Mit zunehmenden Temperaturen steigt alljährlich auch wieder die Zahl der Wildcamper. Während der Corona-Pandemie hat sich dieses Problem nochmals verstärkt, denn kontaktarme Ferien in peripheren Gebieten sind angesagter als je zuvor.
Wie ernst die Lage ist, unterstreicht die neue Sensibilisierungskampagne des Schweizer Alpen-Clubs (SAC), welche dem Massentourismus an entlegenen Orten Einhalt gebieten will. Mit dem Aufruf, auf Geo-Tagging zu verzichten, also der Zuordnung von Geo-Koordinaten zu geteilten Bildern von Lieblingsplätzen, möchte der Alpen-Club erreichen, dass der Geheimtipp geheim und die Schönheit der Natur erhalten bleiben.
Gerade die Naturschutzgebiete und sensiblen Lebensräume von Flora und Fauna bedürfen einer besonderen Rücksichtnahme. Zwar bietet der SAC selbst auf seiner Website eine sehr gute Übersicht über die bestehenden Schutzzonen und nützliche Verhaltensregeln beim Campen an, aber welche Regeln wo gelten und dass in vielen Fällen beim Grundstückseigentümer eine Erlaubnis eingeholt werden muss, ist zu vielen Naturliebhaberinnen und -liebhaber noch nicht durchgedrungen.
Immerhin schaffen Vermittlungsplattformen wie Nomady oder Homecamper Abhilfe und ermöglichen legales Campen an Naturplätzen, vorausgesetzt der Landeigentümer hat im Vorfeld die nötigen Abklärungen in Bezug auf gemeindliche und kantonale Regelungen getroffen. Beim nicht-motorisierten Campen (Zeltcamping oder Biwakieren) ist es jedoch nicht immer einfach, verbindliche Aussagen von Gemeinden zu erhalten, da nicht alle diesbezügliche Verordnungen erlassen haben. Hingegen ist das motorisierte Campen (etwa mit Campingbus, Wohnmobil oder Caravan) in der Regel über Gesetze klar geregelt. Diese Diskrepanz offenbart, dass dem Campingtourismus in der Vergangenheit zu wenig Beachtung geschenkt wurde, und vermutlich so manche Gemeinde diesen lieber nicht wünscht, weil sie darin zu wenig direkte touristische Wertschöpfung sieht oder Sorge um das Ortsbild hat.
Um die Chancen dieser Ferienform zu erkennen, bedarf es einer differenzierten Betrachtung. Dass Camping nicht unbedingt eine Form von Billigtourismus sein muss, wird einem schnell beim Blick auf die Wohnmobilpreise und deren Unterhaltskosten klar. Campinggäste nehmen genauso wie Hotel- und Ferienwohnungsgäste Transportleistungen von Bergbahnen in Anspruch oder konsumieren in der örtlichen Gastronomie und decken sich mit Souvenirs ein. Sie sind Menschen, die einfach eine andere Art der Unterbringung bevorzugen, auch wenn sie sich leicht einen Hotelaufenthalt leisten könnten. Der Camping-Boom wird nach Corona anhalten und Gemeinden können dies nutzen, indem sie das motorisierte Campen in gezielte Bahnen lenken und entsprechend attraktive Stellplätze mit einer Mindestinfrastruktur schaffen, für die der Gast bereit ist, entsprechend zu bezahlen.
Beim nicht-motorisierten Campen hingegeben sind verbindliche Regelungen, klar ausgewiesene Gebiete sowie eine gute Kommunikation gefragt, damit jeder Camper und jede Camperin weiss, was man wo darf – denn die Selbstverantwortung funktioniert nicht bei jedem gleich. Wenn also Camping geordnet und nach festen Regeln abläuft, kann man für so manchen den Traum vom lauschigen Plätzchen in der Natur wahr werden lassen.
Norbert Hörburger ist Dozent und, stellvertretender Leiter Forschung & Dienstleistung am Institut für Tourismus und Freizeit der FH Graubünden. Alle vier Wochen diskutiert die Fachhochschule Graubünden an dieser Stelle aktuelle Themen aus Lehre und Forschung.