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Der Fach­kräf­te­man­gel hemmt den Einkauf

Die Coronapandemie fordert Einkauf und Supply Chain Management, wie es unsere Generationen noch nicht erlebt haben. Gleichzeitig bietet diese Krise aber auch die Gelegenheit, unsere Bedeutung für Unternehmen aller Grössen zu beweisen. Scheitern wir daran, dass uns die Fachpersonen dafür fehlen?

Die Wahrnehmung von Supply-Chain-Aufgaben, besonders Lager, Logistik, Transport und Einkauf, hat sich in den vergangenen Jahren weiterentwickelt. Aus operativen Unterstützungsprozessen sind bei erfolgreichen Organisationen daraus strategische Partner der Geschäftsleitung, der Forschung und Entwicklung sowie des Marketings geworden.

Digital beschlagene Einkaufsprofis müssen heute nicht mehr nur optimale Konditionen in Verhandlungen herausschlagen, sondern auch Fragen, wie die folgenden beantworten können:

  • «Wie stelle ich sicher, dass Hilfsgüter zuverlässig und rechtzeitig in einer Krisenregion verteilt werden können?»
  • «Wie können Produkte nachhaltig und verantwortungsvoll gestaltet werden und wie helfen die Analyse von Konsumentenverhalten und die Produktionsplanung bei der CO2-Reduktion?»
  • «Soll eine Online-Händlerin die Lieferung selbst übernehmen oder dafür mit Partnerunternehmen zusammenarbeiten? Und wie können diese Partnerunternehmen digital am besten koordiniert werden?»
  • «Wie können die Mitarbeitenden eines Unternehmens für die Einführung von Robotik und Sensorik in der Produktion und im Lagermanagement begeistert werden?»

Oft nur ein Versuch möglich

Gerade der Umgang mit Lieferunterbrüchen, Produktionsausfällen und schwankender Nachfrage stellt Einkäuferinnen und Supply-Chain-Manager vor Herausforderungen. Um die effiziente und effektive Versorgung der Unternehmen sicherzustellen, ist die Gestaltung resilienter Supply Chains von zentraler Bedeutung. Ein wesentlicher Faktor, um mit raschen und disruptiven Veränderungen umgehen zu können, ist die Sicherstellung von Transparenz über Ereignisse in der eigenen Supply Chain.

Um dieses Ziel zu erreichen, ist der Einsatz digitaler Lösungen notwendig. Sowohl bei der Beschaffung und Kommunikation von Daten wie auch bei der Analyse und Visualisierung von Informationen oder der darauffolgenden Entscheidungsfindung stehen eine Vielzahl technischer Lösungen auf dem Markt zur Verfügung.

Viele Unternehmen haben bereits Initiativen zur Digitalisierung ihrer Supply Chains gestartet oder planen solche in absehbarer Zeit. Die Kosten für die Umsetzung solcher Lösungen sind jedoch beträchtlich. KMU, aber genauso Grossunternehmen, die Umsatzeinbussen erlitten haben, können sich oft nur einen Versuch einer Digitalisierungsinitiative leisten. Neben der technischen Lösung können Unternehmen Beratungsleistungen für die Umsetzung einkaufen. Die Abhängigkeit von externen Ressourcen ist langfristig jedoch keine nachhaltige Lösung für Organisationseinheiten, die sich mit Einkauf und Supply Chain Management beschäftigen, insbesondere aufgrund der umfassenden Auswirkung der Initiativen auf deren Kerngeschäft.

Fehlende Talente als Fallstrick

Um Lösungen auch mittel- und langfristig aufrechterhalten zu können, ist es notwendig, eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufzubauen, die nicht nur das Handwerk des Einkaufs und des Supply Chain Managements beherrschen, sondern auch Daten und Technologien zielführend einsetzen können.

Um Veränderungen in Organisationen zu verankern, sind zudem Change-Management-Kompetenzen relevant. Häufig genug scheitern Initiativen nicht an Schwächen bei den Technologien oder den Systemen, sondern daran, dass Anspruchsgruppen die Veränderung nicht annehmen.

Die Nachfrage nach Supply-Chain-Expertinnen und -Experten mit ausgeprägten analytischen und digitalen Kompetenzen ist hoch. Solche digital qualifizierten Einkaufs- und Supply-Chain-Management-Expertinnen und -Experten auf dem Arbeitsmarkt zu finden, ist bereits heute eine Herausforderung.

Der Mangel an Fachkräften wird ausserdem zusätzlich verschärft durch die Pensionierungswelle, die uns in den nächsten Jahren erwartet. Eine Studie der Credit Suisse aus dem Jahr 2020 zeigt, dass in der Schweiz ab 2023 mehr Menschen aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden werden, als neue eintreten. Damit gilt es, zusätzlich zum Umgang mit neuen Aufgaben auch Nachfolgelösungen sicherzustellen.

Die Anforderungen an die Rekrutierung von Fachpersonen, besonders aber auch an die eigene Personalentwicklung, steigen dadurch wesentlich und der Einkauf ist hier besonders gefordert.

Einkauf, Planung, Transport und Logistik sowie Distribution steuern wesentliche Kernprozesse von Unternehmen und sind wesentliche Elemente des Supply Chain Managements. In der Bachelorstudienrichtung Digital Supply Chain lernen Sie, Supply Chains zu managen und die digitale Transformation von Unternehmen nachhaltig zu gestalten.

Digital Natives sind die Zielgruppe

Die FH Graubünden hat bei über 200 jungen Menschen mit einer Berufsmaturität eine nicht repräsentative Umfrage durchgeführt, um die Entwicklung eines neuen Bachelorangebots zu unterstützen.

Das niederschmetternde Ergebnis – Lerninhalte mit Einkaufsbezug haben nur 27,9 Prozent der Befragten angesprochen. Die grosse Mehrheit stand dem Thema Einkauf neutral (42,7 Prozent) gegenüber oder hat es sogar als nicht ansprechend (29,4 Prozent) bewertet. Deshalb muss zwingend die Frage gestellt werden, warum der Einkauf unter allen abgefragten Lerninhalten am schlechtesten abschliesst, noch hinter Mathematik, Statistik und Volkswirtschaftslehre. Diese Ergebnisse müssen die HR- und Einkaufsverantwortlichen, aber auch Hochschulen hellhörig machen.

Die externe Suche nach qualifizierten Talenten für Fach- und Führungspositionen wird zunehmend herausfordernder, während zeitgleich die Anforderungsprofile umfassender werden und erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ruhestand gehen. Unternehmen haben die Möglichkeit, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Dazu ist die Identifikation und Entwicklung von Talenten in den eigenen Reihen nötig, besonders auch über die eigenen Abteilungsgrenzen hinweg.

Dieser Beitrag wurde ursprünglich im «Procure Swiss Magazin» 02-2021 veröffentlicht.

Dominic Käslin ist Studienleiter der Studienrichtung Digital Supply Chain an der FH Graubünden. Nach einem BWL-Studium hat er als Einkaufsleiter und Operational Excellence Director Abteilungen aufgebaut und Prozesse sowie Lieferantenbeziehungen transformiert.

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