Keine Sekunde habe ich überlegt, ob ich mein Austauschsemester im Herbstsemester 2020/21 in Stuttgart antreten soll oder nicht. Diese einmalige Chance wollte ich nutzen, trotz Pandemie. Und ich habe es nicht ein einziges Mal bereut. Es war nicht so, wie man sich ein Auslandsemester vielleicht vorstellt, aber doch einzigartig und eine Erfahrung, die ich nicht mehr so schnell vergessen werde.
Mein Name ist Daniela Epp und ich studiere Multimedia Production an der Berner Fachhochschule. Ende Februar 2021 beendete ich mein Austauschsemester an der Hochschule der Medien Stuttgart (HdM). Ein super Semester - aber auch speziell - mitten im deutschen Lockdown. Ich hatte das Glück, dass zu Beginn meines Auslandsemester im Oktober 2020 noch einigermassen normale Bedingungen herrschten und ich andere internationale Studierende kennen lernen konnte. Die International Organisation in Stuttgart ESN hat mehrere Corona-konforme Events und Treffen organisiert. Diese habe ich genutzt und würde sie jeder und jedem ebenfalls empfehlen. Denn am Anfang fühlt man sich sehr allein. Ich gebe zu, die ersten beiden Nächte waren nicht einfach. So ganz allein, an einem fremden Ort, mit wildfremden Personen in der Wohnung. Zum Glück habe ich bald ein paar sehr tolle Menschen aus aller Welt kennen lernen dürfen, denen es auch so ging. Man tauscht sich aus und wächst bald zu einem familiären und vertrauten Umfeld zusammen. Ab November hat sich die Lage dann aber zugespitzt und alle kulturellen Veranstaltungen, Institutionen und auch Restaurants und Bars wurden geschlossen.
Sehr positiv an dem Austauschprogramm an der HdM ist, dass jeder International einen Buddy (Betreuer/-in) zugeteilt bekommt. Mein Buddy Sarah hat mich vom Bahnhof abgeholt, mir bei der Anmeldung in der Stadt geholfen und mich auch sonst bei allen organisatorischen Sachen unterstützt. Somit hat man bereits am ersten Tag Kontakt zur fremden Kultur und dem neuen Ort.
In Stuttgart habe ich mich für Kurse des Studiengangs Audiovisuelle Medien entschieden. Dieser ist sehr viel technischer als meiner in Bern, und ich hatte bei der Auswahl passende Kurse und Lehrveranstaltungen zu finden, sehr grosse Schwierigkeiten. Ich musste alles im Alleingang mit der Partnerhochschule regeln. Das war am Anfang sehr verwirrend und schwierig. Durch Gespräche mit Studierenden des Studiengangs konnte ich dann aber spannende Lehrveranstaltungen wählen und zusätzlich einen englischen Sprachkurs belegen. Leider habe ich die HdM selbst nur zwei Wochen lang besuchen können, danach wurden alle Veranstaltungen und Kurse auf online umgestellt. Das war sehr schade, da die Hochschule in Deutschland sehr viele Möglichkeiten - ein riesiges Fernsehstudio, eigener Radionsender, super ausgerüstetes Druckzentrum, riesiger Technikpool – für alle Studierenden bietet. Diese Features konnte ich leider nicht nutzen.
