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Corona – Segen für Zweit­wohn­sit­ze?

Das Jahr 2020 wird sicherlich für die meisten von uns ein Jahr zum Vergessen,

nicht aber so für weite Teile der Bündner Immobilienbranche, welche sich durch den Run auf Zweitwohnungen wahrscheinlich an alte Zeiten zurückerinnert fühlt. Nach dem Inkrafttreten des Zweitwohnungsgesetzes (ZWG) und anfänglicher Unsicherheiten bei dessen Anwendung ist es nach einigen gerichtlichen Klarstellungen recht ruhig geworden um das Thema der Zweitwohnungen. Man hat sich inzwischen weitgehend mit den neuen Regelungen arrangiert und dort, wo es möglich war, sich mit neuen Angeboten alpiner Beherbergung in Form von Ferienresorts mit bewirtschafteten Zweitwohnungen beholfen.

Als Kaufmotivation für die neuerstellten Wohnungen innerhalb eines sogenannten strukturierten Beherbergungsbetriebes dürften den Käufern, neben der eigenen Feriennutzung, die Mietrendite, aber auch die Möglichkeit eines alpinen Rückzugsortes gedient haben. Der Wunschvorstellung von dort arbeiten zu können, wo man sonst Ferien macht, stand leider oftmals eine halbherzige Digitalisierung der heutigen Arbeitswelt oder die Inflexibilität der Unternehmen im Weg. Dabei sehnen sich viele unserer Gäste und Zweitheimischen in Graubünden nach einer ausgeglicheneren Work-Life-Balance, welche sie an mehreren Orten ausleben können.

Was die Digitalisierung und die New-Work-Bewegung in Sachen Multilokalität bisher nicht vollbringen konnte, hat Corona in wenigen Monaten im Schnellzugstempo geschafft. Egal ob Büro-, Unterrichts- oder Kreativjob; viele von uns haben sich von der Zwangsvorstellung befreit, nur innerhalb eines festen Zeitrahmens an einem festgelegten Ort produktiv sein zu können. Entsprechend stark hat die Nachfrage nach alpinen Zweitwohnungen angezogen, sodass nicht nur neue attraktive Ferienobjekte schnell über den Markt gehen, sondern selbst renovierungsbedürftige Wohnungen den Besitzer wechseln. Dies freut nicht nur die Immobilienmakler, sondern auch das lokale Gewerbe. Am Institut für Tourismus und Freizeit der Fachhochschule Graubünden beobachten wir die Entwicklungen im Zweitwohnungsbereich und die Konsequenzen der Gesetzgebung und Rechtsprechung aufmerksam.

Die Zweitwohnungsinitiative mit ihrem Ziel, intakte Landschaften zu erhalten, steht zu einem gewissen Grade im Widerspruch zu der Arbeitsplatzerhaltung in der Peripherie und damit zur Vorbeugung der Landflucht von den Talschaften in die Agglomerationen. Deshalb sieht das ZWG eine periodische Überprüfung der touristischen und regionalwirtschaftlichen Entwicklungen der betroffenen Regionen vor. Im April 2021 soll die erste Evaluation des ZWG dem Bundesrat vorgelegt werden. Ob sich darin der vermehrte Wunsch nach einer Lockerung der Zweitwohnungsgesetzgebung wiederfinden wird, bleibt abzuwarten. Wahrscheinlich werden erst die kommenden Jahre zeigen, ob wirklich Lockerungsbedarf besteht und was COVID-19 tatsächlich am Zweitwohnungsmarkt ausgelöst hat.

Sicher kann nicht jeder seinen Arbeitsplatz ins Berggebiet verlagern, aber die durch die Pandemie aufgezeigten Möglichkeiten von multilokalen Lebensstilen sind ein interessanter Anfang für eine neue Ära in der Zweitwohnungsnutzung, bei der wir hoffentlich die Diskussion um kalte nicht mehr führen müssen.

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