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Den chi­ne­si­schen Gast an­spre­chen, dort wo er zuhause ist – Chancen für den Bündner Tou­ris­mus

Kennen Sie Douyin? Eventuell sagt Ihnen der Name TikTok mehr. Beide Apps gehören dem chinesischen Unternehmen Bytedance, sind eine Plattform für kurze Videoclips und trumpfen mit einer unglaublichen Erfolgsgeschichte und loyalen Followern. Douyin ist gleich wie TikTok und ist es doch nicht. Douyin gibt es nur in China, während TikTok, wie viele andere (westliche) Kanäle, dort gesperrt ist. Ein Dilemma, das vielen Unternehmen, die ihre Sichtbarkeit im weltweit grössten Markt China vergrössern wollen, sehr wohl bewusst ist. Die digitale Landschaft in China ist divers, für Aussenstehende fast unüberschaubar und hochdynamisch.

Aufgrund der schieren Grösse der aktiven Internetnutzer – Stand Juni 2023 über eine Milliarde – ist das Land der Mitte der weltweit grösste digitale Markt. Chinesinnen und Chinesen warten mit einer hohen Technikaffinität und einer hohen Bereitschaft, Zeit am Smartphone zu verbringen, auf. Die Digitalisierung hat den Alltag der Chinesinnen und Chinesen fast vollständig eingenommen und chinesische Tech-Unternehmen entwickeln hierfür Plattformen, die die Verwaltung des Konsums ungemein vereinfachen. Während in den USA und Europa vorrangig Apps mit einer primären und damit einzigen Funktion benutzt werden (wie etwa WhatsApp für Instant Messaging) werden in der restlichen Welt oft Superapps mit mehreren Funktionen gebraucht. In diese Kategorie fällt etwa die App WeChat, die eine All-in-One-Lösung anbietet und für viele Bereiche des alltäglichen Lebens unverzichtbar geworden ist. So verfügt WeChat neben dem Instant Messaging auch über ein integriertes Bezahlsystem, Shopping, Gaming oder Dienstleistungen von Drittanbietern, und ermöglicht seinen Nutzer:innen eine breite Palette von Dienstleistungen – ohne in eine andere App wechseln zu müssen. Sie können im WeChat-Ökosystem bleiben und ihre Einkäufe mit dem integrierten WeChat-Pay-Bezahlsystem finalisieren.

Ob dieser Komplexität stehen auch die Bündner Tourismusdestinationen und -unternehmen vor zahlreichen Hürden, wie eine gemeinsame Studie der Fachhochschule Graubünden, Graubünden Ferien und der Fachhochschule Nordwestschweiz zeigt. So ist ein Verständnis für die chinesische Social-Media-Landschaft wesentlich, um die Gäste aus dem Land der Mitte zu erreichen. Dabei sind vor allem chinesische Individualtouristen wichtig. Um diese für Ferien in Graubünden zu begeistern, müssen sie auf den Plattformen angesprochen werden, in denen sie zu Hause sind und ihre Community vorfinden. Doch eine Eins-zu-eins-Übernahme der bestehenden Marketingstrategie würde in China nicht funktionieren. Neben dem fehlenden Wissen über die digitale Landschaft in China, die gänzlich andere Apps und Plattformen vorweist, bestehen gemäss der Studie auch sprachliche und grosse kulturelle Unterschiede der Kommunikation. Der chinesische Gast recherchiert lange und stellt viele Fragen, die er in kürzester Zeit beantwortet haben möchte – ungeachtet der Uhrzeit oder des Wochentages. Bei Nichtbeachtung wandert er weiter zur Konkurrenz. Dafür muss man gewappnet sein. Die digitale Welt eröffnet den Schweizer Tourismusdestinationen und -unternehmen neue und effektive Wege zum chinesischen Kunden. Die Unterstützung durch eine chinesische Agentur könnte ein Weg sein, um eine Marktpräsenz in China aufzubauen.

Nach dem Ende der Coronamassnahmen Anfang 2023 dürfen Chinesinnen und Chinesen wieder ins Ausland reisen. Schweizer Touristiker:innen gehen davon aus, dass im Laufe des Jahres auch die Schweiz als europäische Destination an Beliebigkeit zunehmen wird. Für den Bündner Tourismus ist dies eine grosse Chance – vor allem wenn chinesische Individualtouristen ihren Weg in den Bergkanton finden.

Thuc Lan Tran ist Dozentin am Institut für Tourismus und Freizeit (ITF) der FH Graubünden. Alle vier Wochen diskutiert die Fachhochschule Graubünden an dieser Stelle aktuelle Themen aus Lehre und Forschung.

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