Gewohnt habe ich im Studentenwohnheim in Möhringen, wo die meisten Internationals platziert werden. Dort gab es vier verschiedene Wohnblöcke, die auf je neun Stockwerke jeweils drei bis vier Sechserwohngemeinschaften hatten. Während meines Austauschsemesters waren nur zwei der sechs Zimmer in meiner Wohnung Nr. 7305 besetzt. Jeffy, ein Student aus Indien und Shin aus China lebten mit mir dort. Zu ihnen hatte ich nicht sehr viel Kontakt, weil sie nicht an derselben Hochschule studierten und ihr Tagesrhythmus nicht zu meinem passte. Trotzdem habe ich mich sehr gut mit ihnen verstanden. Meiner Meinung nach war das die beste Entscheidung, dass ich in diesem Wohnheim gewohnt habe und ich bin froh, dass ich mir nicht selbst ein WG-Zimmer gesucht hatte. Denn so war ich immer mit den anderen Internationals zusammen und musste nicht allein zurück nach Hause laufen. Aufgrund des Lockdowns in Deutschland (Veranstaltungen, Museen, Restaurants, Bars, Einkaufsläden geschlossen) waren wir gezwungen fast die ganze Zeit rund ums Wohnhaus zu verbringen. Natürlich war das nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Aber durch die Events von ESN Stuttgart im Oktober habe ich mir trotzdem einen Kreis von Freunden geschaffen. Dieser Freundeskreis ist durch die Einschränkungen wie zu einer Familie geworden. Wir haben uns fast jeden Abend bei jemandem in der Wohnung getroffen, gekocht, Serien geschaut, kleine Partys gefeiert oder Spiele gemacht. Der Lockdown hat deshalb auch etwas Positives, er hat uns näher zusammengebracht als vielleicht andere Internationals.
Wie oben erwähnt, konnten wir im Oktober noch einige Ausflüge in kleinen Gruppen unternehmen. Was ich sehr empfehlen kann, ist ein Trip in das Nachbarstädtchen Esslingen. Dieses ist nicht so modern und wild zusammengewürfelt, wie Stuttgart selbst. Es hat noch einige alte Bauten und ein tolles Schloss mitten in den Weinbergen. Wenn wir gerade von Schloss reden: ein weiteres Highlight war das Schloss Liechtenstein in Honau. Dieses ist nur nach einem kurzen, aber steilen Fussmarsch zu erreichen. Dieser lohnt sich aber auf jeden Fall. Das Schloss ist auf einem Felssprung gebaut von wo man einen wunderbaren Ausblick über die Landschaft hat. Ebenfalls ein Muss finde ich das Museum für Illusionen. Es ist zwar klein, aber dafür sehr interaktiv und extrem spannend. Da sich Stuttgart im Talkessel befindet, gibt es rund um die Stadt sehr viele Aussichtspunkte, von denen man den wunderschönen Sonnenauf- und untergang sehr gut beobachten kann. Ein zentraler Punkt in der Stadt ist sicher der Schlossplatz, diesen kennen alle Studierenden und auch die Internationals. Er eignet sich hervorragend als Treffpunkt oder auch um im Park davor ein Bierchen oder Cappuccino zu geniessen. Eine Liste mit Cafés, Restaurants und Bar kann ich bei Bedarf gerne liefern. Obwohl ich leider nicht alle ausprobieren konnte in der kurzen Zeit, vertraue ich dem Insiderwissen meines Buddys Sarah. Als letzten Tipp kann ich noch die Stadtbibliothek empfehlen. Diese hat eine einmalige Architektur und ist nicht etwas, dass man oder frau tagtäglich bewundern kann. Der Eintritt ist gratis. Wer möchte, kann natürlich auch Bücher ausleihen.
Ich habe mich für ein Austauschsemester entschieden, weil ich diese Erfahrung schon lange machen wollte und der Rahmen des Studiums der einfachste Weg ist, einmal für eine gewisse Zeit günstig im Ausland zu leben und zu studieren. Stuttgart war nicht meine erste Wahl, trotzdem bin ich sehr dankbar und glücklich, dass ich nach Stuttgart gehen durfte. Ich denke, es spielt keine Rolle, wo man genau hingeht. Es ist überall neu und spannend. Für mich sind die neuen Bekanntschaften, Freundschaften und grossartigen Augenblicke tausendmal wertvoller als der Ort oder die Schule. Wichtig ist, dass man von Anfang an an möglichst vielen Events teilnimmt und neue Leute kennenlernt. Mit der Zeit kristallisieren sich dann Personen heraus, auf die man das ganze Semester zählen kann. Ich kann es jedem und jeder zu hundert Prozent empfehlen ein Austauschsemester zu machen. Auch während des Lockdowns.

Daniela Epp studiert Multimedia Production an der Berner Fachhochschule.