten Kontakten und – wie man so schön sagt – einem gut gefüllten Rucksack, in den Ruhestand. Die Tatsache, dass ich die Hochschule bei meinem Nachfolger, Gian-Paolo Curcio, und dem starken FHGR-Team in guten Händen weiss, macht mir diesen Schritt etwas leichter. Auf Wiedersehen und danke, a revair e grazia, arrivederci e grazie!
Bildgalerie Verabschiedung Jürg Kessler
Prof. Jürg Kessler ist Rektor und Vorsitzender der Hochschulleitung an der FH Graubünden. Alle vier Wochen diskutiert die einzige Fachhochschule im Kanton an dieser Stelle aktuelle Themen aus Lehre und Forschung.